Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Alles rund um Saiten, Verstärker, Mikrophone, Tonabnehmer, Stimmgeräte usw.
annunziato
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 338
Registriert: Di 23. Sep 2008, 18:48
Postleitzahl: 2882
Land: Schweiz
Wohnort: Nordwestschweiz

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von annunziato »

Oh, da liest man ein paar Tage nicht mit und so viel hat sich getan, super.
Bernhard, als ich Deine replik gelesen habe, fiel mir auf, dass wir in der Tat ziemlich gepflegt aneinander vorbei reden. Das will ich hier nicht vertiefen, aber soviel: Entschuldige bitte, dass ich das nicht gesehen und Dich überfordert habe.
Du sprichst über Deine individualempirischen Erfahrungen und Deinen persönlichen Zugang zu deinen Klangwahrnehmungen. Ich rede über die physikalischen und musikalischen Grundlagen. Da müsste man eine Menge (Denk-)vokabular und Mindset abgleichen, dafür fehlt mir die Zeit. Es tut mir Leid, dass ich da von anderen Voraussetzungen bei Dir ausgegangen bin.
Die Amplitudenseite hast Du im Grundsatz ganz gut verstanden, bis auf die Kombinationstöne, das ist eine reine Frequzenzangelegenheit (Summen und Differenzen der Frequenzen). Die Frequenzseite könnte noch etwas Vertiefung brauchen, auch für die Interpretation der Spektrogramme. Insbesondere in der älteren Literatur gibt's dazu gut verständliche Grundlagen. Neuere Literatur zum Instrumentenbau befasst sich z.T. auch mittlerweile mit den physikalischen Grundlagen und ziemlich ausgefeilter Messtechnik, um den ganzen spezifischen "realen" und nicht-idealen (im Sinne der physikalischen Abstraktion des idealen Oszillators oder idealen Resonanzraums) auf die Spur zu kommen. Die PTB hat sich eine Zeitlang mal mit der Objektivierung dieser Themen befasst. (Ich schau mal, ob ich Dir hierzu ein paar Artikel schicken kann.)

Zwei Anmerkungen noch zum Spektrogramm:
Interessant ist einerseits der kleine Hubbel links vom Grundton, der einen Differenzton (Grundton - 1. Oberton) zeigt, was zur Verstärkung der Basswahrnehmung führt. Andererseits der "grosse Hubbel" der "Basis-Linie", auf dem die Peaks aufsetzen und ihre Breite. Da sieht man zweierlei Einflss des Resonators, bei dem nicht nur die Saitenschwingungen angeregt werden, sondern eben eher ein Kontinuum, und gleichzeitig hat man hier direkt die Visualisierung der Schwebungswolke, die die Bässe etwas wummerig macht.
Allerdings muss man bei FFTs immer aufpassen, was dann Messung und was Artefakt ist - sie sind natürlich aus Gründen der Rechen-Ressourceneffizienz (Zeit, Rechenkapazität, Zwischenspeicher) schnell auf Kosten der Genauigkeit - d.h. einiges an der dargestellten Präzision ist auch Scheingenauigkeit. Ich nehme an, die Skala ist logarithmisch.

Und letzte Bemerkung für Lateiner-Bildungsprotzer: Der Plural von Korpus ist Korpora, Korpi ist grob falsch (es gibt halt unterschiedliche Deklinationen für -us - endungen), und Korpen oder Korpusse sind halt mehr oder minder gelungene Germanisierungen, gemäss Duden zulässig.
Nur durch Harfe spielen lernt man Harfe spielen. (Aristoteles)
Jonny Robels
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 949
Registriert: So 20. Mär 2005, 00:03
Postleitzahl: 35440
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von Jonny Robels »

"Klangkiste(n)?" :_smile_:
Benutzeravatar
Maira
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 4973
Registriert: So 6. Jan 2013, 17:59
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Maira Bausatz von Klaus Regelsberger, Schwabach
Hobbit von Klaus & Annika Regelsberger, Schwabach
Fischer 80 von Thomas Fischer, Traunstein

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von Maira »

@ Jonny : Klangkästen ? ( Kasten ist ebbes größer :_grin_: )
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
Benutzeravatar
ralf
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 527
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:46
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Silmaril (Sievert), Aoyama Orpheus 47, Camac DHC-32
Wohnort: Niedersachsen
Kontaktdaten:

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von ralf »

Vielleicht kennt Ihr den Spruch:
"Im Vergleich zur Akustik ist die Religion eine sehr exakte Wissenschaft".
Vielleicht meinte annunziato das mit den Komplexitäten der Fourier-Analyse, und Bernhard mit den Wechselwirkungen, wenn man an den Stellschrauben des Harfenbaus dreht.

