allessandra hat geschrieben:…
Wenn ich mich selbst google, stelle ich fest, dass beinahe alles schon sehr überaltet ist, was von mir im Netz steht. Es reflektiert nicht meine gegenwärtige Situation, oder meine Persönlichkeit, die sich in den Jahren weiter entwickelt hat. Das kann man auch über einen Check im Netz nicht erfassen, oder? Ihr könnt realiter alle GANZ anders sein, was weiss denn ich? Trotzdem - ich würde es gern baldigst herausfinden - so ganz real und persönlich- nicht virtuell
…
Hallo zusammen,
ich befürchte, dass zum einen an die Aktualität als auch an die Glaubwürdigkeit der Informationen aus dem Internet ein wesentlich höheres Maß an kritischer Betrachtung gelegt werden muss, als es bisher zumeist geschehen ist. Da bastelt sich ein Personalchef u. U. ein Bild eines Klienten zusammen, das auf Informationen basiert, die veraltet oder gar falsch sein können, weil sie vielleicht auf Halbwissen basierend nicht einmal vom Klienten selbst ins Internet gebracht wurden. Die Informationen scheinen kein Verfallsdatum, keine Halbwertzeit zu haben. Die entstehenden Bilder werden sehr schnell verzerrt, weil die Schlüsse, die aus den wenigen Informationen gezogen werden, oftmals das eigentliche Maß der tatsächlich vorhandenen Informationen um ein Vielfaches überschreiten. Dann wird aus dem berühmten Foto mit dem Bierglas in der Hand umgehend der stark alkoholisierte Partylöwe, der jedes Wochenende auf einer anderen Party abhängt und sich voll laufen lässt. Dabei hasst er Partys und das war ein Foto des Junggesellenabschieds seines besten Freundes, wo er ausnahmsweise - und das ist nun wirklich so gemeint - ein Bier getrunken hat. Die einzige wirkliche Information, die das Foto enthält ist: "Da ist ein Mensch abgebildet, der ein halbvolles Bierglas in der Hand hält und dabei grinst. Das Bild ist mit einem Titel versehen: Hans Meier" Und was macht die Liebste, die sich überlegt, ob sie sich auf eine Beziehung mit ihm einlässt, und die seinen Namen mal eben gegoogelt hat, daraus? …
Die Gefahr liegt also nicht nur in den Informationen, also den Spuren, die wir im Netz hinterlassen, sondern auch in den Köpfen und der Phantasie der Menschen, die diese Informationen finden.
"Zu dem Zeitpunkt, als ich dies schrieb, war ich genau dieser Meinung, war dies meine Überzeugung." Das kann einige Zeit später wieder ganz anders aussehen, z. B. weil mir neue Informationen zugetragen wurden, so dass ich zu einer anderen Überzeugung gekommen bin… Leider wird von vielen eher danach verfahren, dass alles, was im Internet steht, wie in Stein gemeißelt auf immer und ewig absolute Gültigkeit besitzt.
Es wird so gut wie nie die Qualität einer Information betrachtet. Wahrheitsgehalt? Gültigkeit? Relevanz?
Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang ist die Art der Informationsverbreitung und der im direkten Zusammenhang damit stehende Wahrheitsgehalt. Wer schon einmal "Stille Post" gespielt hat, weiß was ich meine. Ich durchsuche das Netz nach der Lösung der Rechenaufgabe 1 + 1. An 9 Stellen finde ich die Aussage: 1 + 1 = 3, an einer Stelle 1 + 1 = 2. Dummerweise hat der Erste beim Abschreiben einen Fehler gemacht. Die anderen Acht zweifelten nie an der Wahrheit des ersten Abschreibers und kopierten fehlerfrei vom ersten Fehler. Das weiß ich jedoch nicht. Und da 90% der Antworten die Zahl 3 war, bin ich nun der Meinung, dass 1 + 1 = 3 ist. Damit bin ich der Zehnte im Bunde…
Und nun sitzt man als Bewerber in einem Einstellungsgespräch und muss das verzerrte Bild, das ein Personalchef sich aus u. U. zweifelhaften Quellen zusammengesetzt hat, wieder gerade rücken.
