Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

BeLinda
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von BeLinda »

Liebe Julia, das klingt wirklich ganz ganz ähnlich. Vor allem dieser Nachsatz "immerhin habe ich es geschafft nicht ganz auszuflippen". Schlimm, wenn man damit fast schon rechnet oder?
Ich finde es absolut bewundernswert das du diesen Auftritt überhaupt angenommen und dann auch gemacht hast wenn du so viel Ängste ausstehen musst dabei. Da bist du dann schon deutlich weiter in deiner Entwicklung und Arbeit an deinem Problem als ich. Einfach toll wie du das machst <3

Dieses völlig rausfliegen ist glaube ich auch das wovor ich am meisten Angst habe. Zu Hause schaffe ich es manchmal bei sicheren Stücken schon einfach über einen falschen Ton hinweg zu spielen und nicht aufzuhören und neu anzusetzen. Das ist für mich auch schon ein Fortschritt. Irgendwie hab ich es total drin bei einem falschen Ton abzubrechen und neu anzufangen. Am besten jedes Mal ganz von vorne... :_rolleyes_:

Den Tip mit dem Sport hab ich ja noch nie gehört, spannend irgendwie und von der Idee durchaus nachvollziehbar. Ich stell mir gerade vor dann mit völlig verschwitzen Pfoten an der Harfe zu sitzen und deshalb dann ständig weg zu rutschen - gute Vorbereitung für die Vorspielsituation *gg*

Maira bei mir ist das total reflexartig das ich dann direkt absetze und neu anfange wenn ich einen falschen Ton spiele. Ich muss (möchte!) wirklich noch lernen das zu lassen und weiter zu spielen, so wie du es auch meinst. Immerhin kann ich es manchmal schon wenn ich allein übe, und gestern hab ich es sogar im Unterricht zum ersten Mal geschafft ;-)

DerJuergen du hast vollkommen Recht. Das sitzt tief und mit "ein bißchen üben" und "immer wieder in die Situation gehen" ist das nicht mal eben aus der Welt.
Ich finde Julias Erzählung mit dem Puls hochtreiben und dann an die Harfe echt interessant. Ich werde das auf jeden Fall mal auszuprobieren und schauen wie sich das anfühlt.
Danke auch für deinen Bericht von dem Vortrag, das klingt gut und passt für mich. Ich speichere mir den Link direkt mal ab.

mygga so wie sich das bei mir äußert ist es - wie oben schon erwähnt - auf jede Fall ein tiefsitzendes, sehr hartnäckiges (und für mich auch sehr belastendes) Problem mit dieser Angst.
Ich muss aber sagen, dass mich das kleine Vorspiel vor meiner Mutter schon ein wenig beflügelt hat, ich war positiv überrascht von mir selber. Ich möchte versuchen das auf diese Art weiter zu verfolgen. Vielleicht beim nächsten Mal für zwei Familienmitglieder, dann mal drei usw.
Ich denke wichtig ist es, diese Sache angehen zu WOLLEN - und nicht zu denken "ich MUSS das ablegen weil ich vorspielen können MUSS" (muss ich nämlich überhaupt nicht, es ist mein Hobby und wenn ich will übe ich das nur in meinen vier Wänden ganz alleine aus).
Die nächste Hürde wäre halt für mich das Zusammenspiel mit einem Fremden, also falls sich jemand hier aus dem Forum findet. Das sieht ja bisweilen ganz gut aus, ich habe hier zwei Rückmeldungen bekommen und kann ja - wenn ich das dann auch noch packe wegen der Fahrt - noch zur Wupperthaler Harfenrunde. Ich denke das sind gute Aussichten und ich bin auch stolz das ich etwas für mich so Heftiges nun wirklich versuche anzupacken.

Susanne erstmal möchte ich mich noch für deine E-Mail und dein Angebot bedanken, ich habe die Mail zwischen Tür und Angel gelesen und dann verschlafen zu antworten. Leider ist meine Internetverbindung hier auf dem Lande weit entfernt von dem was skypen möglich macht. Aber ich gucke mal ob ich dafür eine Lösung finde.
Ich habe deine Übung mit dem innerlichen Mitsingen mal ausprobiert bei Greensleves, das spiele ich eigentlich aus dem ff. Ähm ja, war lustig. Da gabs dann nur noch falsche Töne weil ich mich beim innerlichen Singen nicht mehr aufs Spielen konzentrieren konnte :_grin_:
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mygga
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von mygga »

Mir ist noch etwas eingefallen, was mir etwas über die Angst hinweggeholfen hat. Es hat mich von absoluter Panik und Total-Dissoziieren so weit gebracht, dass ich zweimal schon die Harfe spontan zu Spinntreffen mitgebracht und Hintergrundmusik gemacht habe. Das hätte ich nie für möglich gehalten.

