Verbindung Knie/ Korpus

Jonny Robels
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Beitrag von Jonny Robels »

Womit auch die Frage geklärt ist, warum die Schalllöcher hinten sind. :_cheesy_:
Jadughar
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Meine Harfe(n): Ich besitze noch keine Harfe! Ich plane jedoch südamerikanische Harfen vom Typ Llanera oder vom paraguayischen Typus zu bauen, die ich mit Haken versehen möchte.

Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Jadughar »

Ich habe mal bei südamerikanischen Harfen unter youtube gesucht, wie sie gebaut werden um so einen Blick in das Innere von Harfen zu bekommen, weil ich ebenfalls Harfen südamerikanischen Typus bauen möchte. Mir war aufgefallen, daß man in Europa so gut wie keine Beiträge über Harfen im Internet findet, wie Harfen konstruiert sind und wo jedes Teil genau aufgezeigt wird. Wer also keine Harfe besitzt, kann sich keine detaillierten Vorstellungen machen, wie alle Einzelteile genau aussehen. Detailansichten von Harfen bekommt man überhaupt nicht zu sehen, und wenn, dann sind es für Hobbyharfenbauer eher unbedeutende Teile, die man bei einen flüchtigen Blick eh zu sehen bekommt. Es wird noch nicht einmal gezeigt, wie es auf der Rückseite der Resonanzdecke aussieht, wenn es um Fragen geht, wie die Harfe die Belastung der Saiten aushalten kann. Man weiß also nicht, ob im inneren des Resonanzkörpers Verstrebungen vorhanden sind, die die Zugkräfte der Saiten ausgleichen. Wenn mal das Innenleben einer Harfe gezeigt wird, dann eher kleine Teile der Mechanik bei Pedalharfen, welche das Verstellen der Halbtöne bewirken. Bei Hakenharfen wird nicht erwähnt, auf welche Länge eine Saite verkürzt werden muß, damit sie um einen Halbton höher wird. (L=l * 2^ (-1/12)), wobei l die Saitenlänge, (-1/12) der Exponent von 2 und L die verkürzte Länge ist. So muß also der Haken exakt die Saite von l nach L verkürzen, wo die exakte Position des Hakens sehr wichtig ist, was von der Geometrie der Harfe wiederum abhängig ist. Übrigens ist bei Zupfinstrumenten mit Bünden diese Formel wichtig für die Position der Bünde. Die Formel lautet dann L(x)=l*2^(-x/12), wobei x die Bundnummer darstellt. Die 12 kommt wegen der 12 Halbtöne zustande. Es entsteht hierbei eine temperierte Tonleiter, wo die unterschiedlichen Haltöne zu einen Halbton zusammenfallen, wie beim Klavier die Töne der schwarzen Tasten.
Da bei der Hakenharfe die Saite nur im einen Halbton verkürzt wird, so ist x=1 zu setzen. Man muß aber dann für jede Saite diese verkürzte Länge bestimmen, damit man die Haken richtig positionieren kann. Man muß also wissen, wie lang jede Saite ist. Da wäre es vom Vorteil, wenn man für den Wirbelhals dessen mathematischen Kurvenverlauf genau wüßte, damit man nicht die Saitenlänge jeder einzelnen Saite messen muß, sondern sie berechnen kann.

In Amerika kann man schon etwas genaueres finden, weil da auch mal gezeigt wird, wie man aus einen Bausatz eine Harfe bauen kann und so gewinnt man einen Blick auf die Einzelteile. Es scheint, daß die Harfe in Europa trotz ihres sehr schönen Klangs kein beliebtes Instrument ist und ein Schattendasein in einigen Orchestern führt, wo sie meistens als Begleitinstrument völlig im Getöse untergeht. Wenn man in einen Musikgeschäft nach Einzelteilen wie Harfenwirbel und anderes Zubehör für Harfen nachfragt, dann wird man als exotisches Wesen merkwürdig angeschaut und muß mit leeren Händen wieder von dannen ziehen.

