Risse in Klangdecken

Uli

Risse in Klangdecken

Beitrag von Uli »

mal eine ganz andere Frage:

Durch welche Einflüsse entstehen eigentlich die Risse in Klangdecken?

Klar, durch mechanische Einflüsse zum einen (Harfe heruntergefallen, falsche Besaitung bzw. Saitenwechsel ohne Berechnung) zum Anderen zu Trockene Luft? Sonneneinstrahlung? Unzureichende Verpackung wenn eine Harfe über Nacht im Zelt aufbewahrt wird?

Spielen die Stege dabei eine Rolle? Weniger Rissbildung mit Stegen?

Habe schon zu Ohren bekommen Harfen würden erst dann richtig gut klingen, wenn die Decke durch einen Riß freier schwingen kann? Bin da etwas skeptisch. aber daraus resultiert die Frage Risse reparieren ja/nein, wenn ja, wie?

Habt Ihr dazu Erfahrungen?

LG

Uli

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Andreas
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Beitrag von Andreas »

Also - ich versuche mal mein Wissen einzubringen (Harfenbauer bitte korrigieren wenn nötig).

Man sollte zwei Risstypen unterscheiden:
- Risse quer zur Decke
- Risse längs zur Decke

Risse quer zur Decke sind unkritisch und mehr oder weniger normal. Risse längs zur Decke sind Alarmzeichen und ein sofortiger Fall für den Harfenbauer.

Die Risse quer zur Decke sind eine Folge des "Arbeiten" von Holz aufgrund von Temperatur und Feuchtigkeitsschwankungen, sind also quasi "Dehnungsfugen" die entstehen. Die Stabilität der Decke wird dadurch nicht beinträchtigt, nur die Optik. Inwieweit diese Risse überhaupt entstehen, sie den Klang verbessern (oder auch nicht) ist eine Frage der Konstruktion der Harfe. und wie die Decke wo befestigt und eingeleimt wird. Es hat da schon viele kreative Versuche von Harfenbauern gegeben, aber noch kein klares Ergebnis. Ein Trend in den USA ist im Moment die Decke mit einer dünnen Furnierschicht zu versehen - das soll die Rissgefahr vermindern bzw,. vorhandene Risse sind einfach nicht zu sehen. Für den Klang gibt es mal wieder unterschiedliche Aussagen dazu: besser/gleich/schlechter

Meine ganz persönliche Meinung: wenn ein Riss den Klang erst gut macht, dann hat der Harfenbauer doch eigentlich etwas verkehrt gemacht (er hätte ja gleich den Riss "einbauen" können)

Längsrisse sind Vorzeichen einer sich zerlegenden Decke (aufgrund der Spannung z.B. durch falsche Saiten). Um bei einem Wortspiel vom Mosenberg zu bleiben: das macht dann bald GO-BANG und hinter sagt man WENT-BANG.

Gruss,
Andreas.
Andreas (aus Hamburg)
ollibo

Beitrag von ollibo »

Also bevor die ganzen Harfenlandwirte :_grin_: hier demnächst loslegen kommen hier meine 2 Cent:

Das sich die Decke durch Trocknung zusammenzieht, ist der wahrscheinlichste Grund (die Gründe hast du genannt). Des Phänomen kennt wohl jeder mit Holzfussboden oder -decke.

Entscheidend ist natürlich die Holzfeuchte beim Aufleimen der Decke auf den Korpus. Holz zieht sich quer zu Faser 10mal stärker zusammen als längs zur Faser. Da die meisten modernen Harfendecken quer gemasert sind, macht sich das deutlich bemerkbar.

Wenn die Harfendecke unten am Bass bereits offen ist, würde ich vermuten dass der Unterschied geringer ist als bei geschlossener Bauweise.

Ich habe mal eine Harfe von Christoph Pampuch gesehen, bei der zahlreiche Risse in der Decke waren. Er meinte, das würde bei meiner Harfe auch passieren. Meine Klampfe ist aber schon 6 Jahre alt und kein Riss dabei. Ich vermute, dass es bei seiner Harfe entweder beim Bau oder Benutzung hinterher ein Problem mit der Feuchtigkeit gab.

Ich übergebe an die Expääärten!

Oliver
Uli

Beitrag von Uli »

Ergo. müsste man also wenn man etwas sicherer sein will, das Holz für die Decke bzw. die vorbereitete Decke vor dem Verleimen 2 Stunden in die Sonne oder vor die Heizung stellen. ;o)

Längsrisse in querverleimten Decken kann ich mir so fast nicht vorstellen, müsste dann ja schon ein Bruch sein...

Bei meinen beiden keltischen (eine klangwerkstatt mit Fichten-und ein Eigenbau mit Zederndecke) habe ich auch nach 7 Jahren noch keine Risse. Finde sie klingen trotzdem toll :_grin_:
Bei meiner Konzertharfe möchte ich an so etwas wie Risse gar nicht denken, das würde mir körperlich weh tun, glaub ich.

Wenn die Querrisse "normal" sind werden sie vermutlich auch nicht rapariert - durch einleimen eines entsprechenden Spans? Bei Geigen oder Gitarren ist das die Methode, soweit ich weis.

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Andreas
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Beitrag von Andreas »

Also das Ganze hängt natürlich sehr stark vom Holz und dem Umgang mit der Harfe ab.

Uli: wenn die die 2h auf 2 Jahrzehnte (besser Jahrhunderte) erweiterst, wird da was daraus.