Man muss kein Experte in Akustik sein, um zu hören, wenn eine keltische Harfe einen Wolfston oder eine bis ins Mark wummernde Eigenresonanz hat. Ich würde gerne bei Aufnahmesessions oder Live-Beschallung etwas weniger Schaumstoff und Handtücher in keltische Harfen stopfen müssen, um ein ausgewogenes Klangbild zu bekommen. Nicht zu reden von Basssaiten, die, laut gespielt, mal eben einen Halbton höher schwingen und sich dann langsam asymptotisch dem eigentlich gemeinten Ton annähern.

Bei Konzert-/Pedalharfen hat man diese Probleme irgendwie in den Griff bekommen, jedenfalls habe ich da bei Aufnahmen deutlich weniger Probleme mit einzelnen Tönen, die um satte 12 dB lauter sind als der Rest. Klar, dass keltische Harfen meistens zu leise sind, aber vielleicht wird da an der falschen Stelle optimiert, oder die Messlatte liegt insgesamt sehr tief.

Damit meine ich übrigens nicht Bernhards Harfen, die ich allesamt als sehr ausgewogen in Erinnerung habe. Um den Korpus in Form und Größe zu variieren oder ein paar "Wellenbrecher" einzubauen, braucht man in jedem Fall keinen Doktortitel, also, liebe keltischen/böhmischen Harfenbauer, ich lausche gespannt!

Gruß,
Ralf
Benutzeravatar
GrafZahl2
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 448
Registriert: Di 5. Mai 2015, 09:00
Skype-ID: Christof.Schmidt
Postleitzahl: 66482
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Doppelpedalharfe Amphion (47 Saiten; Aoyama)
Chromatische Harfe 6/6 (70 Saiten;Zangerle)

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von GrafZahl2 »

Normalerweise sage ich nie was zu Geplänkeln in Foren sondern habe meistens meinen Spaß beim lesen (erinnert mich dann immer an die Kindergartenzeit)
Aber - bitte bitte - versucht das zu vermeiden (oder ggfs. über PN's abzuarbeiten) !

Ich bin begeistert von den Aktivitäten / posts der letzten Wochen und habe viel dazugelernt.
Ich bin nur Hobbymusiker und manchmal auch Bastler. Ich würde mich nie erdreisten, etwas anderes als genau das als Grundlage für mein "ich denk mir mal was" auszugeben.
Ich kenne weder Bernhard noch annunzio persönlich. Finde aber den Ton zwischen beiden absolut daneben.

Annunzio: Ich finde positiv, daß Du akkustischen Fragestellungen mit physikalischen Formeln auf den Grund gehen willst.
Als Dipl. Ing. mach' ich das ja auch so (sonst käme ich ja gar nicht auf die Idee, solche Formeltabellen zu basteln)

Aber wenn jemand an einen Baum klopft und Klangholz erkennt ohne jegliches technisches Equipment - dann find' ich das einfach faszinierend und würde dieses Wissen oder Fertigkeiten in der Art nie in Frage stellen. Das gebietet schon der Anstand. (sowas hat Bernhard übrigens nie von sich behauptet ... das ist nur ein Beispiel)

(ok, wenn einer jahrelang "Klanghölzer klopft" und immer nur Feuerholz rauskommt, könnte ich weich werden :_wink_: )

Wenn man Bernhards Seite und einige links im Internet liest, gehe ich aber davon aus, daß er (akustik-, elektro- und Digital)technisch über jeden Zweifel erhaben ist.
Wenn dann noch jahrzehntelange Erfahrung und offensichlich ganzheitliches Arbeit mit und am Holz im Sinne der Musik zusammenkommen - dann finde ich das ganz toll - und deine Anfeindungen absolut unangebracht

Ich hoffe, daß der Wissenstransfer und die vielfachen Ideen zum Thema Harfenbau / Saitenberechnung/ akkustisches Verhalten weitergehen und sachlich bleiben.
Jeder sollte sich zum Thema äußern (und sollte auch - wie in meinem Fall - mal Blödsinn sagen können. Aus Fehlern wird man klug.)
Sollte ich (seeehr unwahrscheinlich) mal eine Aussage/Annahme/Berechnung von den Profis wie Bernhard oder Detlev z.B.
in Frage Stellen, dann kann ich das auch tun - aber der Ton macht eben die Musik.