Bei den amerikanischen Beiträgen fehlen auch viele Details, die man als Hobbyharfenbauer wissen möchte. So gibt es keine Angaben über die Wirbel, über deren Ausmaße, Beschaffenheit und Material, Lochabstände in der Leiste, der Winkel zwischen Resonanzboden und Stange, Ausmaße der Resonanzdecke und der Korpusteile, wie beispielsweise die Dicke der Resonanzdecken und anderen für die Resonanz zuständigen Holzteile, Längen und Breiten, Harfenhöhe, Saitenabstand, Dicke des Wirbelhalses, Längenverhältnisse der Teile zueinander usw.. Den Saitenabstand und den Winkel zur Stange braucht man, um den Lochabstand auf der Leiste berechnen zu können. Wenn die Saiten nicht mittig wie bei der paraguayischen Harfe aus dem Wirbelhals heraustreten, sondern an einer Seite befestigt werden, dann müßte der Hals seitlich am Korpus befestigt sein. Diese Details sind aber auf den Abbildungen, wo man Harfen zu Gesicht bekommt, kaum zu erkennen. Die geschwungene Form des Wirbelhalses scheint eher das Ergebnis empirischer Erfahrungen zu sein, als daß man mathematische und physikalische Berechnung hierzu angestellt hat. Hierzu habe ich überhaupt nichts gefunden. Nach meinen Berechnung ist es eine exponentielle Kurve in einen schiefwinkligen Koordinatensystem, sofern die Saitendicke konstant gehalten wird und die Leiste an allen Punkten gleich belastet wird. Berücksichtige ich die Saitendicke und ihre Dichte und Elasizitätsmodul, so bekomme ich trotzdem nur eine Annäherung an die typische Form des Wirbelhals. Die Harfe würde in Richtung Stange nach meinen Berechnungen höher werden. In Deutschland ist man besonders geheimnisvoll und verweist auf teure weit entfernte Harfenbaukurse, wo man bestimmt nicht eine Harfe bauen kann, wie man sie selbst gerne haben möchte. Man wird eher eine Harfe mit nach Hause nehmen, die vom Harfenbaukursus vorbestimmt ist. So wird in Wirklichkeit nur mit warmen Wasser gekocht und lieber abgezockt. Inzwischen habe ich mir eine peruanische und paraguayische Harfe selbst gebaut ohne einen Kursus in Anspruch genommen zu haben, und sie sind so geworden, wie ich es wollte. Ich bin nun einmal lieber Autodidakt und möchte nicht so einen heftigen Kostenaufwand betreiben, wo man man in einen kurzen Seminar von ein paar Tagen wohl kaum mit Wissen überfrachtet wird. Allen Unkenrufen zum Trotz wurden meine Harfen keine klingenden Kaninchenställe! Da ich nirgendwo Harfenwirbel bekam, habe ich sie mir sie sogar aus 6 mm starken Stahlnägeln selbst hergestellt. Von einigen Musikgeschäften in meiner Umgebung gab es nur ein Musikgeschäft für Folkloreinstrumente und die hatten noch nicht einmal Kataloge, wo man sie bestellen konnte. Da waren nur sehr kurze Zitherwirbel von 40 mm Länge bestellbar. Für eine Harfe wohl kaum ausreichend!

Die meisten Informationen zu Harfen und Harfenbau habe ich aus südamerikanischen Beiträgen gefunden.

