Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

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bastian
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von bastian »

funstrumentalist hat geschrieben: Ich denke doch, dass du das damit meinst @bastian, wenn du sagst: "Diese Harfen sind deutlich niedriger gespannt als moderne Instrumente." Ich vermute, dass in etwa 430 Hz zu dieser Zeit üblich waren, oder?
Ja, aber nicht nur. Der Durchmesser der Saiten und die Saitenspannung ist auch niedriger als bei heutigen modernen Harfen. Vom Spielgefühl vielleicht vergleichbar mit mittelhart bespannten Hakenharfen.

Eine einheitliche Regelung des Kammertons gab es zu der Zeit noch nicht, auch gab es regionale Unterschiede. um 1800 lag der in Frankreich wohl noch so um 409Hz ("frühe Pariser Stimmung") und wurde um 1860 von der französichen Akademie auf 435Hz festgelegt und gesetzlich verankert. Quelle Wenn man das auf dieses Instrument übertragen möchte, hieße das, Baujahr und -Land (Erard hat die Produktion von Paris nach London verlegt) zu berücksichtigen. Ich würde nicht einmal anzweifeln, dass man die Erards zerstörungsfrei auf 440Hz kriegt, eine entsprechend dünnere Besaitung vorrausgesetzt.

Ich habe nur ein einziges Mal wirklich eine Erard in den Fingern gehabt, deshalb kann ich Dir Deine Frage nicht genau beantworten, Digait. Und das ist bestimmt schon vier Jahre her. Wenn ich mich richtig erinnere, war sie etwas enger als die Fischerharfe (die ich zu der Zeit aber noch nicht hatte, weswegen ich das nicht direkt vergleichen konnte, sondern nur indirekt raten kann). Wo ich Dir allerdings recht gebe: der Klang ist schon irgendwie besonders.
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digait
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von digait »

Nun sind wir arg ins Grübeln geraten, ob es wirklich eine alte Erard-Harfe sein muss.
Selbst wenn im Moment alles (einigermaßen) in Ordnung sein sollte.

Die Schlussbetrachtung auf S. 89 der Bachelorarbeit gibt auch mir zu denken:
"Das Kernstück der Harfe bildet die Mechanik. Diese ist in ihrer Konstruktion aus ca. 2000 Einzelteilen
kompliziert und muss mit wenig Platz auskommen. Bereits kleine Ungenauigkeiten führen dazu, dass die Mechanik nicht funktionstüchtig ist."

Das klingt danach, dass man auch bei richtiger Behandlung häufiger mit "Aussetzern" rechnen
muss, als es bei modernen Pedalharfen (z.B. Salvie, Lyon & Healy) der Fall ist. Und der
Wartungsaufwand wäre bei modernen dann (deutlich) geringer. Liege ich da richtig?

Hmm, wenn ich sehe, dass neue gebrauchte Harfen preislich in der gleichen Größenordnung liegen,
dann kommen wir noch mehr ins Grübeln. Ein prunkvolles Stück - und auch mit einem besonderen
Klang - ist ja schön, aber ob das dann wirklich eine "vernünftige" Anschaffung ist?


Kann man bei den jetzigen Konzertharfen als handwerklich versierter Laie
Wartungsreparaturen (ohne Spezialwerkzeug) selber machen?

Bei unserer Fischer-Harfe habe ich diese schon mehrfach aufgeschraubt
und gerissene Bowdenzüge erneuert oder Schnarren beseitigt.
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Maira
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von Maira »

Gewisse Dinge wie Saiten austauschen kannst Du bei einer ,,relativ " neuen Pedalharfe bestimmt machen.
Richtig regulieren , dafür wirst Du dann doch einen Fachmann brauchen.
Mit historischen Instrumenten wäre ich sehr vorsichtig.
Wenn es eine Pedalharfe sein soll , um miteinander auch chromatische Sachen spielen zu können ,
wäret ihr zwei wohl mit einem Modell der ,, jüngeren " Generation bestens beraten , auch wenn da
jetzt nicht sooo viel Gold und Glanz dran ist.
Es kommt drauf an , was an Musik rauskommt , dazu braucht es kein Gold.
Mit einer ,, modernen " Harfe können aber auch andere ( Familie , Freunde ) mitspielen, die nicht auf 403 Hertz oder
noch weniger runterstimmen können.
Das solltet ihr bedenken. LG Maira
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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Anne
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von Anne »

Schaut sie euch an, wenn der Fachmann kein Problem sieht, und deine Frau beim Spielen das Gefühl hat, das ist Ihre, dann pfeift auf die Vernunft, denn sonst werdet ihr der Harfe immer nachtrauern. Eine moderne gebrauchte bekommt ihr immer, so eine nicht.
My five cents :_wink_:
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Hans
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von Hans »

Nun ja Anne, auf die Vernunft pfeifen bei einem 5-stelligen Betrag ist ja auch nicht so ganz ohne, es sei denn die Finanzen spielen keine Rolle. Wenn man allerdings historische Dinge mag oder auf Wertsteigerung spekuliert, kann es das Richtige sein. Aber regelmässig und ohne Probleme drauf spielen das halte ich für Illusion - da wird es garantiert bald klemmen oder klappern und dann ist etwas handwerkliches Geschick gefragt.
Für den täglichen Gebrauch ist da eine "junge Gebrauchte" wohl eher anzuraten, moderne Materialien, optimierte Mechaniken, wartungsfreie Teflon-Lager, problemlose Regulierung usw.