So banal es klingt - Training im Improvisieren. Und zwar - Achtung an alle Perfektionisten! - nicht nach dem Motto "Sooo, Schantalle, nu tu di Omma ma wat Schönet improfisüren", sondern wirklich für sich und vor sich hin spielen.

Das spielen, was sich aus den Fingern ergibt. Und wenn ein Motiv nicht ganz passt, wiederholen und verändern. (Das jetzt nur als ganz grobe Skizze, damit ihr wisst, was ich meine.)

Es funktioniert nicht sofort. Aber es bewirkt mit der Zeit eine Gewöhnung daran, dass nicht alles sofort perfekt klingt. Und das überträgt sich komischerweise auf das Spielen nach Noten. Das Gehirn interpretiert den "falschen" Ton dann nicht mehr als "Auhauahauaha, schon wieder vertan!!!", sondern genau wie die nicht sofort passenden Töne beim Improvisieren und geht nach dem Motto "Ok, das passt also nicht so toll" drüber hinweg und spielt relativ zügig weiter. Es verändert mit der Zeit die Sichtweise von "Fehler" zu "nicht ganz geglückt".

Wenn das was für dich wäre, gebe ich dir gerne mehr Infos dazu.
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von BeLinda »

Das ist ein toller Ansatz, super Idee.
Ich "klimpere" schon manchmal einfach vor mich hin weil ich in dem Moment einfach den Klang der Harfe so mag aber vielleicht nicht so Lust habe ernsthaft zu spielen. Meist emfinde ich das dann aber als nicht so erfolgreich (Achtung!) und denke das passt ja irgendwie alles nicht, du musst erstmal bei Sarah Tips zum Improvisieren holen.
Wie der Rheinländer sagt: Merkst de watt?!

Wenn es nicht so ideal passt ist es für mich dann direkt falsch. Falsch ist böse. *fingerhau*
Auf dem Klavier war ich leider auch nie so die Queen beim Improvisieren, das ist mir immer schon eher schwer gefallen.
Hab gerade gestern nochmal nachgelesen wie so mit der Kadenz war und so... :_rolleyes_:

Ich bin anstrengend manchmal. :_rolleyes_:
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Katty
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von Katty »

Hallo an alle "Angsthasen",

hab jetzt einige Zeit überlegt, ob ich auch von mir schreibe, aber ich denke, es ist gut für mich und sicher auch andere, darüber zu reden.
Als ich deinen ersten Beitrag las, liebe BeLinda, dachte ich - ja, warum tut sie sich das denn an, wenn sie solche Angst davor hat? Dann lass es doch sein! Ich hätte auch Angst vorm Vorspielen und würde es nie tun. Hab allerdings auch so gar kein Bedürfnis danach, mich zu präsentieren oder anderen eine Freude zu machen oder Beifall zu bekommen, was auch immer die Motive sind. Ich persönlich bin glücklich, wenn ich für mich musizieren (ich spiele seit 1,5 Jahren Harfe und seit Jahresanfang Tenorblockflöte), wenn ich zum Unterricht gehen und ab und zu mit jemandem gemeinsam spielen kann. Einige wenige Male habe ich mich selbst aufgenommen, um den Film innerhalb der Familie zu verschenken. Doch vor anderen auftreten? Brauche ich nicht!

... bis vor ein paar Tagen eine Einladung unserer Lehrerin kam zu einem Gartenfest mit Konzert von ihr, Tanz und anschließendem Schülerkonzert. Jeder trägt etwas bei! Uhhh mir ist es sogleich dermaßen in den Bauch gefahren, die Angst kroch in meine Glieder, und ich habe spontan geantwortet: Ich bin dabei, aber ohne Vorspielen!

