Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Benutzer gelöscht

Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Benutzer gelöscht »

Durch das Youtube Video mit der Philippe Volant einreihigen chromatischen Harfe ist so eine Kette ins Rollen bekommen. :_smile_:
Stellt euch vor da wäre jemand, der gerne bastelt und gerne eine neo-chromatische Harfe entwickeln würde: Was wäre für euch die optimale chromatische Harfe, ausgehend davon, dass ihr bereits diatonische Harfe spielt?

Es gibt ja verschiedene Systeme... Überkreuzte Saitenebenen 6-6 oder 7-5, Einreihig, Doppelreihig, Dreireihig...
Der Knackpunkt ist ja vor allem der Saitenabstand, damit kein Scheppern auftritt und dass man gerne auch große Intervalle greifen möchte, aber dennoch die Finger dazwischen bekommen möchte, sowie die "Länge" der Harfe und damit die geringere Oktavenanzahl. Ideal wäre ja, wenn man keine ganz neue Technik lernen muss sondern "nur" andere Abstände.

Es geht jetzt nicht um hochpreisige historisch korrekte Harfen, die es ja durchaus vereinzelt schon gibt sondern eine Neuentwicklung - wie müsste diese für euch aussehen, falls ihr schon eine Weile mit Chromatik liebäugelt, aber die sich kreuzenden Saitenebenen bisher abschreckend waren? Habt ihr Lösungsvorschläge für die oben genannten Probleme?
Shayleigh
schon länger da
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Shayleigh »

Ich spiele jetzt seit Januar chromatische Harfe und habe vorher noch nie eine Harfe in der Hand gehabt, kann also nicht für die "Umsteiger" sprechen, sondern spreche hier als "Direkteinsteiger"

Ich stelle mir das Spielen einer einreihigen chromatischen Harfe genau so schwierig vor, wie das einer Spielen einer Harfe mit gekreuzten Saiten, wenn nicht noch schwieriger.

Und zwar aus folgendem Grund:

Nehmen wir die C-Dur-Tonleiter: C-D-E-F-G-A-H-C

Zwischen E und F und zwischen H und C befindet sich jeweils ein Halbton, während zwischen den anderen jeweils ein Ganzton liegt. Das würde also für eine einreihige chromatische Harfe bedeuten, daß ich jeweils eine Saite auslassen muss, wenn ich die Tonleiter spielen will, nur zwischen E-F und H-C nicht. Da muss ich die direkt nebeneinander liegenden Saiten spielen. Ob sich das mit wenig Übungsaufwand flüssig spielen lässt, kann ich nicht beurteilen, stelle es mir aber schwierig vor. Bei einer Harfe mit gekreuzten Saiten im 6/6er System kann ich immer die nächste Saite spielen und muss nur nach dem E und nach dem H die Ebene wechseln. Das lässt sich (zumindest als Direkteinsteiger) mit relativ wenig Übungsaufwand flüssig spielen (da spreche ich aus Erfahrung).

Der Vorteil der diatonischen Harfe (mit Halbtonklappen) ist ja, daß sie auf eine Tonart eingestellt wird und ich die ganzen Vorzeichen, die vorne neben dem Notenschlüssel stehen, ignorieren kann (auf Klappen während des Spielens gehe ich jetzt mal nicht ein). Das kann ich bei einer chromatischen Harfe grundsätzlich nicht. Wenn vor einem E ein b steht, zupfe ich die Es (bzw. Dis)-Saite und wenn vor einem E ein # steht, dann zupfe ich die F (bzw. Eis)-Saite. Ein Umdenken muss also in jedem Fall stattfinden.

Außerdem finde ich, daß die gekreuzten Saiten das Finden der "richtigen" Saite erleichtert. Bei einer einreihigen chromatischen Harfe befinden sich zwischen C und F vier Saiten und zwischen F und C sogar sechs Saiten. Bei den gekreuzten Saiten sind zwischen C und F zwei Saiten (danach wechsle ich die Ebene) und zwichen F und C drei, danach wird wieder gewechelt. Man könnte natürlich ein neues Farbsystem erfinden, das das Finden der Saiten erleichtert, z.B. könnte man die A-Saite nochmal farblich absetzen, damit nicht sechs aufeinanderfolgende Saiten gleichfarbig sind.

