Hallo Peter,
nachdem unsere Gouvernante uns mit Hilfe der guten alten schwarzen Pädagogik (Androhung von Schlägen - war das ein Versprechen?
) auf Linie gebracht hat, können wir ja endlich weitermachen, ohne einander an die Gurgel zu springen.
Das Grundproblem ist wahrscheinlich wirklich, daß der Begriff "Kelten" und seine Ableitungen für uns unterschiedliche Bedeutungen haben. Ich werd einmal versuchen, zu definieren, was ich mit welchem Terminus meine:
1. Kelten
sind für mich Menschen, die im Alltag eine keltische Sprache sprechen. Für die Antike gibt's da noch die Erweiterung: da die nachgewiesenermaßen keltischsprachigen Regionen Europas in der Eisenzeit als Materialkultur den La Tène-Stil pflegen, fallen für diese Zeit auch Gruppen unter den Keltenbegriff, die diese Materialkultur teilen, und bei denen eine keltische Sprache als wahrscheinlich angenommen werden kann. Jedenfalls provisorisch bis zum Gegenbeweis. Abstammung oder Religion spielen keine Rolle.
Für die Gegenwart gilt nur die sprachliche Definition.
Beispiele:
Ein Ire, der sein armseliges Schulgälisch wieder vergessen hat, ist kein Kelte, auch nicht, wenn er z.B. Harfe spielt. Ein irischer Informatiker, der daheim Gälisch spricht, ist ein Kelte.
Einer meiner bretonischen Freunde ist in Bombay geboren und von einer bretonischen Familie adoptiert worden. Man sieht ihm seine indischen Eltern recht deutlich an. Er spricht Bretonisch und ist ein fanatischer Sprachaktivist. Natürlich ist er ein Kelte.
Ein österreichischer neopaganer "Druide", der monatlich Misteln schneidet und keine keltische Sprache im Alltag spricht bzw. auch nur einigermaßen beherrscht, ist wiederum kein Kelte.
So, das war in etwa die Kelten-Definition, wie wir sie an der Wiener Keltologie handhaben. Sie ist natürlich genauso arbiträr wie andere Varianten, hat aber den Vorteil, nicht auf schwammige Bereiche wie das persönliche Empfinden zurückgreifen zu müssen.
Ich hoffe, daß jetzt klarer ist, warum ich mich über Begriffe wie die "keltische Musik" wundere, denn das ist für mich jede beliebige Musikrichtung mit Texten in einer keltischen Sprache. Englischsprachige IRA-Lieder sind für mich irische, aber keine keltische Musik usw.
2. Keltologen
sind Leute, die an einer Universität die Fachrichtung Keltologie betreiben, von der es eine deutsche (Bonn, Marburg) und eine österreichische Ausformung gibt. Die deutsche ist primär philologisch-linguistisch, die österreichische bezieht Gebiete wie Archäologie und Keltenzeption der Neuzeit als Forschungsgebiete mit ein. Druidischer Neopaganismus ist für uns also zwar ein keltologisch relevantes Thema (moderne Rezeption, Ideologiegeschichte), aber nicht keltisch.
3. Keltomane
ist ein Vertreter der romantischen "Kelten"nostalgie, die es in Europa seit dem 18. Jahrhundert gibt. Im Normalfall jemand, der sich als Kelte fühlt, ohne dem keltologischen Keltenbegriff zu entsprechen. Wobei ich zugeben muß, daß ich der romantischen Schwärmerei deswegen ziemlich feindselig gegenüberstehe, weil die politische Ausformung der esoterischen Germanennostalgie unseren Kontinent in Schutt und Asche gelegt hat. Ich befürchte eben, daß ähnliche, einer idealisierten Vergangenheit zugewandte Schwärmereien wie die der Romantik wieder katastrophale politische bzw. gesellschaftliche Folgen haben könnten.
4. Keltenforscher
sind Leute, die sich (meistens) wissenschaftlich mit Kelten (je nach zugrundeliegender Definition) beschäftigen, aber keine Keltologen sind. Also z.B. Althistoriker, die übers Regnum Noricum schreiben.
5. Keltendarsteller
sind Reenactor, die entweder keltomanisch oder keltologisch motiviert sind. Die beiden Gruppen haben, was öffentliches Auftreten angeht, oft ziemlich deutlich abgesteckte Territorien. Das Keltenfest Mitterkirchen ist primär keltologisch, das in Schwarzenbach primär keltomanisch besetzt.
Wahrscheinlich wird's das beste sein, wenn ich in Zukunft bei Kelten-Diskussionen zunächst einmal nachfrage, was gerade mit "Kelten" gemeint ist. Sonst schreiben wieder alle aneinander vorbei und es fliegen wieder sinnlos die Fetzen, wenn die Kommunikation im Thread deswegen bald auf die persönliche Ebene kippt.
lg
A
PS:
Ich weiß nicht ob ich meinen Witz mit Ubi est Obi erklären muß ? Ist ein Hieb gegen Urbi et Orbi !
Das habe ich schon verstanden, aber ich reagiere oft verschnupft auf Antiklerikalismus und besonders Antikatholizismus, zumal ich der sehr katholischen Sozialisation durch meine Eltern viel verdanke. Ich wäre, ohne über sie hinauswachsen zu können, nie der Linksradikale geworden, der ich heute gerne bin. Und viele ideologischen Richtungen, denen ich meinen heutigen Lebensstandard verdanke, vom Humanismus bis zu Marx, sind ohne dieselben jüdischen Wurzeln, die auch das Christentum auszeichnen, nicht denkbar.