Ich muss dazu sagen, dass ich schon seit einigen Jahren merke, dass ich immer ängstlicher werde. Zeitweise bin ich selbst vor harmlosen Terminen oder Verabredungen heftig und unangemessen aufgeregt mit wirklich schmerzhaften körperlichen Reaktionen (Magen-/Darmkrämpfe, Kopfweh usw.). Bei mir liegen, wie mir inzwischen klar ist, die Ursachen tatsächlich auch in traumatischen Erlebnissen in der Jugend und Kindheit, die durch ähnliche Erlebnisse in der jüngeren Vergangenheit wieder hochgekommen sind, d.h. nicht die Erlebnisse selbst, aber die körperlichen Reaktionen und die Gefühle sind original wieder da, verursachen eine Daueranspannung, die sich bei kleinsten Anlässen so steigert, dass ich es selbst nicht fassen kann und denke, das ist doch gar nicht nötig, mir passiert doch nichts. Der Kopf sagt, alles ok, die Gefühle rasten aus. Ich habe das nicht im Griff.

Bei mir ist es also nicht nur ein Problem mit dem Vorspielen. Wie ist das bei euch? Seid ihr auch in anderen Situationen wirklich extrem aufgeregt und ängstlich?

Nun steht das geplante Vorspiel in gemütlicher Gartenfestrunde an. Ich kenne die Menschen, mag sie alle total, habe tatsächlich inzwischen Lust, teilzunehmen, dabei zu sein, dazu zu gehören. Dann wieder kommt der Schreck. Dann wieder: Du kannst dich doch nicht ausschließen. Und ich möchte eigentlich doch auch vorspielen und mitspielen. Ich habe inzwischen für beide Instrumente ein Stück rausgesucht und probiert. Sie klappen natürlich zu Hause und im Unterricht prima. Aber wenn plötzlich das imaginäre Publikum in meinem Musikzimmer sitzt, zittern die Finger zwischen den Saiten herum und fliege ich prompt raus.

Was kann man da tun? Ich bin inzwischen in professionellen guten Händen, aber so schnell greift eine Therapie natürlich nicht. Ich habe wieder angefangen mit Meditieren und Entspannungsübungen und schaffe es für den Moment, meinen Herzschlag und meinen Darm zu beruhigen, aber habe noch keine dauerhaften Ergebnisse erreicht. Ich weiß auch vom Kopf her inzwischen, dass mir das Vorspielen gut tun würde!

Was mich auch immer wieder beschäftigt, ist die Frage, was steckt eigentlich dahinter? Ist es der Zwang, fehlerlos und perfekt zu sein? Will man sein Gesicht bewahren und anderen keine Angst -> Schwäche zeigen? Was ist so schlimm daran, zu zittern, wenn man aufgeregt ist oder sich zu verspielen? Das macht doch eigentlich nichts, oder?
Ich war schon immer sehr selbstkontrollierend und selbstkritisch, hab stets mein Verhalten analysiert und oft negativ bewertet, hatte negative Gefühle nach eigentlich schönen Begegnungen mit intensivem Austausch, weil ich mal wieder meinte, etwas blödes gesagt oder getan zu haben, und was denken die jetzt über mich - und ja, ich wurde tatsächlich so erzogen, es steckt einfach in mir drin. Ob ich das je werde ablegen können, ist die Frage. Ich hoffe es sehr, denn bewusst ist mir das schon sehr lange.

Eine Idee ist mir noch gekommen, um Angst vorm Vorspielen zu überwinden. Wir haben im Ort ein Alten- und Pflegeheim. Da könnte ich mal nachfragen, ob ich mal an einem Nachmittag etwas vorspielen könnte, gern auch mit der Begründung, dass ich mehr Sicherheit im Vorspiel lernen möchte. Alte Leute sind unkritisch, dafür besonders dankbar und können sich so freuen über Kleinigkeiten. Die Idee kam mir, als ich letzten Montag die Sendung mit Hirschhausen (Check-up) sah, wo er im Pflegeheim demenzkranken Menschen Musik vorgespielt hat. Es war einfach beeindruckend und berührend.
Wäre das auch eine Idee für dich?

Herzliche und mutmachende Grüße
von Katrin
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von BeLinda »

Liebe Katrin,

wow was sind das viele Parallelen.