Aufgrund der von dir genannten Knackpunkte (Saitenabstand, "Länge" der Harfe, geringe Oktavzahl) wurde ja die Harfe mit den gekreuzten Saiten erfunden. Wenn es jetzt eine einreihige werden soll, dann müssen irgendwo Kompromisse gemacht werden. Da ein gewisser Mindestsaitenabstand unverzichtbar ist und aufgrund der Armlänge auch der "Länge" der Harfe irgendwo Grenzen gesetzt sind, muss man dann halt mit weniger Oktaven leben und auf das Greifen von weit auseinanderliegenden Saiten verzichten. Beim Klavier greife ich auch maximal eine None, danach sind meine Finger zu kurz....


Also wirkliche Lösungsvorschläge kann ich dir leider nicht anbieten. Ich kann aber aus Erfahrung als Direkteinsteiger nur allen dazu raten, die gekreuzten Saiten einfach mal auszuprobieren. Sooooo kompliziert, wie es aussieht, ist es eigentlich gar nicht. :_wink_:
Benutzer gelöscht

Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Benutzer gelöscht »

Hallo, danke dir für dein Statement.
Du sagst bei der X Harfe kann man die Töne direkt hintereinander spielen man muss "nur" die Saitenebene wechseln.
Bei einer einreihigen Harfe wäre das doch analog der Bauplan einer Tonleitern: z.B. Dur: GT GT HT GT GT GT HT, oder: der Halbtonschritt liegt zwischen 2 u 3 und 7 u 8. Ich finde das nimmt sich von der Komplexität nichts. :)

Wenn du direkt mit X angefangen hast kennst du nicht die Probleme, die beim Umstieg entstehen können. Ich kann auch nur jedem raten gleich chromatisch anzufangen und nicht den Umweg über diatonisch zu nehmen.
Was an der X Harfe sehr seltsam ist, das ist die Griffweise Daumen mal oben mal unten und gespiegelte Griffe. Wenn man die ganze Zeit gelernt hat den Daumen schön hoch zu halten ist es sehr seltsam dieses Credo auf einmal zu durchbrechen. Es ist eben dann eine ganz andere Haltung und ich finde sie ziemlich unbequem mit den zwei Ebenen, gerade wenn man Vierklänge mit einer Hand spielen möchte.

Das Einstellen der Tonart bei der diatonischen Harfe ist praktisch, wenn man die Tonart nicht dauernd verlässt. Ansonsten ist es sehr verwirrend mit den Klappen und nicht intuitiv - oder ich hab's einfach nicht verstanden. Ich spiele auch Klavier und finde es sehr nett, dass man dort jeden Ton zur Verfügung hat. Das Umdenken durch Vorzeichen stört mich da weniger.
Ok denken muss man bei einem chromatischen Instrument immer... all die "Misstöne" sind gleichzeitig Möglichkeiten, die man hat. ;)


Vielleicht möchten sich noch ein paar Diatoniker zu Worte melden, wie sie das sehen? Interessiert mich einfach.
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Junit »

Auch ich gehöre zu denen, die gleich mit chromatisch angefangen haben und trotzdem habe ich solche Gedanken an ein komplett anderes System einer chromatischen Harfe in den letzten Wochen auch schon gehabt.

Da ich mich inzwischen (endlich!) in der klassischen Spieltechnik übe, kann ich die dabei auftretenden Schwierigkeiten an der 6/6 Harfe sehr gut nachvollziehen. Das System selber ist meiner Meinung nach gar nicht das Problem. Man muss allerdings ständig aufpassen, dass man nicht eine der Nachbarsaiten entweder beim Spannen oder beim Abspielen erwischt. Das heißt die Saiten herausziehen während des Spannens und damit verschieben sich auch gleich andere Finger wieder dahin, wo sie nicht hinsollen... Besonders bei denn Basssaiten gibt es bei mir immer wieder ein Durcheinander. Aber ich hoffe eigentlich, dass sich das mit viel Üben irgendwann deutlich bessert. Schließlich gibt es ja Menschen, die das Spielen auf einer 6/6er sehr gut beherrschen.