Im Internet bin ich in Nordamerika und in Südamerika fündig geworden, wo ich mehr Einblick in einige Details finden konnte, die mich aber auch nicht ganz zufrieden stellten. Mir fehlen vor allem die Maße und die Längenverhältnisse. Eine Videoreihe aus Südamerika habe ich zum Bau einer peruanischen Harfe gefunden (Eine Harfe entsteht How a Harp is made Como hacer un arpa paso a paso) mit den Beiträgen 1,2,3,4,6 und 7. Da wird die Harfe an allen Teilen fest verleimt oder genagelt! Dagegen habe ich unter Youtube (prog 13 12, prog 13 13, prog 13 33 Cómo se fabrica el arpa Pya) den Bau einer paraguayischen Harfe teilweise verfolgen können, wo der gebogene Wirbelhals in den Korpus gesteckt wurde. Ein nordamerikanischer Beitrag, wo mir auch einige für mich wichtige Details fehlen, war die Youtube-Reihe (Bulding Your Smartwood Harp - Steps 1-7, 8-10, 11-14, 14-25) und noch weitere vom gleichen Autor (Stringin Your Smartwood Harp 1-3).
Überrascht war ich vom Beitrag "World Easiest and best harp kit - visit johnkovac.com", wo eine sehr einfache Harfe aus Kiefernholz und ohne dünne Resonanzdecke, trotzdem einigermaßen noch einen guten Klang hatte, was zeigt, daß man auch ohne Bauset und teuren Klanghölzern was zustande bringen kann, da die Einzelteile vom John Kovacs Baussatz so aussahen, als wären sie vom Baumarkt, die man gut geschmirgelt und lackiert hat.
Das habe ich gleich mal mit Kiefernhölzern vom Baumarkt ausprobiert und das Ergebnis war zufriedenstellend. Erst da merkte ich, daß die Harfenbaukurse doch nur eine Abzockerei sind.

Die Teile der Harfen werden nicht einheitlich bezeichnet. Der geschwungene Hals bzw. Wirbelhals, wo die Stimmwirbel sind, wird oft auch als Kopf bezeichnet. Bei den südamerikanischen Harfen fehlt die Bezeichnung des Knies, da der Hals oder Kopf senkrecht zum Korpus hinein geschoben werden. Das Knie fehlt hierbei. Andere bezeichnen das obere Ende der Vorderstange als Kopf und das untere Ende dieser Stange als Fuß, was auch die Unterseite des Korpus sein kann.

Bei den europäischen Harfen ist das Halsende zum Korpus hin sehr stark gebogen, was dann als Knie bezeichnet wird. Es wird dann auf der Oberseite des Korpus zusammengesteckt, oder es befinden sich dort zum Zusammenstecken düpelartige Stifte an dieser Stelle. Die Kräfte verteilen sich dann gleichmäßig auf den Korpus, der etwas zusammengestaucht wird. Verformen wir er sich dabei nicht, da die Stauchung größtenteils längs der Korpusdecken verläuft und nicht quer dazu. Nur die Leiste erfährt eine Kraftkomponente der Saiten, die sie durchbiegen läßt, weil die Saiten schiefwinklig an der Leiste ansetzen. So nahm ich anfangs an, daß es Querverstrebungungen im Korpus geben muß, um die Leiste in Form zu halten.
Hierzu habe ich keine Angaben finden können. Die südamerikanischen Harfen, die leicht bespannt sind, haben keine Querverstrebungen. Doch wie sieht es bei den europäischen Konzertharfen aus, die wesentlich stärkere Seitenspannungen aufweisen? Keine Informationen hierzu!
Nach dem Kräfteparallelogramm ist es nicht die Summe aller Zugkräfte der einzelnen Saiten. Die größte Kraftkomponente der Saiten geht entlang der Leiste zum Knie und wird vom Knie kompensiert, da die Seiten den Wirbelhals einschließlich des Knies gegen die Leiste drücken. Die Leiste steht somit unter einer Druckspannung, die nicht quer zur Leiste verläuft.

Als Physiker kann ich nur sagen, daß eine Fixierung aller Teile bezüglich der Belastung einzelner Teile wohl kaum eine Rolle spielen. Die Kräfte bzw. die Belastungen wirken auch ohne den Leim immer auf die gleiche Weise! Wenn also eine Stelle zusammengesteckt wird, dann wahrscheinlich eher, um sie beim Bau besser zusammenzufügen zu können. Da das Holz bekanntlich arbeitet, besonders bei feuchter Witterung oder unterschiedlichen Temperaturen, gibt es hierdurch einen Schlupf, der die Arbeit des Holzes ausgleichen kann, damit die verleimden Stellen woanders nicht aufbrechen.