Ich leide auch unter übermäßig starker Aufregung/Anspannung auch vor eigentlich unbedeutenden Terminen wie z.B. einen Arztbesuch oder ähnlichem. Ich hatte weiter vorn im Thema ja auch schonmal angemerkt, dass ich große Schwierigkeiten habe allein irgenwo hin zu gehen (oder noch schlimmer zu fahren) wo ich mich nicht auskenne. Damit verbaue ich mir selbst unheimlich viele Erlebnisse, z.B. auch die Teilnahme am Harfentreffen (das gerade war) und dem Harfensommer (der noch kommt).
Mir geht es da wie dir: ich bin sehr reflektiert und kenne diese Verhaltensweisen und Gefühle genau von mir - aber raus komme ich nicht.
Die Angst zu versagen? Übermäßig selbstkritisch sein und das eigene Verhalten oft negativ bewerten? Perfektonismus? Ja, ja und ja.
Bist du mein verschollener Zwilling? :_wink_:
Auch die Selbstzweifel ob man in einer Unterhaltung vielleicht etwas Dummes gesagt hat im Nachhinein.... obwohl man doch Spaß hatte in dem Gespräch. Ist das nicht furchtbar? Ich bin manchmal so traurig und gleichzeitig auch wütend darüber (über mich), weil ich so bin.

Die Idee mit dem Spielen im Altenheim finde ich ganz großartig. Ich würde das auch gern tun, hab sogar gute Beziehungen ins Altenheim ganz in der Nähe. Aber ich trau mich einfach nicht. So weit bin ich noch nicht, ich bleib erstmal bei der Familie. Das ist schon Stress genug.

Was mir noch aufgefallen ist: Du schriebst (sinngemäß), dass du die übermäßige Nervosität auch vor kleineren Terminen oder Verabredungen nicht unter Kontrolle hast, auch wenn dir vom Kopf her klar ist das dir nichts passiert (exakt wie bei mir übrigens).
Kontrolle, das ist so ein Stichwort. Ich für mich habe rausgefunden, dass ich ganz ganz große Schwierigkeiten damit habe etwas nicht kontrollieren zu können, oder Kontrolle abzugeben. Das trifft bei mir auf alle Lebensbereiche zu und ist auf jeden Fall auch ein "Erbstück" meiner Mutter.
Ist das bei dir auch so etwas Grundlegendes?
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mygga
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von mygga »

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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von Katty »

Liebe mygga, ja das ist mir bewusst, deshalb habe ich auch etwas länger gezögert. Andererseits denke ich, warum soll man nicht darüber reden dürfen? Gerade das Verschweigen und Verdrängen seelischer Störungen oder Erkrankungen hat ja dazu geführt, dass diese viel zu lange nicht ernst genommen wurden. Mir tut es gut zu spüren, dass es anderen genauso geht und ich in diesem Punkt doch nicht so bescheuert und unnormal bin, wie ich mich manchmal fühle. Wenn es jemandem zu viel wird, dann bitte einfach nicht lesen.

Liebe BeLinda, ich habe nochmals alle Beiträge gelesen. In einem schreibst du, man muss es wirklich von sich aus wollen, es reicht nicht zu denken, es wollen zu müssen. Bei mir ist wohl eher Letzteres der Fall. Ich habe nie daran gedacht, dass ich mal irgendwo vorspielen möchte. Ich bin alles andere als eine "Rampensau", als welche sich andere bezeichnen. Ich will einfach musizieren, die Klänge genießen, mir etwas Gutes tun, etwas lernen, spüren dass etwas plötzlich klappt, was ich nicht für möglich gehalten hätte. Eventuell gern in kleiner Gruppe, aber ich brauche kein Publikum.
Nun hätte mich dieses Gartenkonzert aber doch gereizt, das Zusammensein mit den anderen, das Dazugehören, mal wieder dieses "ich will so sein wie die anderen". Aber ich bin es nun mal nicht, zumindest im Moment nicht. Darauf sollte ich wohl Rücksicht nehmen. Auch wenn es mir vielleicht gut tun würde...
Ich bin gerade wieder in ein Loch gestürzt, meine Stimmung ist abgefallen, ich bin schon morgens aufgeregt wenn ich an dieses Konzert denke, und ich denke oft daran. Ich habe diese Woche so gut wie gar nicht geübt, hatte keine Lust, und wenn, dann haben meine Finger sogar hier allein zu Hause gezittert beim Spielen. Völlig balla! Das angedachte Vorspiel zieht mich runter und blockiert mich. Es ist nun mal so. Ich bin aber überzeugt, dass auch wieder andere Zeiten kommen.