Reidun Schlesinger hat einmal, als es ums Tonleiterspielen ging, geschrieben, dass ihre Harfe deutlich größere Saitenabstände hat, aber dann ist wahrscheinlich auch die Harfe gleich deutlich größer und schwerer.

Eine Trippelharfe halte ich auch für sehr interessant, habe aber bisher noch nie eine in echt gesehen und hoffe dabei auf das Harfentreffen.

Völlig gesponnen: gut wäre es, wenn einige Saiten als komplette Ebene heraus- und hineingedreht werden könnten in eine Basisebene. Ob dass dann aber besser als Klappenbedienen wird, ist auch wieder fraglich... Und ob das konstruktiv umsetzbare wäre steht absolut in den Sternen...

Könnten wir nicht beim Harfentreffen einen kleinen Gesprächskreis dazu einberufen? :_wink_:
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kragi
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von kragi »

Junit hat geschrieben:...Könnten wir nicht beim Harfentreffen einen kleinen Gesprächskreis dazu einberufen? :_wink_:
Klar können wir das!
Dieter, kommst Du zum Harfentreffen? Ich glaube, Du kannst einen großen Beitrag zu diesem Thema leisten. Was wäre, wenn Deine Neuentwicklung nicht 6x6 sondern 7x5 wäre? :_wink_:
I don't play like Miles and Louis. Daher sind meine Noten kein Jazz und können auch nicht weg!
Benutzer gelöscht

Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Benutzer gelöscht »

Liebe Junit, dich mit Harfe würde ich auch gerne auf dem Harfentreffen kennenlernen. Hoffentlich finden wir uns in dem Getümmel!
Reiduns zweite chromatische Harfe ist von Henrik Schupp und diese dürfte wirklich deutlich schwerer sein - sieht zumindest so aus.

Einen kleinen Gesprächskreis zum Thema Chromatik/Bauweisen fände ich sehr interessant! Das wäre doch sicher auch generell etwas für Interessierte, die das Instrument mal ausprobieren möchten oder verschiede chromatische Instrumente vergleichen möchten.

7-5 wäre auch mal sehr spannend zu spielen im Vergleich zu 6-6! Vielleicht hat ja jemand so ein Instrument?
Shayleigh
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Shayleigh »

Ich hab zwar keine 7-5er Harfe, aber ein Klavier und spiele seit mittlerweile fast 30 Jahren. Ich habe festgestellt, daß das 7-5er System sehr angenehm zu spielen ist, so lange es nicht zu viele Vorzeichen sind. Der Vorteil des 6-6er Systems ist halt, daß keine Tonart bevorzugt wird. Egal welche Tonart ich spiele, es gibt nur zwei verschiedene Fingersätze für alle Akkorde, nämlich einmal "obenrum" und einmal "untenrum". Das heißt, mit nur zwei verschiedenen Fingersätzen kann ich alle Tonleitern spielen.

Ich habe so ziemlich das gesamte letzte Jahr damit verbracht, mir zu überlegen, welche Harfe ich haben möchte. Ich war ziemlich schnell bei der chromatischen angelangt, da ich immer und zu jeder Zeit alle Töne haben wollte (der Klavierspieler in mir hat gesprochen... :_wink_: )

Dann habe ich überlegt, ob es eine 7-5er oder eine 6-6er werden soll. Ich habe mich letzten Endes für die 6-6er entschieden, weil mich die Gleichberechtigung aller Tonarten gereizt hat, auch wenn ich anfangs etwas umdenken musste. Diese Entscheidung habe ich bisher nicht bereut und bin sehr glücklich mit meiner kleinen.

Eine 7-5er Harfe würde ich aber dennoch gerne mal ausprobieren.