Ist es etwa eine aus diesem
Pärchen bei ebay?

http://www.ebay.de/itm/ENSEMBLE-HISTORI ... SwQPlV-sHX

Grüsse,
Hans
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bastian
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von bastian »

Auch eine moderne Mechanik wird nicht weniger Teile haben. Und auch die müssen perfekt zusammen wirken. Ich glaube schon, dass man da auch selber Hand anlegen kann, wenn man es sich zutraut. Aber man kommt eben auch nicht so einfach an Ersatzteile, wenn mal was auszutauschen ist. Man kann nicht mal eben Erard anrufen und eine neue Feder bestellen. Schon das Bestellen einer Ersatzsaite wirft das Problem des Durchmesser auf. Man kann nicht mal eben eine Bow-Brand-Doppelpedalsaite bestellen und drauf ziehen.

Ich möchte euch die Harfe sicher nicht ausreden. Aber so eine Anschaffung will wirklich gut überlegt sein. Ich selber liebe den Klang der alten Schätzchen und würde sicher eine hier stehen haben, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Aus Liebe zu diesen Harfen.

Ich finde, man kann das schon tun, so eine Harfe zu kaufen,. Wenn man das bewusst tut. Darauf will ich hinaus. Wenn ihr euch der Herausforderungen bewusst seid und die Harfe im vollen Bewusstsein kauft, weil es diese Harfe sein soll, finde ich das prima. Dann ist man auch nicht überrascht, wenn sich nach ein paar Jahren doch mal Probleme einspielen.
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Duesterlady
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von Duesterlady »

Hans hat geschrieben:Nun ja Anne, auf die Vernunft pfeifen bei einem 5-stelligen Betrag ist ja auch nicht so ganz ohne, es sei denn die Finanzen spielen keine Rolle. Wenn man allerdings historische Dinge mag oder auf Wertsteigerung spekuliert, kann es das Richtige sein. Aber regelmässig und ohne Probleme drauf spielen das halte ich für Illusion - da wird es garantiert bald klemmen oder klappern und dann ist etwas handwerkliches Geschick gefragt.
Für den täglichen Gebrauch ist da eine "junge Gebrauchte" wohl eher anzuraten, moderne Materialien, optimierte Mechaniken, wartungsfreie Teflon-Lager, problemlose Regulierung usw.

Ist es etwa eine aus diesem
Pärchen bei ebay?

http://www.ebay.de/itm/ENSEMBLE-HISTORI ... SwQPlV-sHX

Grüsse,
Hans

Wow .... !!!!!!!!!!!!!!!!! *träum* das sind zwei !!! Und wenn die von Weissgerber restauriert sind, sind die auch spielbar. Warum musstest Du den Link nur hier einstellen, jetzt kann ich mindestens 3 Nächte nicht schlafen :_grin_: :_grin_:
Lieber Speck auf der Hüfte als Magersucht im Gehirn.
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merit
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von merit »

Ich fass es nicht. Die kenn ich! In Leipzig?!? Das muß ich erstmal verarbeiten.

Ich würde bei Kaufinteresse den Restaurator :-) mal anrufen und zu den Instrumenten befragen. Das kann sehr hilfreich sein.

Viele Grüße, Merit Zloch
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funstrumentalist
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von funstrumentalist »

Der Juergen hat geschrieben: Die Saitenzugkraft beruht nicht unmittelbar nur auf der Hz-Zahl, sondern die Frequenz ergibt sich...
Danke für die Erklärung. "Gefühlt" habe ich das ja dieses Jahr als ich anfing meine Funstruments zu basteln und mir schon gedacht, dass es in etwa so sein muss. Da nun die "richtige" Saitenstärke zu finden für diese speziellen Kerlchen war als manchmal recht interessant :_grin_:
bastian hat geschrieben:
Ja, aber nicht nur. Der Durchmesser der Saiten und die Saitenspannung ist auch niedriger als bei heutigen modernen Harfen. Vom Spielgefühl vielleicht vergleichbar mit mittelhart bespannten Hakenharfen.

Ich würde nicht einmal anzweifeln, dass man die Erards zerstörungsfrei auf 440Hz kriegt, eine entsprechend dünnere Besaitung vorrausgesetzt.
Sehr interessant, da sieht man mal wieder, dass man sich nie genug Informieren kann und wie wichtig der historische Hindergrund ist bei der Betrachtung und Begutachtung solcher Instrumente. Bild

digait hat geschrieben: Das klingt danach, dass man auch bei richtiger Behandlung häufiger mit "Aussetzern" rechnen
muss, als es bei modernen Pedalharfen (z.B. Salvie, Lyon & Healy) der Fall ist. Und der
Wartungsaufwand wäre bei modernen dann (deutlich) geringer. Liege ich da richtig?
Das war auch der Grund, warum ich dir diese Arbeit zeigen wollte, machbar ist vieles wenn man will und kann, wie @bastian auch schon so schön ausführt. Als Handwerker habe ich auch gelernt, es geht viel, aber nicht immer alles. Und gerade im Instrumentenbau habe ich schon oft den Hut gezogen vor den Erbauern dieser verrückten Konstruktionen. Wenn man gut vorinformiert an so eine Geschichte geht finde ich halt besser.
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digait
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Re: Alte, restaurierte Erard-Harfe - Kauf sinnvoll?

Beitrag von digait »

Hallo,

ich war gestern weit, weit gefahren, um mir die beiden besagten Erard-Harfen anzuschauen.
Mit dabei war ein Sachverständiger - und gleichzeitig Harfenspieler. Mit sehr viel Zeit
hat er ausgiebig beide Harfen unter die Lupe genommen.

Ich will hier nichts im Detail schreiben, weil ich das als Laie vielleicht nicht
richtig wiedergeben kann. Nur soviel: Für mich persönlich gab es eindeutig
nur die einzige Antwort, ohne Harfe im Gepäck wieder zurückzufahren.

Wer mehr wissen will: -> Mail an mich
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