Im Ernst: das Holz muss natürlich sehr gut abgelagert und auf geeignete Feuchtigkeit gebracht worden sein. Um offen zu sein: da gehts auch um Geld- und nicht wenig. Der Markt für gute Tonhölzer ist eine absolute Katastrophe. Entweder hat der Bauer eine gute Quelle (teuer), oder er lagert selbst. Aber selbst lagern muss man rechtzeitig anfangen und es sind gebundene Investionen (Holz kaufen und bezahlen und in 10-20 Jahren Geld dafür bekommen.). So etwas machen z.B. Top Gitarrenbauer und lassen sich das dann bezahlen (locker €15.000 für eine Gitarre). Die grossen spanischen Bauer haben für ca. 20 Jahre Holzvorrat gebunkert - das kostet. Andere Alternative: Holz aus der Klimakammer. Das machen die grossen Firmen z.B. im Gitarrenbau. Bei Harfen habe ich da nicht den Überblick - ist aber sicher auch dort ein relevantes Thema.

Der nächste Schritt ist dann beim Kunden. Also: Harfe bei 50% Luftfeuchtigkeit gebaut bzw. Holz gelagert. Kunde bewahrt Harfe im geheizten Raum bei 30% auf -> Risse!! Harfe im permanenten Klimawechsel vom Lagerfeuer an die See -> Risse. Harfe kontrolliert aufbewahrt, immer gestimmt, gelegentliche, möglichst kurze Ausflüge mit Klimawechsel, in der Tasche transportiert-> keine Risse.

Und noch mal meine Meinung: eine Harfe darf trotz Risse gut klingen, sie sollte aber nicht erst mit Riss gut klingen. Dann ist was verkehrt.

Und zur Konzertharfe: Ich weiss nicht was Du für eine spielst, aber ich vermute,dass die grossen Hersteller mit Klimakammern arbeiten. Risse bei einer Konzertharfe wird keiner tolerieren.

Es ist richtig, dass die Risse bei einer Gitarre gefüllt werden. Das macht man, damit der Riss nicht weiter geht. Gitarren sind längsgemasert, da würde die Decke gespalten. Bei der Harfe macht man das nicht, da quergemasert. Da ist rechts und links sowieso Schluss. Und in dieser Form sind die Elemente eh zusammengefügt. Und wo ein Riss ist, kommt kein zweiter hin (Stichwort "Dehnungsfuge").

Gruss,
Andreas.
Andreas (aus Hamburg)
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Beitrag von skh »

Uli hat geschrieben:Ergo. müsste man also wenn man etwas sicherer sein will, das Holz für die Decke bzw. die vorbereitete Decke vor dem Verleimen 2 Stunden in die Sonne oder vor die Heizung stellen. ;o)
Nein, aber das Holz ausreichend lange im "Zielklima" der Harfe lagern, bevor man es verbaut.
ollibo

Beitrag von ollibo »

Uli liegt mit seinen 2std nicht so falsch. Mein Harfenbauer hat die Fichtendecke meiner Harfe, die aus trockener Fichte verleimt wurde, im Komplettzustand dann nochmal vor dem Verleimen in die Trockenkammer gepackt.

Decken von Konzertharfen können auch reißen, aber wegen der Längsfunierung siehst man das meist nicht.

Gruß Oliver
Uli

Beitrag von Uli »

skh: das mit dem Zielklima ist dann ja grade das Problem, welches nehme ich denn da, wenn die Harfe mal in der prallen Sonne, mal am See und mal bei der Wintersonnwende am Feuer gespielt wird -brrrrrrr! :_undecided_:
Könnte dann im Sommer zum Decke aufleimen in die Kühlkammer gehen - STREIK-
...deshalb werde ich auch keine Harfen für Finnland bauen
:_tongue_:

Andreas: den Umgang sehe ich auch als einen wichtigen Faktor an. Bin mit meiner kleinen zwar schon seit 7 Jahren unterwegs - auch auf Mittelaltermärkten - und habe (klopfklopf) noch keine Risse. Muss dabei aber immer an das denken, was André uns nach dem Baukurs sagte: zieht eure Harfen immer so warm an, wie ihr es auch gerne hättet . (Kurs war im Winter! Gilt natürlich für den Sommer umgekehrt)

Gibt tatsächlich Leute, die glauben eine Harfe müsste auch einen Regen unbeschadet überstehen! Werde demnächst Bootslack benutzen - für alles, auch die Saiten....

klingende Grüße
Uli
skh
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Beitrag von skh »

Uli hat geschrieben:skh: das mit dem Zielklima ist dann ja grade das Problem, welches nehme ich denn da, wenn die Harfe mal in der prallen Sonne, mal am See und mal bei der Wintersonnwende am Feuer gespielt wird -brrrrrrr! :_undecided_:
Ja, klar. Ich kenne auch mehr Schauergeschichten von Holzquerfloeten (in Irland gebaut, in den USA nach wenigen Wochen gerissen) und aus dieser Szene den Rat, von einem Instrumentenbauer zu kaufen, der in einer aehnlichen Klimazone lebt wie man selbst.

Ich gehe einfach davon aus, dass ein Klima, in dem ich mich wohlfuehle, auch fuer meine Instrumente nicht ganz falsch sein kann, und freue mich, wenn Trockenrisse an unkritischen Stellen auftreten, wenn ueberhaupt. Das beantwortet aber deine Frage nicht, und darueber hinaus habe ich keine Ahnung :_wink_:

Deshalb einfach: Gruesse,

Sonja
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Andreas
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Beitrag von Andreas »

Also für Leute, die wirklich mit der Harfe in die Wildnis wollen gibts es dann noch folgende Alternative in "down under":

http://www.thom.tascom.net/index.html

Der Kerl baut doch glatt abgefahrene Harfen aus Aluminum und kohlefaserverstärkten Composites (Formel 1 Werkstoffe). Die sollen sogar gut klingen, habe aber noch keine live gehört.

Das Design an sich ist auch sehenswert!

Gruss,
Andreas.
Andreas (aus Hamburg)
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