Da ich auf dem Harfentreffen leider nicht dabei sein kann (bin in Gütersloh auf dem Mittelaltermarkt zu finden...) bin ich gespannt, was euer Gesprächskreis so zu Tage fördert. Teilt doch eure Ergebnisse bitte anschließend hier im Forum mit. Würde mich freuen.
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Anne
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von Anne »

Ich werde zwar sicher erstmal bei der diatonischen bleiben und mir eine solche zulegen, aber was mich schon irgendwie fasziniert sind die dreireihigen..... im Grunde die perfekte Lösung, von beiden Seiten gleich zugänglich, entspricht im Gegensatz zur 6-6 der üblichen Klaviatur und auch wegen der Symmetrie des Zuges der Saiten an der Schalldecke kein Problem wie bei der 7-5.
Das hat für mich schon etwas von der Ideallösung - abgesehen von dem Gedanken wie lange man braucht um eine solche zu stimmen......
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von DS aus MOD »

kragi hat geschrieben:Dieter, kommst Du zum Harfentreffen? ........... Was wäre, wenn Deine Neuentwicklung nicht 6x6 sondern 7x5 wäre? :_wink_:
Hallo Karen,
1: Nein,
2: 5/7 stand für mich noch nie zur Debatte, verstehe aber, daß Pianorfisten ( Piano-Harfenisten ) darin ( für sich ) Vorteile sehen.

Wenn Du meine Idee schon ansprichst, will ich sie hier auch kurz kundtun.
Ich plane eine doppelreihige Kreuzsaiten-Reiseharfe, also Kreuzsaiten, wie bei der Klangwerkstattharfe und eine 2. Kreuzreihe parallel dazu um eine Oktave versetzt als Reiseharfe.
Also eine Mischung aus einerdoppelchromatischen Harfe und aus einer doppelchörigen Harfe, sozusagen eine "richtig doppelchromatische".
Der Grund: Für 4 Oktaven braucht man nur Platz für 3, somit kann das Instrument kleiner werden, oder andersherum, man bekommt eine Oktave mehr auf ein kleines Instrument.
Ein Schnurmodell hatte ich schon mal gemacht und auf dem letzten Treffen vorgestellt. Fühlt sich gut an.
Das Schepperproblem gehe ich an, indem a. die Saiten im Bass etwas kürzer werden und b. ich generell eine höhere Saitenspannung einsetzen will. Meine Finger geben das her!
Die größeren Stabilitätsprobleme durch höhere Spannung und mehr Saiten reduzieren sich wieder etwas durch die geringere Größe.
Der Klang........ja mei, das wird halt ein Experiment!
Habe aber noch keine Zeit gefunden, endlich mal zur Tat zu schreiten.

Dieter
Ich bin doch nicht beklappt :_smile_:

Von allen Tieren liebe ich ganz besonders den Amtsschimmel.
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Re: Die optimale chromatische Harfe konfigurieren

Beitrag von annunziato »

Als historischer 7/5-Chromatiker mit Doppel- und Tripelharfen amüsiert mich diese Diskussion zugegebenermassen. Offensichtlich muss jede Generation bitter feststellen, dass es _die ideale_ chromatische Harfe nicht gibt.
Bei einer einreihigen Chromatischen verliert man das Glissando. Und - ähnlich wie auf der kreuzreihigen 6/6 - klingen Fehler und Danebengriffe schnell _sehr_ schräg und "unmusikalisch", weil diese Konzepte in bezug auf unsere immer noch sehr stark funktionalharmonisch und diatonisch-melodisch geprägten Hörgewohnheiten und -erwartungen (und die zumeist gemachte Musik) technokratisch sind. Es gibt ja auch die starke Hypothese, dass sich deshalb die ganzen "neuen" Instrumente vom Anfang des 20. Jahrhunderts wie 6/6-Klaviere und Klaviere mit höheren Oktavteilungen (wegen der Stimm- und Temperatursysteme), aber auch die anthroposophischen chromatischen Leiern, nicht durchgesetzt haben.
Als Anregung für die Faktenebene würde ich schon gern die "Gegenfrage" in den Raum stellen: Wer macht denn wirklich chromatische Musik mit seiner chromatischen Harfe? Also solche, die ständig ausserhalb funktionalharmonischer und erkennbar melodischer Zusammenhänge ist, ständig echte weiträumige chromatische Rückungen und Modulationen enthält und dauernd mit Vier- und Fünfklängen zugange ist. Raphael Melik arbeitet einigermassen überzeugend mit Rückungen. Aber wenn man schon gesehen hat, wie Maeve Gilchrist mit Klappen zaubert, fragt man sich doch, ob man nicht mit genügend Übung für diese Musik eher bei der hakenharfe bleibt.
Oder auch: Wer spielt diffizilere Renaissance- und Barockmusik mit volleren chromatischen Spektren (z.B. Orlando di Lasso, Gesualdo, Monteverdi, um die einfacheren und Bekannteren zu nennen) oder auch Bachs Wohltemperiertes Klavier oder Französische Suiten?
Wie wir hier in einigen Diskusisonen mit "Chromatisch Interessierten" gesehen haben, war echte Chromatik bis hin zu Zwölftönigkeit und Atonalität doch weniger gefragt.
Die volle Klavierfunktionalität wird man mit egal welcher chromatischen Harfe schlicht nicht bekommen, dafür ist die mechanische Tonproduktion zu begrenzt. Vor- und Nachteil des direkten Anschlags ohne fingerfreundliche Tastenmechanik dazwischen...

