Körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit Harfenspiel

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Astralis
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Re: Körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit Harfenspiel

Beitrag von Astralis »

Ich wollte mal wieder ein Update geben zu meiner Geschichte mit den Handproblemen, die letzten Sommer begonnen hatte. Seit Juli bin ich bei einem Rheumatologen, welcher sich dieser Sache angenommen hat. Relativ rasch gab es damals Physiotherapie verordnet. Das war an sich nicht schlecht, aber doch etwas zu wenig praxisorientiert auf das Harfe spielen an sich. Darum gab's anschliessend Hand-Ergotherapie verordnet. Und das ist noch immer am laufen - alle zwei bis drei Wochen einen Termin in der Hand-Ergotherapie und etwa alle zwei Monate einen Kontrolltermin beim Rheumatologen. (Wobei aufgrund der Corona-Pandemie aktuell beides wenn möglich nur per Telefon stattfindet.)
Von der Hand-Ergotherpie habe ich diverse Übungen bekommen, dich täglich selbstständig zu Hause machen kann.

Grundsätzlich ist bei mir ein Hypermobilitätssyndrom (auch als Bandlaxität bekannt) diagnostiziert. Das heisst, dass manche (nicht alle) Gelenke in meinem Körper überbeweglich sind. Dies führt dazu, dass bei den betroffenen Gelenken die Muskeln und Sehnen mehr Stabilisationsarbeit leisten müssen, als das normalerweise der Fall wäre. Und dies wiederum kann zu einer schnelleren und stärkeren Überreizung führen. Bei mir betrifft das unter anderem manche Fingergelenke.
Mit dem Aufbautraining, das ich im Rahmen der Hand-Ergotherapie und mit den Übungen zu Hause mache, wird versucht, dem entgegenzuwirken. Unterdessen scheint dies auch langsam Resultate zu zeigen. Aber es hat lange gedauert. Bis in den Februar hinein (also über ein halbes Jahr) hatte ich kaum schmerzfreie Phasen und musste das Aufbautraining immer wieder reduzieren oder pausieren und konnte so kaum Fortschritte machen. Aber seit ca Februar/März sind die Schmerzen auf einem konstant ziemlich niedrigen Niveau.
Harfe spiele ich zwar noch nicht mehr als 15 Minuten täglich. Aber das ist tatsächlich ein Fortschritt. In den schlimmeren Phasen waren selbst 5 Minuten zu viel. Es ist ein langsamer Fortschritt und welches Ziel schlussendlich realistisch ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Aber ich bleibe dran :-)

Zur Stabilisierung des vordersten Daumengelenks verwende ich neu Oval-8 Finger Splints - also so montiert, dass sie eine Beugung nach hinten verhindern. Ich habe diese erst grad vor wenigen Tagen erhalten und bin sie noch am testen. Aktuell würde ich aber schon mal sagen, sie sind nützliche Helferchen. (Beim Saitenzupfen kommen sie zum Glück auch nicht in den Weg.)

Was bei der Diagnose auch noch zu erwähnen ist und bei mir zur Gesamtproblematik anscheinend dazu gehört, ist ein verändertes Schmerzempfinden. Ich hatte dazu erst grad einen Termin beim Rheumatologen. Kurz gefasst war das ein Test mit einer geeichten Wäscheklammer. Zwar wich meine Einstufung des Schmerzes nicht massiv von der Durschnittsbevölkerung hab (bei einer Messung war ich leicht unter, bei einer anderen leicht über dem Durchschnitt), aber der Test hat dennoch zwei Auffälligkeiten ergeben. Ab einer gewissen Schmerzstufe beginnt mein Körper (bzw mein vegetatives Nervensystem) stark zu reagieren. Also ich hab bei einer Messung mit einer höheren Schmerzstufe sofort zu schwitzen begonnen, was nicht üblich ist. Und zudem hat dann der Schmerzreiz an jener Stelle bei mir noch zwei bis drei Stunden nachgeklungen, was ebenfalls nicht üblich ist.
Die Interpretation dieses Testergebnisses ist aber noch etwas unklar. Ich muss da auch noch abklären, ob ein möglicher Zusammenhang zu PTBS besteht.

Meine Spieltechnik hab ich in Zusammenarbeit mit der Hand-Ergotherapeutin ebenfalls anpassen müssen. Ich muss aufgrund meiner individuellen Situation viel mehr auf die Ergonomie beim Spielen achten. Dies heisst konkret, mit den Fingern möglichst rechtwinklig die Saiten zupfen - also so, wie man es angeblich laut Lehrbuch genau nicht machen sollte ;-)
Das ist ein Thema, über das ich mich eigentlich gerne noch mit anderen Harfe Spielenden unterhalten möchte. Aber das ist schwierig auf nur schriftlichem Weg - das muss man vorzeigen können, um es verständlich zu machen.

Aktuell mach ich also täglich meine Aufbauübungen und spiele so ca 15 Minuten Harfe. Und schaue, wie bald sich das bis wohin steigern lässt. Denn es müsste halt schon mehr drin liegen, damit das ganze überhaupt Sinn ergibt... Immerhin bin ich als Mensch geduldig genug, mir auch Monate dafür Zeit zu nehmen, falls es sein muss.

(Huch, das ist jetzt länger geworden als beabsichtigt :_grin_: )
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mygga
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Re: Körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit Harfenspiel

Beitrag von mygga »

Den Zusammenhang zu PTBS brauchst du nicht abklären lassen. Der ist definitiv da.

Ist bei mir auch so. Erst ganz lange gar nichts - dann aber von Null auf Hundert in 0,5 Sekunden - und jede Menge Spaß damit. :/

Das hat was mit erlebtem/erlerntem Umgang mit Schmerzen zu tun, auf der einen Seite. Und mit dem Schmerzgedächtnis auf der anderen Seite.

Da hilft leider nur Geduld und Verständnis.
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Astralis
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Re: Körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit Harfenspiel

Beitrag von Astralis »

Ich habe PTBS halt nicht offiziell diagnostiziert. Aber das Thema wurde immer mal wieder angeschnitten in der bisherigen Psychotherapie. Ergänzend kommt noch eine Hochsensibilität (HSP) dazu - das hatte ich in meinem gestrigen Beitrag vergessen zu erwähnen. Und da stellt sich dann die Frage, wie gross die Anteile sind, die PTBS und HSP jeweils auf meine individuellen Schmerzempfindungen und Schmerzreaktionen haben. Je nach dem ist dann die Herangehensweise womöglich etwas unterschiedlich.
Es gibt also noch viel herauszufinden... Der Weg ist noch lang...
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