Angst von Berufsmusikern

Du hast etwas schönes, ärgerliches, spannendes, trauriges mit deiner Harfe erlebt? Erzähl uns davon.
Tanzmuffel
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Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Tanzmuffel »

Ich lese gerade ein sehr interessantes Buch.
Darin steht ein Satz, der mich sehr nachdenklich gemacht hat:
"Angst ist die dominierende Emotion bei Berufsmusikern..."(Quelle 'Der Musikverführer' von Christoph Drösser).
Ist das wirklich so? Leiden die Menschen, die teilweise so schöne Musik machen unter Ängsten? Wenn ja, warum? Es muss doch einfach schön sein, ein solches Talent zu haben.
Ich, als Hobbymusiker habe Freude an der Musik. Wenn überhaupt nimmt sie mir Ängste und macht mir keine. Ist das bei Berufsmusikern so anders?
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bastian
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von bastian »

Ich bin ja auch Hobbyist, aber begegne beruflich oft Berufsmusikern. Ich glaube, man kann das nicht vergleichen. Wenn Du das als Hobby betreibst machst Du das ja ohne externen Druck. Du kannst das Niveau, auf dem Du spielst, Deinen Fähigkeiten anpassen. Und: wenn Du irgendein Stück mal nicht hinbekommst hängt da nicht Deine Existenz dran.

Was ich so mitbekomme ist im Profibereich der Druck schon recht hoch. Entweder, weil Du als Freiberufler immer gut spielen musst um Folgeaufträge zu bekommen (um Die Du Dich aber auch bemühen musst). Oder auch, um bei einer guten Agentur einen Fuß in die Tür zu bekommen... Du musst Dich etablieren... und das dann aufrecht erhalten. Die Konkurrenz ist groß. Als Harfenspieler ein Kleinkonzert ausfallen lassen, weil Du beim Zwiebelschneiden unachtsam warst? Kannst Du vergessen. Am Besten spielst Du noch mit einem gebrochenen Bein.

Wenn Du festes Orchestermitglied bist hast Du die Sorge immerhin nicht, aber auch in den Orchestern ist der Leistungsdruck hoch. Ständig neue Stücke. Lange Stücke. Komplizierte Stücke. Stücke, die Du nicht magst. Zwölftonmusik. Und Du wirst immer gemessen. Von den Kollegen, vom Dirigenten, vom Publikum. Kritiker sind gnadenlos. Viele kommen gut damit klar. Profis halt. Aber der Druck ist mit Sicherheit deutlich spürbar.

So oder so... Es ist ein Job. Auf den man angewiesen ist. Und damit existentiell.

Deshalb habe ich immer davor zurückgescheut, aus (egal welchem) Hobby einen Beruf zu machen. Da bleibt der Spass schnell auf der Strecke.

Ich bin nicht sicher, ob Angst tatsächlich die dominierende Emotion bei Berufsmusikern ist, wie Du schreibst. Aber im Einzelfall wundern täte es mich nicht.

Grüße,
Sebastian
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mygga
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von mygga »

Nach dem, was ich gehört habe, wirst du in Orchestern recht häufig nicht nur gemessen, sondern auch gemobbt.

Und noch ein wichtiger Unterschied. Als Hobbymusiker spielst du. Weil es ein Hobby ist. Ein Teil von deinem Leben, aber eben nur ein Teil.

Als Berufsmusiker musst du verkaufen, um Auftritte oder Verträge zu bekommen. Deine Ausstrahlung, deine Technik, für Soli deine Interpretation und Ausdruckskraft. Gegenüber hast du ein Publikum, das schwer einzuschätzen ist. Du kannst nicht wissen, wie sie drauf sind und reagieren.

Das macht es spannend -aber eben auch potentiell riskant. Klar weißt du, wer du bist und was du zu sagen hast -aber wird es dir gelingen, das zu vermitteln?
Wo Sprache keine Worte hat, fängt die Musik erst an. (M.W.)
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Susanne Globisch
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Susanne Globisch »

Hi allerseits,

finde ich ein sehr spannendes Thema, wahrscheinlich auch, weil ich bevor ich mich als Harfenistin selbständig gemacht habe, in einem psychologischen Forschungsprojekt hier an der Uni mitgearbeitet habe…

Ob Angst „die dominierende Emotion bei Berufsmusikern“ ist, lässt sich wahrscheinlich schon mal schwer erforschen. Interviews/Tests müssen so aufgebaut sein, dass „soziale Erwünschtheit“ rausgerechnet werden kann (wer gibt schon gerne zu, dass er Angst hat). Das macht schon mal allein die Datenerhebung schwierig.

Dann sollte man wahrscheinlich differenzieren in verschiedene Musiksparten. Ich könnte mir vorstellen, dass die Sache im Rock/Pop/Folk-Bereich andere sind als in Klassik und Jazz.