Viele Grüße
Christof
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Friedrich Nietzsche
Benutzeravatar
Maira
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 4973
Registriert: So 6. Jan 2013, 17:59
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Maira Bausatz von Klaus Regelsberger, Schwabach
Hobbit von Klaus & Annika Regelsberger, Schwabach
Fischer 80 von Thomas Fischer, Traunstein

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von Maira »

Man erhebe Graf Zahl in den Adelsstand.

Ist denn ein Forum nicht dazu da , sich auszutauschen , grad weil man
nicht eben um die Ecke wohnt ? Selber bin ich froh drum , hier mit Gleichgesinnten über
mein Hobby ,, Musik " schreiben zu können, auch wenn ich weder Ingenieur noch Musikprofessor bin.
Speziell zu diesem Thema kann ich nicht viel beitragen , aber meine Achtung an den Wissenden wächst.
Vor 30 Jahren gab es das Alles nicht . Vielleicht schätzt man es um so mehr , wenn man weiß ,
daß das auch mal anders war.
Ich finde es klasse daß sich hier einige die grauen Zellen verbiegen . Wer weiß , was sich daraus entwickelt.
Am Ende kommt vielleicht auch was Brauchbares oder gar was Sensationelles bei raus ,
wer will das vorhersagen ?
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
annunziato
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 338
Registriert: Di 23. Sep 2008, 18:48
Postleitzahl: 2882
Land: Schweiz
Wohnort: Nordwestschweiz

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von annunziato »

So, das ist jetzt mein letzter Exkurs zu diesem scheinbaren Konflikt, der aus meiner Sicht keiner ist.
GrafZahl2 hat geschrieben: Annunzio: Ich finde positiv, daß Du akkustischen Fragestellungen mit physikalischen Formeln auf den Grund gehen willst.
Als Dipl. Ing. mach' ich das ja auch so (sonst käme ich ja gar nicht auf die Idee, solche Formeltabellen zu basteln)
Interessant, wie man missverstanden werden kann. Vor allem, dass man sich dafür rechtfertigen muss, wenn man hier Input reingibt.
Ich "will nicht akustischen Fragestellungen mit physikalischen Formeln auf den Grund gehen", sondern ich trage einige physikalisch gesicherte Grundlagen bei. Während meiner Doktorarbeit (ich bin Physiker, Musikwissenschaftler und Musiker mit Schwerpunkt Alte Musik und historischen Harfen, Geigen und Gesang) habe ich einige Zeit auf einen akustischen Exkurs verwendet, sowohl bezüglich Tonwahrnehmungen als auch Instrumentenakustik als auch Raumakustik. Und selbstverständlich habe ich mich als Musiker dann geradezu notgedrungen mit Temperatursystemen und auch ihrem Zusammenhang mit Obertonspektren verschiedener Instrumentenklassen, historischer Formen und ihrer Zusammenhänge befasst. Es ist ja nicht so, dass hier das Rad neu erfunden würde. Wenn auch zu den Punkten Temperatursysteme ("Stimmsysteme", "Stimmungen") und Instrumentenbauer gerade in den letzten Jahren erst wieder spannende historische und technische Forschungen stattfinden. Und man kann natürlich mittlerweile sehr viel mehr und besser messen. (Habe zwischendurch vor allem mit grossem Interesse mit der Forschung um historischen Geigenbau, Hölzer und Holzbehandlung, Klimafragen etc. befasst. Daraus könnten möglicherweise auch einige Erfahrungen von Harfenbauern genutzt werden. Aber zwischen den verschiedenen Disziplinen scheint es wenig Austausch zu geben.)
Dieses Wissen stelle ich gern als Input zur Verfügung, nach Möglichkeit ohne Formeln (mit ginge es knapper und präziser). Wenn man das als Grundlage hat, kann man die bautechnischen Fragen ganz anders angehen und einschätzen und muss sich nicht mit den Basics aufhalten. Dann könnte man z.B. direkt auf die Holzfragen, die Anisotripie der Materialien, ihrer Spannungs- und Schwingungsverhältnisse und ihre Auswirkungen gehen.