Für Alte und sehr viel (auch atonale) Neue Musik sind 7/5-Harfen hervorragend geeignet, egal ob spanisch (kreuzreihig) oder italienisch (parallelreihig). Sie gehen halt nicht oder nur sehr begrenzt für die Wege zu Romantik und Impressionismus, wenn es um Tonarten mit vielen Vorzeichen geht. Wenn man aber z.B. Lieder wieder in "günstigere" Tonarten transponiert, kann man auch Schumann-, Brahms- und sogar Mahler-, Strauss- und Webernlieder begleiten. Schönberg und Hindemith tatsächlich sowieso. Interessanterweise ist Wolf schwierig. Mit etwas Übung und entsprechenden Einrichtungen der Temperaturen, aber ohne Umstimmen der diatonischen Hauptreihe(n) kommt man bis zu 3-4 Vorzeichen in der Zentraltonart. (So bei einem barocken Opernprojekt mit Erfolg ausprobiert, E-Dur- und f-moll-Arien kamen da noch vor. Braucht Übung, ist eine Menge Arbeit und führt zu vermutlich fürs Leben stabilen neuronalen Verschaltungen ;-)) Die Tripelharfe bietet da mit der Flexibilität der Hände relativ gute Möglichkeiten, einen weiten Tonumfang abzudecken. Die Doppelharfe ermöglicht es, die chromatische Reihe auch mal hilfsweise mit der jeweils "anderen Hand" direkt anzusteuern, was auch hilfreich sein kann. Aber aufgrund des Kreuzungspunkts haben die Hände eben eher einen "zugewiesenen" Hauptbereich im Tonumfang. Der ist aber auch auf die Musik der entsprechenden Zeit optimiert. Also Dowland, Byrd, Campion, Lechner, Lasso, Rossi etc. gehen alle wunderbar damit. Für Bachsonaten und vor allem -fugen nehme ich eher die Tripelharfe. Für Monteverdi nehme ich auch eher die Tripelharfe wegen der kräftigeren Bässe. Aber es gibt ja auch grosse Doppelharfen mit kräftigen Bässen, das wäre dann bezüglich der Periode eigentlich angemessener.
Wie bei kreuzreihigen Harfen auch brauchen parallelreihige Harfen eine sehr spezifische Technik, um die Durchgreiferei zu bewältigen. Alle klassischen Handpositionen, Daumen-rauf- und Spannungsgeschichten kann und muss man vergessen (braucht sie aber auch nicht wegen der geringeren Spannung), und die Gelenke und Finger müssen dreidimensional sehr beweglich werden - ebenfalls ihre innere Repräsentation. Das schützt übrigens auch vor den klassischen Haltungs-Überlastungsproblemen.
Also wenn sich jetzt jemand ernsthaft anfangen sollte, für 7/5-Systeme zu interessieren, kann man sicher mal (mit Vorlauf, die Kapazitäten sind gegenwärtig im Hauptberuf ziemlich überausgelastet) eine kleine Demonstration organisieren.
Nur durch Harfe spielen lernt man Harfe spielen. (Aristoteles)
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