Was die Schallöcher betrifft, sind sie je nach Harfentyp an unterschiedlichen Stellen. Bei der peruanischen Harfe sind sie in der oberen Resonanzdecke, bei der paraguayischen Harfe am Korpusboden, während die europäischen Harfen auf der Rückseite des Korpus sich befinden und somit einen leichten Zugang zur Leiste bieten, wo man die Saiten zur Bespannung durchziehen kann.

Bei der paraguayischen Harfe muß man die kurzen oberen Saiten an den der Oberseite der Leiste einführen, weil man durch das Schalloch am Korpusboden die Saite wegen der nicht ausreichenden Armlänge nicht einführen kann. Man muß eine sehr lange Saite verwenden und sie nahezu vollständig in den Korpus schieben, damit man das Saitenende am Korpusboden durch das Schalloch ergreifen kann, um einen Knoten in das Saitenende zu machen. Danach zieht man sie durch die Leiste wieder heraus bis der Knoten unterseits an der Resonanzdecke anschlägt und kürzt dann oben die Saite entsprechend auf die Länge, daß man sie bequem am Stimmwirbel befestigen kann. Der lange Saitenrest, der gewöhnlich auf einer Rolle gewickelt ist, wird dann für die nächste Saite verwendet. Die vorderen langen Saiten lassen sich aber bequem durch das Schalloch von hinten einführen, weil hier die Armlänge ausreicht. Interessant bei den paraguayischen Youtube-Beiträgen war, daß die Saitenenden an der Resonanzdecke mit einen kleinen Papierröllchen verknotet wurden.

Es befindet sich sowohl auf der Ober- als auch auf der Unterseite der Resonanzdecke eine Leiste, da die Resonanzdecke aus einzelnen Teilen zusammengeklebt wurde. Wie bei einen Sandwich befindet sie sich zwischen den beiden Leisten, so daß die Resonanzdecke sich nicht durchbiegen kann, wo sie dann in ihre Einzelteile zerfallen würde, wenn die Klebestellen durch zu starke Biegungen aufbrechen würden.

Nun habe ich noch eine Frage an die Besitzer von großen Konzertharfen mit Pedalen, wo die Saiten stark gespannt werden. Haben diese Harfen im Korpus Querverstrebungen, um die mittlere Leiste zu entlasten und wenn ja, wie sehen sie aus und woraus bestehen sie? Ich könnte mir Drähte vorstellen, die einen Gegenzug an der Leiste erzeugen und an weiteren inneren Leisten des Korpus befestigt sind. Ich habe noch nicht das Innere dieser Harfen gesehen, weil es auch hierzu keine Informationen zu finden sind!
Markus Schönfelder
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Markus Schönfelder »

Hallo Jadughar,

leider ist die Lesbarkeit deines Beitrages durch die Dichte des Textes und die Verwendung unüblicher Begrifflichkeiten etwas eingeschränkt.
Ich versuche mal in Kurzform darauf einzugehen, aber vielleicht kannst du deine Fragen/Punkte ja nochmal in gekürzter Stichpunktform zusammenfassenß