Dann sollte man evtl. noch nach Ländern differenzieren. Die Deutschen gelten ja international als „Angst-Nation“ im Sinne von besonders anfällig fürs Angst-Haben („german angst“ ist ja ein feststehender Begriff).


Ich habe aber auch schon einiges gelesen und („off the record“) im persönlichen Gespräch gehört, das schon in diese Richtung weist, dass viele Berufsmusiker unter Ängsten leiden. Besonders scheint sich in der Klassik der Leistungsdruck in den letzen Jahrzehnten deutlich erhöht zu haben. War noch in den 70er Jahren eine Orchestertournee eine recht entspannte Sache mit etlichen freien Tagen, sind solche Tourneen heute dermaßen eng getaktet, dass viele Musiker zu Schlafmitteln und/oder Alkohol greifen, um nach dem Konzert schnell „runter zu kommen“ und schlafen zu können, weil es ja am nächsten Tag sofort weitergeht. Dazu (also Alkohol- und Tablettenkonsum bei Berufsmusikern) hab ich mal eine Studie gelesen, die sich wirklich beunruhigend anhörte.

Von mir selber kann ich aber sagen, dass bei mir Angst definitiv nicht die vorherrschende Emotion ist! :_cheesy_: Am Anfang meiner Selbständigkeit war das allerdings z.T. anders, die entsprechende Gelassenheit kam erst mit den Jahren. Und ist sicher auch der Tatsache zu verdanken, dass ich seit Jahren meditiere (und Meditation hat nicht das geringste mit „Wellness“ zu tun, sondern ist eine in den östlichen Kulturen entwickelte, erforschte und erprobte - sozusagen wissenschaftliche - Methode, wie man seinen Geist dazu bringt, nicht bei jedem harmlosen, aber unbekannten Schatten an der Wand „Mami!!!“ zu schreien…)

Daher sollte die Frage vielleicht lauten: Wie bringt man es fertig, dass Angst - trotz des herrschenden Leistungsdruckes - NICHT die vorherrschende Emotion bei Berufsmusikern wird?

Mit was vom Besten, was ich dazu gelesen habe, steht in dem Buch „Effortless Mastery“ von dem Jazzpianisten Kenny Werner. Er beschreibt darin seinen eigenen Weg von Angstbesetztheit hin zu gelassener Kreativität (gibts leider nur auf Englisch, soviel ich weiß). Aus dem Klappentext:

„He was inspired by masters of the craft to rethink not only the technical aspects of creativity, but also the spiritual aspects.“

Vieles von dem, was darin steht, lasse ich auch in meinen Unterricht einfließen. Und die am Harfespielen erworbene Gelassenheit kann man dann auch auf alle möglichen anderen Lebenssituationen anwenden. Und das macht das Ganze dann wirklich schön!

Liebe Grüße von Susanne
May Peace and Love be with us. Always.
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Maira
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Maira »

Angst beim Instrument spielen rührt wohl zu einem Gutteil daher, daß man unsicher ist,
ob das , was man kann, auch ausreicht um Zuhörer zufrieden zu stellen.
Das ist dann sehr unterschiedlich.
Als Hobbymusiker kann es dazu führen , daß man nicht einmal vor der eigenen Familie spielen
kann weil man z.B. weiß , daß man selten ,, gut genug " in den Augen der anderen ist.
Als Profi weiß man , daß da Leute sind , die , verwöhnt von der beliebigen Verfügbarkeit diverser
Tonträger, erwarten , daß der Musiker genau so perfekt und fehlerfrei vorträgt.

Das macht enorm Druck , obwohl jeder vernunftbegabte Mensch weiß , daß bei Aufnahmen so lange
eingespielt wird bis das passt.
Nur vergessen das die allermeisten.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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Lilly
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Lilly »

Ich kann mir ganz gut vorstellen dass es einigen Berufsmusikern so geht wie Bastian beschrieben hat - ich glaube das ist das Schicksal vieler, die ihr künstlerisches Talent zum Beruf machen. Einerseits ist es eine ganz besondere Gabe und ich kann mir gut vorstellen, dass man nicht in einem stickigen Büro sitzen und Akten ordnen will, wenn man passionierter Musiker ist. Andererseits steckt bei Künstlern ein unglaublicher Leistungsdruck dahinter. Wer nicht abliefert, wer sich nicht ständig neu erfindet oder ein Publikum von sich überzeugen kann, der ist schnell raus aus dem Geschäft. Ich denke das geht nicht nur Popsternchen à la Britney so, auch klassische Musiker stehen ständig auf dem Prüfstand.