Aber offenbar kommt das nicht an, sondern hier müssen diese Basics eher handwerklich und ingenieurtechnisch wieder und wieder individualempirisch etabliert werden, und dieser Prozess scheint sich nicht beschleunigen zu lassen. Das ist offenbar Stil dieses Forums, es ist OK, für mich allerdings langweilig. (Ich habe noch nie ein Forum oder einen Blog gesehen, in dem man sich für das Zurverfügungstellen von Wissen rechtfertigen muss.)

Notabene: Es geht überhaupt nicht darum, Bernhards jahrelange Erfahrung und sorgfältige Herangehensweise (und die anderer Harfenbauern) sowie seine gut gelungenen Harfen zu kritisieren. Offenbar kam das leider so an, und offenbar ist die trockene wissenschaftliche Diktion hier sehr ungewohnt, so dass sich manche Kollegen schnell angegriffen fühlen. Das ist überhaupt nicht meine Absicht.

Mein Forumsname ist übrigens annunziato ((Gabriele d'Annunzio war ein protofaschistischer italienischer Dichter, mit dem möchte ich keinesfalls in Beziehung gebracht werden.))
Nur durch Harfe spielen lernt man Harfe spielen. (Aristoteles)
Benutzeravatar
GrafZahl2
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 448
Registriert: Di 5. Mai 2015, 09:00
Skype-ID: Christof.Schmidt
Postleitzahl: 66482
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Doppelpedalharfe Amphion (47 Saiten; Aoyama)
Chromatische Harfe 6/6 (70 Saiten;Zangerle)

Re: Ungünstige Schwingungen einer Harfe...

Beitrag von GrafZahl2 »

annunziato hat geschrieben:Interessant, wie man missverstanden werden kann
scheinbar ist das so
annunziato hat geschrieben:ich bin Physiker, Musikwissenschaftler und Musiker mit Schwerpunkt Alte Musik und historischen Harfen, Geigen und Gesang
das erklärt deine interessanten Beiträge - nochmal Dank dafür, hatte schon erwähnt, daß ich seit Gabriels Baubeginn hier viel dazugelernt habe.
annunziato hat geschrieben:Dieses Wissen stelle ich gern als Input zur Verfügung, nach Möglichkeit ohne Formeln (mit ginge es knapper und präziser)
s.o. Danke !
annunziato hat geschrieben:Es geht überhaupt nicht darum, Bernhards jahrelange Erfahrung und sorgfältige Herangehensweise (und die anderer Harfenbauern) sowie seine gut gelungenen Harfen zu kritisieren. Offenbar kam das leider so an, und offenbar ist die trockene wissenschaftliche Diktion hier sehr ungewohnt
s. oben; offensichtlich dann Missverständnis - gebe zu daß mir die wissenschaftliche Diktion nicht mehr geläufig ist (die Uni ist bei mir schon Jahrzehnte her).
Wenn Aussagen wie "Entschuldige .. dass ich ..Dich überfordert habe" ...."Es tut mir Leid, dass ich da von anderen Voraussetzungen bei Dir ausgegangen bin" zur aktuellen wissenschaftlichen Diktion gehören, bin ich darüber,nicht mehr auf dem Laufenden zu sein, gar nicht so unglücklich, .

Also, da wohl ein Missverständnis vorliegt, Entschuldige ich mich für meinen Beitrag oben

Gruß, Christof
annunziato hat geschrieben:Der Plural von Korpus ist Korpora, Korpi ist grob falsch
Mein Latein ist sogar noch länger her als meine Unizeit. Ich wollte eigentlich einen Witz mit "Korpussis" machen , das klang mir dann aber zu stark- sehe aber, daß Korpi den gleichen Zweck erfüllt hat :_tongue_:
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Friedrich Nietzsche
Antworten