Dass man keine klaren Angaben zu Winkeln, Längen und Geometrie der Instrumente findet ist wenig verwunderlich, da diese für jedes Modell und jeden Hersteller unterschiedlich sind. Den Schwung des Hales, die gewünschte Besaitung und die Mensur zu ermitteln ist einer der ersten Schritte beim entwickeln eines neuen Modelles.
Wenn man selbst ein Instrument bauen möcbhte muss man eben selbst den Taschenrechner in die Hand nehmen oder einfach ein bestehendes Modell ausmessen und kopieren.
Hier spielen eine Menge Faktoren eine Rolle und jeder legt Wert auf andere Dinge: Bespielbarkeit, Optik, gleichmäßiger Saitenzug, klanglich optimale Zugbelastung der Saiten, Ergonomie der Saitenabstände und Winkel, etc.
Die geschwungene Form des Wirbelhalses scheint eher das Ergebnis empirischer Erfahrungen zu sein, als daß man mathematische und physikalische Berechnung hierzu angestellt hat. Hierzu habe ich überhaupt nichts gefunden. Nach meinen Berechnung ist es eine exponentielle Kurve in einen schiefwinkligen Koordinatensystem, sofern die Saitendicke konstant gehalten wird und die Leiste an allen Punkten gleich belastet wird.
Wenn ich dich richtig verstanden habe krankt diese vereinfachte Betrachtung bereits an den Grundvoraussetzungen: Materialstärken und Materialien der Saite können eben nicht konstant gehtlaen werden. Ebenso wenig die Saitenzugkräfte. Zudem: Für den Spieler ist gefühlt relevanter dass die Rückstellkräfte der Saiten ähnlich sind (denn das spürt er/sie ja beim Anschlagen) - das ist nicht immer das Gleiche wie die tatsächliche Zugkraft.
Ich würde hier weniger von Empirie sprechen als von einer ästhetischen Entscheidung. Der Schwung des Hales ist eben auch ein wichtiger Wiedererkennungswert eines Modelles.
. Berücksichtige ich die Saitendicke und ihre Dichte und Elasizitätsmodul, so bekomme ich trotzdem nur eine Annäherung an die typische Form des Wirbelhals. Die Harfe würde in Richtung Stange nach meinen Berechnungen höher werden.
Das ist korrekt - ähnlich wie beim Klavier stoßen hier sinnvolle Formgebung und klangliche/physikalische Erfordernisse aneinander.
Wenn wir davon ausgehen was phyikalisch optimal wäre würde der Schwung im Bass immer weiter und rapider ansteigen. Aber eine 3 Meter hohe Harfe transportiert sich schlecht. Der Gegenschwung stellt einen Kompromiss zwischen Formgebung und Funktionalität dar. Das Ergebnis ist eine steigende Inharmonizität im Bassbereich.
Beim Klavier ist es ähnlich - irgendwann ist schlicht und ergreifend kein Platz mehr für die langen Basssaiten. Die Lösung hier ein Konzertflügel.
In Deutschland ist man besonders geheimnisvoll und verweist auf teure weit entfernte Harfenbaukurse, wo man bestimmt nicht eine Harfe bauen kann, wie man sie selbst gerne haben möchte.
Geheimniskrämerei ist ein Punkt dem ich vor 20 Jahren in Deutschland noch zugestimmt hätte. Im Gespräch mit meinen Kollegen habe ich aber in den letzten Jahren andere Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil: Die Diskussion unter (jungen) Instrumentenbauern ist ziemlich offen heutzutage.
Das Problem liegt eher darin dass in Deutschland die Fachliteratur fehlt. Es ist schlicht und ergreifend kein Markt da um solche Literatur sinnvoll zu vermarkten. Klar kann ich was über Instrumentenbau schreiben, aber wozu? Das lesen dann 20 Leute, zu zahlen ist dafür eventuell einer oder zwei bereit.