Ja, natürlich, das Kontroll-Thema kenne ich. Da habe ich aber tatsächlich schon Fortschritte gemacht im Zusammenleben mit meinem Freund. Er wehrt sich dagegen, und siehe da, es passiert nichts schlimmes. :_grin_:
Die Selbstkontrolle und -kritik überfallen mich immer wieder. Ich bin leider nicht zu einem selbstbewussten Menschen erzogen worden, ganz im Gegenteil ("Du stellst dich mal wieder dumm an... du bist unmöglich... was denken die anderen jetzt von dir..."). Ich will das meinen Eltern jetzt auch gar nicht ankreiden, sie haben als Kriegs- und Nachkriegskinder Bombenangriffe und schreckliche Not erlebt und selbst Liebesmangel und eine strenge harte Erziehung erfahren. Sie konnten es nicht besser.

Ich war auch früher schon zeitweise ein richtiger Angsthase und kam mir gleichzeitig total unnormal vor. Z.B. habe ich mich ab der 8. Klasse konsequent nicht mehr zu Wort gemeldet. Ich hatte panische Angst vorm Autofahren und bin 12 Jahre lang kaum selbst gefahren. In meinem ersten Job nach dem Studium habe ich mich nicht getraut, jemanden anzurufen oder ins Nachbarbüro zu gehen, um etwas zu besprechen. Alles schon sehr extrem, aber ich habe alle Ängste in Laufe der Jahre, vor allem unter beruflichem Zwang überwunden! Als ich mit MItte 30 aus beruflichen Gründen ans Steuer musste, habe ich im ersten halben Jahr 8 Kilo abgenommen - eine super Idee für alle, die eine Diät machen wollen. :_cheesy_:
Aber ich bin dann allein nach Norddänemark gefahren. Ich habe Präsentationen gehalten und Workshops geleitet. Man kann so vieles überwinden und schaffen!
Ich muss jedoch pausenlos dran bleiben, auch am Autofahren, ansonsten kommen die Ängste wieder. So ist das wohl auch, wenn man gern auftreten möchte?

Mir ist klar geworden, dass die Angst vorm Vorspielen, zumindest in diesem Ausmaß, wahrscheinlich oft kein Problem mit dem Vorspielen an sich ist, sondern eine wirkliche Angststörung, die ihre Ursachen hat. Jemand hatte das schon weiter vorn geschrieben, ich denke nur erst jetzt darüber nach. Ich gehe es gerade an, und ich glaube daran, dass es mir wieder besser gehen wird. Vermutlich in ganz kleinen Schritten... und Rückschritten. Aber wir werden es schaffen!!

Liebe Grüße
Katrin
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von Katty »

Hallo,

so, jetzt muss ich es endlich los werden: Ich habe es geschafft! Ich habe am Wochenende bei diesem Gartenkonzert vorgespielt!! :_cheesy_:
Der Grund, der bei mir den Schalter umgelegt hat, war eigentlich ein eher nicht so schöner, möchte jetzt nicht näher darauf eingehen. Noch am Vormittag des abendlichen Konzerts hatte ich Musikunterricht (Harfe, Tenorblockflöte), und noch auf der Hinfahrt war ich mir im Klaren, dass ich gar nicht erst zu diesem Konzert gehen werde. Auf der Heimfahrt war mir klar, dass ich wenigstens als Zuschauer kommen werde, aber mit meiner Flöte in der Tasche. Als am Nachmittag eine Mitstreiterin leider noch kurzfristig absagte, war mir klar, ich werde meine Lehrerin nicht hängen lassen. Auch einen anderen Mitspieler nicht. Beide hatten mir schon so oft gut getan, wenn es mir nicht gut ging, hatten hinter mir gestanden und mich unterstützt. Sie kennen meine Situation und haben mir immer wieder bestätigt, wie sehr sie sich freuen würden, wenn ich wenigstens käme, dass ich doch dazu gehöre, auch ohne zu spielen. Ich hatte überhaupt keinen Druck, das war gut für mich. Mir war aber nun klar, dass ich den beiden unbedingt beistehen möchte. Der "Whirlpool" war mit 3 Harfen geplant, eine fiel nun aus, und ich werde einspringen! Und wenn ich es schaffe, mit den beiden anderen Harfe zu spielen, dann werde ich auch ein Stück auf der Blockflöte schaffen!