Ich hatte bei einigen Musiklehrern auch das Gefühl, dass sie sich eigentlich eine große Karriere erhofft hatten, letztlich aber im Schuldienst bzw an staatlichen Musikschulen gelandet sind... dementsprechend motiviert war dann leider auch der Unterricht für die "ohnehin desinteressierten" Schüler - so kam es damals bei mir zumindest rüber. Da stellt sich eben die Frage: sichere Anstellung bei der man evtl nicht seine persönlichen Wünsche verwirklichen kann oder eine zumindest unterschwellige Existenzangst.

Ich hatte zum Ende meines Studiums auch mal in Betracht gezogen mich als Schriftsteller zu versuchen, damals hatte mich ein Dozent zum Schreiben motiviert. Anfangs lief es auch ganz gut, ich habe bei Literaturwettbewerben mitgemacht, einige gewonnen oder zumindest einen Platz in Anthologien bekommen... aber zum Leben hätte es nicht gereicht. Und wenn man dann mal eine Durststrecke hat, in der man nur unter Druck abliefern kann, schwindet irgendwann die Freude, die Motivation und letztendlich leidet die Kreativität. So kam es mir zumindest vor.
Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit meiner Kunst mein Leben bestreiten müsste, könnte ich oft nicht gut schlafen. Am Anfang habe ich mich in der Tat richtig in diesen "Erfolgsdruck" reingesteigert - wenn man etwas erreicht hat, dann will man ja auch daran anknüpfen, das ist gut fürs Selbstbewusstsein. Aber die Kehrseite bei mir, dass ich bei ausbleibendem Erfolg an mir gezweifelt habe. Da kann ich Darstellungen von Georg Trakl oder anderen Künstlern gut nachvollziehen, denen der Erfolgsdruck nicht nur Ruhm, sondern vor allem Drogenprobleme und Depressionen beschert hat.

Ich denke da grade an Omnia, die sich in ihre Musik ja wirklich von niemandem reinreden lassen - aber auch die haben die Wahl, mach ich mal ne Pause wenn ich ausgebrannt bin und verliere evtl Fans, Veranstalter und damit Geld = Lebensgrundlage oder mach ich einfach so weiter bis ich am Ende kaputt bin.

Ich glaube ein moderne Musikstudium schließt auch die psychologische Komponente mit ein, so dass man Mittel an die Hand bekommt, um mit dem Druck umgehen zu lernen oder sich zumindest selbst ausreichend zu motivieren, damit man nicht bei der ersten Krise aufgibt... dennoch denke ich, dass es hart ist, mit so etwas persönlichem wie Musik an die Öffentlichkeit zu treten und sich von Herrn xyz kritisieren zu lassen.

Zum Thema man sollte sein Hobby nicht zum Beruf machen:
Ich denke, wer heutzutage einen Beruf ergreift "nur" weil es eine sichere (ist ja auch relativ) Sache ist oder gutes Geld bringt, der seinen Job ab an sich gar nicht mag, der wird eher früher als später unglücklich. Man muss so viel von sich einbringen und nicht selten einen erheblichen Teil seiner Freizeit letztlich doch für den Job opfern, dass ich auf jeden Fall etwas machen will, das mir Spaß macht und mit dem ich mich gerne beschäftige.
Ein Koch, der zuhause nicht gerne kocht oder experimentiert wird sich vielleicht auch beruflich nicht so stark entwickeln wie jemand, der seine Arbeit und sein Hobby verknüpfen konnte.
Mein Mann z.B. war schon immer ein Computerwurm und als Hobby viel programmiert, nach der Schule allerdings Chemie studiert. Letztlich hat er aber gemerkt, dass ihm nichts so sehr Spaß macht wie programmieren und hat eine neue Ausbildung abgefangen. Ich habe das Gefühl, dass er es nie bereut hat, im Gegenteil.
Das ganze "Beruf ist Berufung" Ding trifft wohl bei den wenigsten zu und muss auch gar nicht sein - aber Spaß machen sollte es auf jeden Fall. Wobei man in den meisten Jobs ja eher an objektiven Parametern gemessen wird - da hat man es als Musiker schon besonders schwer.
Ich würde sagen: Hobby zum Beruf machen ist ok, künstlerische Fähigkeit zum Beruf machen ist zumindest für mich nix. Wobei ich auch kein sonderlich dickes Fell habe, ich lasse viele Dinge zu schnell an mich heran... das ist wohl auch ne Charakterfrage
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merit
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von merit »

Was wird hier genau unter "Berufsmusikern" verstanden? Es wäre meines Erachtens für die Diskussion wichtig, das zu definieren.

Wenn man den Begriff wörtlich nimmt, kenne ich da eine Bandbreite vom Kneipengitarristen, der vom Kneipengittarieren lebt, bis hin zur Top-E-Musik-Soloharfenistin ohne Orchesternanbindung.

