"Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Deirdre
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"Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Deirdre »

Hallo allerseits,

macht die Bezeichnung 'Erard-Harfe, gotischer Stil' Sinn?:

https://www.ebay.de/itm/Erard-Harfe-Got ... SwTuJYrIGI

Und nein, ich bin nicht interessiert, nur neugierig :_wink_:

Viele Grüße,

Deirdre
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Deirdre
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Deirdre »

Und einfach, weil das Stöbern im Internet gerade so viel Spaß macht:

https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anz ... 66-74-8996

Wusste gar nicht, dass es auch Shutter-Klappen gab / gibt. Aber dann ist es ja auch so: Ich weiß, dass ich nichts weiß (zumindest über Harfen :_grin_: )

Viele Grüße,

Deirdre
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Maira
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Maira »

Ich lehne mich jetzt mal ganz weit heraus.
Die Bezeichnung macht Sinn, Erard-Harfen sehen eigentlich so aus.
Ob es sich bei dieser um eine Echte handelt bin ich mir nicht sicher.
Für mich sieht das wie ein Nachbau aus.
Für eine Echte ist sie weitaus zu billig.
Willst Du das genau wissen frag Rainer Thurau hier im Forum.
Er hat eine echte Erard-Harfe restauriert, er müsste sich am Besten von uns allen damit auskennen.

Shutter heißt hier ,, Schließer ", da macht etwas zu.
Es sind keine Klappen wie an der Klappenharfe.

Wie das Ganze exakt aussieht und funktioniert ?
Wissen andere besser als ich.
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bastian
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von bastian »

Ja, das macht Sinn. Auch wenn da nicht gotisch im Sinne von den historischen Goten gemeint ist. Vielleicht eher der gotische Baustil :_wink_:

Von den Erard-Doppelpedalharfen gab es zwei unterschiedlich verzierte Typen.

Hier die "Gothic", mit etwas eckigerer Verzierung, die etwas an Säulenheilige in gotischen Kathedralen erinnert. Daneben die "Grecian" mit deutlich gerundeter, eher antik anmutender Verzierung.

Auf den ersten Blick würde ich sagen, könnte durchaus echt sein. Der Preis ist real. Die Spielbarkeit dieser alten Schätzchen ist oft schlechter als man zunächst wahr haben möchte :_wink_: .
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Maira
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Maira »

Oder eben schlecht restauriert.
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Harfenjule
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Harfenjule »

Auf die sogenannten Schwellermechaniken ("shutter") bin ich auch erst gestoßen, als ich meine Bachelor-Arbeit geschrieben habe.
Aus dieser zitiere ich mal:
Am weitesten verbreitet waren Schwellermechaniken, die der Variation der Lautstärke dienen sollten. Für Nadermans ersten Versuch, die „Harpe augmentée“, bedurfte es eines Podestes, auf das die Harfe gestellt wurde, um nach unten Platz zu machen für einen Schieber, der eine Öffnung an der Korpusrückseite freigab. Zusammen mit Krumpholtz verbesserte er die Idee 1785 zur „Harpe à Renforcement“, bei der fünf übereinander liegende Schallöffnungen in der Korpusrückseite graduell von Holzklappen in seitlicher Richtung geöffnet beziehungsweise geschlossen werden konnten. Hierfür wurde unterhalb der untersten Öffnung ein Pedal angebracht, das von beiden Füßen bedient werden konnte. Diese Vorrichtung sollte ein stufenloses Crescendo oder Decrescendo möglich machen, ohne dass der Anschlag der Finger verändert werden musste. Der Effekt sei allerdings kaum hörbar gewesen, wenn eine Frau die Harfe spielte, da ihre Kleider fast die gesamte Rückseite der Harfe verdeckten und der Stoff den nach hinten austretenden Schall gedämpft hätte.
Diese Erweiterung konnte sich als einzige längerfristig durchsetzen, denn auch von Cousineau, Érard und anderen Zupfinstrumentenbauern in Paris und London wurden über einen Zeitraum von beinahe hundert Jahren Harfen mit Schwellerklappen nach Krumpholtz' Idee gebaut. Naderman stellte außerdem Harfen mit einer Kombination von Schweller und Sourdine her, die als „Harpe à Renforcement […] et à Sourdine“ mit neun Pedalen ausgestattet war.
Es könnte sogar sein, dass erst aufgrund dieser Schwellerklappen die Schalllöcher an die Korpusrückseite "gewandert" sind.
Bei Restaurationen älterer Harfen mit Schwellermechanik wurde diese (leider) oft entfernt.

---


@Maira
in der Anzeige steht, dass Rainer Thurau die Harfe restauriert hat...
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Maira
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Maira »

Oups ! :_embarassed_:
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Deirdre »

Vielen herzlichen Dank für Eure Antworten, Bastian, Maira und Harfenjule - v.a. vielen Dank auch für das ausführliche Zitat aus Deiner Bachelor-Arbeit, Harfenjule! - jetzt weiß ich schon ein wenig mehr :_wink_:

Habe noch mal geschaut, was im Internet zum Thema Shutter von Harfen sonst noch so zu finden ist und bin auf folgenden Artikel gestoßen:

https://www.harpspectrum.org/historical ... edal.shtml

Dachte, ich poste es hier mal, falls es noch jemanden interessiert...

Viele Grüße,

Deirdre
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Harfenjule
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Harfenjule »

Jaaa genau, auf den Artikel habe ich mich in der Bachelor-Arbeit auch bezogen :_wink_:
Rainer M. Thurau
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Re: "Erard-Harfe, gotischer Stil?"

Beitrag von Rainer M. Thurau »

Der korrekte Begriff für diese 'Türen' , welche insbesondere in Harfen des Empire in die rückwandigen Schallöcher eingebaut wurden, ist 'Schweller'. Diese, miteinander verbundenen 'Schallklappen' wurden mittels eines 8. Pedalsg eöffnet oder geschlossen um so die Tonstärke zu beeinflussen. Funktionierte zwar, aber unzureichend in Richtung des Harfenisten und nicht des Publikums.
Diese Schweller wurden von Erard in späteren neo-gotischen Modellen nicht mehr eingebaut . Neo-Gotische Modelle Erards waren die am meisten gebauten Doppelpedal-Harfen Mitte bis Ende 19. Jhdts. bis Lyon&Healy und Wurlitzer mit verbesserten Modellen begannen Erard vom internationalen Markt zu verdrängen.
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