Ich war dann plötzlich gar nicht mehr sooo aufgeregt. Was soll ich sagen, es war einfach wunderbar! Mich hat es schon mal rausgehauen, aber es fiel wohl niemandem auf. Dann spielte ich auf der Flöte "Ar Baradoz", hier hatte ich das Harfenstück umgeschrieben für Blockflöte mit Harfenbegleitung. Es klingt einfach wunderschön. Meine Lehrerin begleitete mich. Natürlich habe ich auch hier an den 2 schwierigeren Stellen (für mich als Anfänger) kurz die falschen Töne getroffen, aber ich konnte ungerührt weiter spielen. Im Nachhinein habe ich von 2 Seiten (mit musikbegabten Ohren) erfahren, dass es gar nicht aufgefallen war. Auch der "Whirlpool" habe super schön und harmonisch geklungen. Das macht doch Mut!

Ich und wir alle haben viel viel Beifall bekommen. Das Publikum, etwas über 20 Leute, war super herzlich und dankbar, hat jedem einzelnen noch gesagt, wie schön er gespielt habe. Ich bekam also viel Lob und Anerkennung, einige, die meine inneren Kämpfe mitbekommen hatten, sagten mir, wie stolz sie auf mich seien. Das war soooo schön und tat gut. Auch diese Verbundenheit untereinander und die gemeinsame Freude zu spüren, z.B. beim Schlussbeifall das gemeinsame Verbeugen Hand in Hand (wie auf der großen Opernbühne... hihi...), das war einfach wunderbar.

Was mir letzten Endes auch noch einmal viel Druck genommen hat, war die kleine Ansprache der Gastgeberin, auch einer Harfenschülerin, zu Beginn, in der sie gestand, dass dies heute ihre Premiere im Vorspielen sei, dass das Herz heftig klopfe und dass das sicher für alle anwesenden Schüler gelte. Und wenn mal ein schiefer Ton erklingen sollte, mögen doch bitte alle die Ohren schließen. :_cheesy_:
Ich habe dann, als ich dran war und meine Stücke kurz vorstellte ebenfalls erzählt, dass das mein allererstes Vorspiel ist. Das tat wirklich gut!

Auch wenn ich es mir noch nicht getraut habe, Harfe solo vorzuspielen, es war ein großer Schritt für mich. Ich war noch 2 Tage später aufgeregt und habe schlecht geschlafen, ich war fix und alle! Aber es war eine wunderbare Erfahrung, und ich würde es wieder machen.
Also habt Mut, traut euch!! Die anderen freuen sich so und merken scheinbar doch weniger als man selbst.

Liebe mutmachende Grüße
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von Lord Milchbart »

Hallo,

ich bin Tristan und lerne erst seit Anfang des Jahres Harfe. Ich habe kein Angstproblem beim Vorspielen, sondern der Grund warum ich schreibe ist ein anderer: Ich würde gerne jede Gelegenheit nutzen, um alle möglichen Hakenharfen (und ihre Spieler :_wink_: ) kennenzulernen, da ich in naher Zukunft von der Mietharfe auf eine eigene Harfe umsteigen möchte und leider noch nicht viele Hakenharfen vergleichen konnte. Dabei ist es natürlich optimal, wenn die Harfen im direkten Vergleich (im selben Raum etc.) kennenlerne. Daher ist so ein Treffen natürlich optimal dafür. Wenn ich jetzt sehe ,,Raum GM" ist damit Gummersbach gemeint? Falls ja ist das etwa eine Auto-Stunde von mir entfernt und ich würde mich freuen, wenn ich auch an so einem Treffen teilnehmen dürfte
Achso und ich bin ein ganz unkritischer Zuhörer und selber ja noch ganz am Anfang :_smile_:
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Re: Miteinander und füreinander spielen, zur Angstbewältigung (Raum GL, GM und SU)

Beitrag von Max »

Hallo zusammen,

(ich war einer der Mitspieler des Abends.)

Nach vielen Gesprächen und e-mails im Vorfeld und dem Mitverfolgen dieses Threads war Katrin für mich die wahre Heldin des Abends.

Und da sie auch nach dem Konzert noch so aufgeregt war, dass sie nichts Essbares runter bekam, konnte ich die Reste des Buffets alleine in mich rein schaufeln :_wink_: :_tongue_: :_cool_: :_grin_: .....

Katrin, das war ein wunderbarer Abend und hoffentlich nicht der letzte gemeinsame Auftritt!

Liebe Grüße
Max
Ebenen sind der Gipfel geographischer Niveaulosigkeit.

Arvo Pärt: „Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird."
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