Da ich nirgendwo Harfenwirbel bekam, habe ich sie mir sie sogar aus 6 mm starken Stahlnägeln selbst hergestellt. Von einigen Musikgeschäften in meiner Umgebung gab es nur ein Musikgeschäft für Folkloreinstrumente und die hatten noch nicht einmal Kataloge, wo man sie bestellen konnte. Da waren nur sehr kurze Zitherwirbel von 40 mm Länge bestellbar. Für eine Harfe wohl kaum ausreichend!
Da geht es uns ja nicht anders. Auch Instrumentenbauer haben nicht 20 Kataloge mit Harfenteilen zuhause.
Die Liste der Zulieferer ist überschaubar, und oft macht man Sachen eben selbst wenn man für eine Reparatur nicht das richtige Teil findet. Oder schaut was mann von anderen Instrumenten verwerten kann.
Das habe ich gleich mal mit Kiefernhölzern vom Baumarkt ausprobiert und das Ergebnis war zufriedenstellend. Erst da merkte ich, daß die Harfenbaukurse doch nur eine Abzockerei sind.
So würde ich das übrigens nicht sehen. Klar: wenn man erfahrener Holzhandwerker ist und in Physik, Mathe und Recherche fit genug um eine Harfe selbst zu entwerfen und zu bauen lohnt ein Kurs nicht. Aber die Kurse richten sich ja zumeist nicht an solche Einzelfälle.
Materialien bereitzustellen, Modelle zu entwerfen, Testen, Korrigieren, Verbessern, etc - einen guten Bausatz zusammenzustellen den auch Laien in überschaubarer Zeit sicher in eine funktionierende Harfe verwandeln können kostet Zeit und Mühe. Auch Instrumentenbauer müssen am Ende von Ihrem Beruf leben können.
Klar: Wenn ich das als Hobby betreibe kann ich ohne Probleme 20-30 Stunden investieren und daran Freude haben und alles ist gut. Wenn ich davon meine Miete zahlen muss überlege ich mir halt zweimal ob für die Zeit die ich investiere am Ende auch Jemand zahlt.
Hierzu habe ich keine Angaben finden können. Die südamerikanischen Harfen, die leicht bespannt sind, haben keine Querverstrebungen. Doch wie sieht es bei den europäischen Konzertharfen aus, die wesentlich stärkere Seitenspannungen aufweisen? Keine Informationen hierzu!
Ich kann nur wiederholen was ich bereits erwähnt habe. Viele Harfenbauer die heute auf dem Markt sind kamen auch als Quereinsteiger dazu. Auch denen/uns werden die Informationen nicht auf einem Silbertablett serviert.
Allerdings gab es hier im Forum schon einige Bauprojekte und auf Fragen haben eigentlich alle Kollegen immer ziemlich ausführlich und geduldig geantwortet. Man muss sich halt einfach vor Augen führen dass wir einfach nciht die Zeit haben immer sofort auf alle Anfragen zu antworten oder Informationen so zusammenzustellen dass Jemand der bei google sucht sofort alles findet.
Nun habe ich noch eine Frage an die Besitzer von großen Konzertharfen mit Pedalen, wo die Saiten stark gespannt werden. Haben diese Harfen im Korpus Querverstrebungen, um die mittlere Leiste zu entlasten und wenn ja, wie sehen sie aus und woraus bestehen sie? Ich könnte mir Drähte vorstellen, die einen Gegenzug an der Leiste erzeugen und an weiteren inneren Leisten des Korpus befestigt sind. Ich habe noch nicht das Innere dieser Harfen gesehen, weil es auch hierzu keine Informationen zu finden sind!
Üblicherweise gibt es hier keine Querbalken. Es gibt Ausnahmen, aber sie sind unüblich. Die Deckenstärke und Futter-/Leistenstärke werden so gewählt dass sie der Zugbelastung ausreichend entgegenwirken.
Bei vielen modernen Harfen wird die Decke zudem aus mehreren Schichten laminiert, was die Reißgefahr entlang der Faser deutlich senkt.