Neugierig, Merit Zloch
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Susanne Globisch
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Susanne Globisch »

Was wird hier genau unter "Berufsmusikern" verstanden? Es wäre meines Erachtens für die Diskussion wichtig, das zu definieren.
Ja, das fände ich auch hilfreich...

Aber je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr kommt mir die Aussage „Angst ist die vorherrschende Emotion bei Berufsmusikern“ auch ohne diese Definition als wenig erhellend vor.
Mit derselben Berechtigung kann man sagen, Angst sei die vorherrschende Emotion bei Lehrern. Oder Köchen. Oder Amazon-Lagerarbeitern. Und dafür natürlich auch alle möglichen Belege zusammentragen.

Ich würde es etwas allgemeiner mal so formulieren:

Angst KANN sehr schnell die vorherrschende Emotion bei Menschen werden, die in einem neoliberalen Wirtschaftssystem ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Und je weniger das neoliberale System abgefedert ist (durch Versicherungen, Unkündbarkeit (Beamte), finanzielle Rücklagen), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Angst vorherrschend wird.

Allerdings haben auch Milliardäre Angst, ihr Vermögen zu verlieren. Oder dass ein anderer Milliardär die längere Yacht (*räusper*) hat.

daher würde ich ergänzen:

Angst KANN sehr schnell die vorherrschende Emotion bei Menschen werden, die in einem neoliberalen Wirtschaftssystem ihren Lebensunterhalt verdienen müssen und/oder ihr Selbstwertgefühl vorwiegend an ÄUSSEREN Kriterien festmachen.

Gerade letzteres - sein Selbstwertgefühl an äußeren Kriterien festzumachen - ist für Musiker natürlich eine gewisse Hürde. Schließlich möchte man ja Musik machen, die zumindest einer ausreichenden Anzahl anderer Leute gefällt.
Trotzdem ist es meiner Erfahrung nach möglich, sich als Musiker eher an den EIGENEN Kriterien zu orientieren und einfach das zu machen, was einem selber Spass macht. Das finden dann in aller Regel auch hinreichend viele andere Menschen gut.

Fazit: ich glaube nicht, dass es eine Berufsgruppe gibt, die grundsätzlich mehr Ängste hat als andere. Die Frage, ob jemand auf die de facto oft herausfordernden Lebensumständen in unserem Gesellschaftssystem mit mehr oder weniger Angst reagiert, hängt ganz offensichtlich nicht von seiner/ihrer Tätigkeit ab, sondern davon, wie sehr er/sie sich als Gestalter*in des eigenen Lebens fühlt und mit der Art, wie er/sie es gestaltet, zufrieden ist.
Und gerade da haben ja viele frei arbeitende Musiker bessere Voraussetzungen als andere.

Dass auf der wirtschaftlichen Seite ein gewisses Mindesteinkommen gegeben sein muss, versteht sich von selbst. Von daher glaube ich, dass Überlegungen, die in Richtung „bedingungsloses Grundeinkommen“ gehen, sehr viel für sich haben. Mit einem Grundeinkommen wäre (auch, aber nicht nur unter Musikern und sonstigen „Kreativen“) eine große Ursache für Angst behoben.

liebe (und angstfreie :_wink_: ) Grüße von Susanne
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Maira »

Wenn man das so betrachtet , möchte ich meinen :
Zurück zu den Gepflogenheiten vor 1980 :
Probezeit von 3-6 Monaten , danach Festanstellung.
Kündigung nur dem , der goldene Löffel klaut oder sonst untragbar ist.
Das würde sehr vielen , nicht nur Musikern , die Existenzangst nehmen.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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Re: Angst von Berufsmusikern

Beitrag von Tanzmuffel »

Oha, an das Thema bin ich wohl ziemlich naiv herangegangen. Ich habe Andre Rieu geschaut und gedacht, wie schön es sein müsse, so ein Talent zu haben, wie diese Musiker. Natürlich war mir klar, dass es harte Arbeit ist, so zusammen zu spielen. Aber an Angst habe ich bei den strahlenden Gesichtern nicht gedacht.
Allerdings, wenn ich jetzt richtig überlege, fallen mir einige Musiker ein, die ins Drogen- oder Alkoholmillieu
abgesackt sind. Das muss ja Gründe haben.

In dem Buch war tatsächlich von Berufsmusikern die Rede. Da wurde nicht spezifiziert.

Interessant fand ich die Aussage, das Lehrer an den Schulen und Musikschulen verhinderte Orchester Musiker wären und deswegen demotiviert unterrichten.
Also, ich denke, dass einige auch bewusst diesen Weg wählen, weil sie gern unterrichten oder warum auch immer. Meine Lehrer kamen mir nicht demotiviert vor!
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