Natürlich war das vor den Zeiten des Internetzeitalters nicht viel anders. Da fragte man eben abends am Stammtisch in die Runde: "Sagt mal, kennt einer von Euch den Meier Sepp…" Ein entscheidender Unterschied zum Internet ist, dass die Informationsbeschaffung dort im Ggs. zur Kneipe vollkommen anonym geschehen kann.
Facbook & Co
Hat sich jemand die Geschäftsbedingungen von Facebook vor der Anmeldung bis ins Detail durchgelesen und verstanden? Facebook bietet viele Einstellungsmöglichkeiten zum "Schutz" der Privatsphäre. Wer hat sich diese bis zum Schluss angesehen und evtl. angepasst? Ich selbst habe für einen Kunden eine halbe Stunde gebraucht, bis ich alle Einstellungsmöglichkeiten durchforstet und angepasst hatte. Die Standardeinstellungen spiegeln genau das wider, was diese Firma möchte: so viele Informationen wie möglich sollen von allen einsehbar sein, um ein möglichst großes Maß an offener Vernetzung zu ermöglichen.
Ich mag noch ein wenig weiter herum spinnen…
Google, YouTube & Co
Wenn man bei Google nach verschiedenen Begriffen sucht, wird man, sofern man darauf achtet, bemerken, dass die Ergebnisse, die die Suchmaschine liefert, immer genauer werden. Hat man z. B. mal nach "BMW München" gesucht, wird man vermutlich bei der nächsten Suche nach "Auto München" vermehrt Angebote von BMW in der Ergebnisliste finden, weil die Suchmaschine der Meinung ist, man interessiere sich vorwiegend für die Automarke BMW. Die Verbindung zwischen dem Suchverhalten, das auf den Google-Servern gespeichert ist und dem Browser wird über Cookies hergestellt. Wer diese Cookies nie löscht, was für die Mehrheit der Internetnutzer zutrifft, wird ein immer exakteres Bild auf den Google-Servern hinterlassen. Wenn man nun auch noch einen Google-Mail-Account hat, ist die Verbindung zur Emailadresse sehr schnell hergestellt. Hier diskutiert man gerade mit einem Bekannten über die Vor- und Nachteile von BMW-Fahrzeugen gegenüber anderen Automarken und deren Sportlichkeit und schon "weiß" Google, dass man vor allem BMW-Sportwagen liebt.
Amazon & Co
Noch wilder treiben es Versandhäuser, denn hier ist die direkte Verbindung zwischen Suchverhalten und einer realen Person möglich, denn spätestens beim Bestellen muss man seinen Namen und seine Adresse angeben. Die Wertigkeit dieser bei Google & Co zum größten Teil noch vollkommen anonymen Informationen erhöht sich hier um ein Vielfaches, sobald die Verbindung zu einer realen Person hergestellt ist.
Und jetzt lass da mal einen Hacker kommen…
Payback und Konsorten
Auch außerhalb der Internetwelt geht dieses Spiel weiter und es wird damit viel Geld verdient. Das eine Prozent, was die Payback-Anbieter ihren Kunden an Rabatt gewähren, ist ein Witz im Vergleich dazu, was diesen die aus dem Kaufverhalten gewonnenen Informationen wert sind.
Der "Gläserne Mensch" ist keine Fiktion sondern Realität! Die Freiheit, die uns obliegt, ist jedoch – zumindest in den meisten Bereichen – das Maß zu bestimmen, wie gläsern man tatsächlich sein möchte.
Ich möchte hier keine Ängste oder Paranoia schüren. Ich möchte lediglich ein wenig Licht ins Dunkel bringen und verständlich machen, wie ein paar Dinge zusammen hängen (können). Mit dem Wissen, welche Informationen wie und wo verarbeitet und gespeichert werden, hat man meiner Meinung nach eine bessere Grundlage, auf der man nun entscheiden kann, was man von sich im World Wide Web preis gibt und was nicht.
Viele Grüße
Oliver