Liebe Grüße
Markus
Jonny Robels
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Jonny Robels »

Fühlst Du dich jetzt erleichtert? So viel Theorie, so viel Kopf... ach, Physiker? Na dann...(Ironiemodus aus)
Es gibt nicht so viele Regeln und Formeln beim Harfenbau, weil es viele Toleranzen gibt, Saitenabstände, Winkel zur Decke, Längen, Breiten, Dicken...
Man kann vieles berechnen, meistens reichen Erfahrungswerte.
Der Schluss deines Exkurses ist übrigens falsch, die Quellen sind offen da, Du hast sie lediglich nicht gefunden.
Z.B. Gildas Jaffrenou" Folk harps".
Schwer zu kriegen, aber nicht unmöglich. Vier Harfenformen als Vorlage, man muß sie nicht mal so nachbauen, als theoretische Grundlage reichen sie aus, um selbst ein Modell zu entwickeln. Beweis dieser Theorie: schau auf meine Netzsaite und bei YT: dafür hat eine Bauschlosserlehre gereicht. Sägen, feilen, bohren. Handwerk bleibt Handwerk! :_cool_:

Nebenbei: Harfenbaukurse sind keine Abzocke, sondern erlauben es Leuten mit wenig Geld, und eventuell noch weniger Handwerklicher Erfahrung/Befähigung, unter Aufsicht vom Fachmann sich eine Harfe zu bauen. D.h., sie haben einen direkten haptischen Bezug zu ihrem Instrument mit der Möglichkeit individuelle Verziehrungen anzubringen, sprich, "ihre" Harfe zu bauen, sich energetisch zu verbinden, falls Esoteriker :_wink_: .
Und das ohne das Risiko alles zu versauen.
Und die Harfenbauer verdienen etwas Geld. Das braucht man leider heutzutage, um zu leben. Die machen das nämlich nicht unbedingt als Hobby... :_angry_:

@Markus: Hast mich gerade während des Schreibens überholt... :_grin_:
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Maira
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Maira »

Ich war , bin , und werde immer froh sein , meine Harfe im Baukurs selber
zusammengebaut zu haben. Auch als Nicht-Esoteriker habe ich einen besonderen Bezug zu diesem Instrument.
( Hätte es ja fast gegen die Wand geworfen als die Schmerzen fast unerträglich wurden )
Wir haben uns zusammengerauft und ich will sie nicht mehr missen.
Und als Schneider hätte ich mich ohne fachlicher Anleitung nicht an so ein Projekt getraut.
Und gegenüber dem fertigen Kaufmodell habe ich etwa 500 Euro gespart.
Und daß man Harfen selber alleine aus dem Brett bauen kann und die dann auch noch gute Instrumente werden,
dafür gibt es mindestens 2 Beispiele die ich persönlich kenne :
Jonny Robels und Gabriel Müsenbeck.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Jonny Robels »

Übrigens: die Verbindung Knie/Korpus nennt man Oberschenkel/Hüfte! :_grin_: :_grin_: :_grin_:
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Markus Schönfelder »

@Jonny:

Ach quatsch. Zwischen Knie und Hals liegt der sogenannte "Bierbauch"
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Der Juergen »

Jonny Robels hat geschrieben:Der Schluss deines Exkurses ist übrigens falsch, die Quellen sind offen da, Du hast sie lediglich nicht gefunden.
Z.B. Gildas Jaffrenou" Folk harps".
Schwer zu kriegen, aber nicht unmöglich.
Ich fand es vor einigen Jahren nicht so schwer …
https://www.abebooks.co.uk/book-search/ ... affrennou/

Davor gab es ja auch noch Jaffrennous (unter dem Pseudonym »Claude Gildas Guinamant« erschienenes) Büchlein
»How to make the Celtic Harp« (von 1954).
Das ist wohl wirklich im Original nicht mehr zu bekommen.

Bild

Hier und hier hatte ich mal was dazu geschrieben.
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenbaukurs.de • harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Der Juergen »

Der Juergen hat geschrieben: Do 9. Feb 2017, 14:32Davor gab es ja auch noch Jaffrennous (unter dem Pseudonym »Claude Gildas Guinamant« erschienenes) Büchlein
»How to make the Celtic Harp« (von 1954).
Das ist wohl wirklich im Original nicht mehr zu bekommen

Tja, da muss ich mich revidieren – und zwar mit einigem Stolz! :_shocked_:

Beharrlichkeit ist auch in der Harfenwelt von Vorteil, das kannte ich schon … :_grin_:

So lief mir nun ein Original-Exemplar über den virtuellen Weg, das zwar recht teuer war und auch nicht in bestem Zustand, aber vollständig – einschließlich der Konstruktionszeichnung.
Keine Sekunde gezögert und gekauft … und soeben erhalten! :_cheesy_: :_cheesy_:

Hinzugeklebt ist auf S. 17 noch ein Zettelchen, eine Hektografie (Matritzendruck), das mit zwei netten Tipps aufwartet :_kiss_:

Bild
Scan: Jürgen Steiner

PS: Schützt die Bienen! :_kiss_:
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Re: Verbindung Knie/ Korpus

Beitrag von Maira »

Ja klar, Harfen ähneln den Hummeln - beide vollbringen Unmögliches....... :_grin_:
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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