Belastbarkeit der Resonanzdecke

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Gabriel
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Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Gabriel »

Da ich ja die Saiten für meine Harfe neu berechne und anschaffen werde, möchte ich diese Berechnung natürlich
möglichst genau machen.
Ich habe nach dem original Saitenplan für die Regency Harfe und mit Karstilos Rechner die Gesamtspannung
bestmöglich ermittelt und bin auf ungefähr 450kg gekommen. Das bezieht sich natürlich auf eine 3mm
Flugzeugsperrholz Decke die eigentlich auf die Harfe gehört.
Für den bestmöglichen Klang sollte die Gesamtsaitenspannung ja wohl möglichst nahe an die Belastungsgrenze
der Decke herankommen, natürlich ohne das diese bricht.

Ich kann mir gut vorstellen das man die Belastbarkeit bei Sperrholz noch ganz ermitteln kann (wenn einer weiß wie
man das macht, bitte sagen :_smile_: ).
Aber wie kann man das bei einer Fichtenholzdecke, so wie ich sie gebaut habe, ausrechnen? Oder beruht das nur auf
Erfahrungswerten? Sozusagen wenn es mit einer Decke nicht klappt macht man die nächste etwas dicker... kann
doch eigentlich kaum sein...

Und hält eine Fichtenholzdecke denn tendenziell eher mehr oder weniger aus als 3mm Sperrholz (vor allem auch unter Anbetracht der unterschiedlichen Dicke)?

Meine Decke hat die ca. - Abmessungen:

Länge: 126cm
Breite Diskant/Bass 10cm/40cm

Deckenstärke im Diskant/Bass 3,8mm/6,8mm
Verjüngung Mitte/Rand an 3 Stellen Diskant/Mitte/Bass 3,1mm/4,0mm/5,7mm
Breite der inneren Mitteleiste im Bass/Diskant 46,8mm/20,0mm


Vielen Dank :)
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kragi
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von kragi »

Unter der Voraussetzung, dass die Maserung des Holzes quer verläuft, würde ich als vereinfachtes Modell der Klangdecke viele Biegebalken annehmen, für jede Saite einen.
Mit der Biegesteifigkeit E*I kommst Du schon mal ziemlich weit. Wenn die maximale Zugspannung bzw. Druckspannung des Fichtenholzes erreicht ist, bricht es (vereinfacht gesagt).

Mit der Annahme vieler Balken ist die Schubspannung zwischen den Balken auf 0 gesetzt. Das berücksichtigt, dass Klangdecken gerne mal in Querrichtung reißen, was dem Klang keinen Abbruch tut.

Den E-Modul für Fichtenholz, das Trägheitsmoment für den Rechteckquerschnitt und die Berechnungsformeln für Biegebalken kannst Du ergoogeln.

Da jeder einzelne Balken mit dem Ort veränderliche I hat (Dicke ist außen anders als in der Mitte), würde ich die Balken mit dem kleinsten und mit dem größen I berechnen und mit Minimal- und Maximalwerten für den E. Dann müsstest Du den Einfluss des Holzes und des Querschnitts sehen können.

Wäre interessant, die Durchbiegungen zu berechnen, und dann das ganze nochmals mit den gebogenen Balken statt den geraden (Theorie 2. Ordnung).

Liebe Grüße
kragi

(keine Gewähr, ich bin kein Harfenbauer)
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Gabriel
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Gabriel »

Danke kragi, das klingt schonmal irgendwie nachvollziehbar und machbar.
Allerdings muß ich das erstmal verarbeiten und mit einem frischem Kopf überlegen wie ich das angehen könnte. :)
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Hans
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Hans »

Hallo Gabriel,

in Deinem Bautagebuch gab es ja schon eine Diskussion zum Thema, meine Meinung dazu hat sich nicht geändert. Du hast hier ein sehr schwieriges Thema, dessen Lösung (wenn man es denn wirklich analytisch angehen will) sehr lange dauern kann. Letztendlich wäre es natürlich schön, man nimmt ein paar Maße, holt den Taschenrechner und bekommt die Antwort. Nur ist das leider hier nicht so easy. Elastizität, Biegefestigkeit und Streckfestigkeit von Holz hängen von grundlegenden Materialparametern ab wie z.B. der Rohdichte des Holzes. Hierdurch variieren Elastiziätsmdul und Biegefestigkeit locker um den Faktor 3. Die Rohdichte wird – einfach gesagt - beeinflusst durch das Wachstum des Holzes (wo, wie schnell, unter welchen Bedingungen, Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit etc…), was Instrumentenbauer durch sorgfältige Auslese des Klangdeckenmateriales versuchen in den Griff zu bekommen, die Maserung (Enge, Gleichmässigkeit) gibt hier gute Anhaltspunkte. Eine absolute Berechnung (also in Zahlen) der Festigkeit Deiner Klangdecke ist m.E. nicht möglich, da die Eingangsparameter Deines Holzes fehlen. Letztendlich bringt es Dich auch nicht weiter, und Deine eigentliche Frage ist ja auch relativer Natur, ob nämlich eine Fichtenholzdecke stabiler oder weniger stabil als eine Sperrholzdecke ist. Vielleicht macht es Sinn, diesen Thread hierauf (zumindest für einen Moment) zu konzentrieren, die Frage wäre dann präziser formuliert:

Frage:
Ist die Festigkeit von Fichtenholz bei der harfentypischen Belastung höher oder niedriger als die von Sperrholz bei gleicher Beschaffenheit?


Als Diskussionsobjekt bietet sich ein Deckenelement aus dem Bassbereich Deiner Harfe an mit folgenden Abmessungen

Maße:
Länge: 40cm, Breite 3cm, Dicke 3mm


Materialien:
a) Fichte massiv
b) Sperrholz aus drei Lagen Fichtenholz à 1mm, Quermaserung außen, Längsmaserung innen


Vielleicht gibt es hier ja auch einen Spezialisten der die entsprechenden Formeln im Kopf hat oder eine entsprechende SW auf dem Rechner.
Ich denke aber wenn diese Frage hier ordentlich beantwortet werden kann, sind Deine Sorgen verflogen.

Grüsse,
Hans
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Hans
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Hans »

Hallo zusammen,

ich hätte den obigen Beitrag natürlich nicht geschrieben, wenn ich nicht eine Meinung hätte - auch ohne Simulationssoftware. Die Verwendung von Sperrholzdecken hat m.E. nichts mit Gabriel´s Problem (nämlich dem vermuteten Nicht-Standhalten der Belastung durch die Saitenspannung) zu tun sondern hat andere bekannte Gründe. Eine w.o. angegebene Sperrholzdecke hält aufgrund der Zwischenlage mit Längsmaserung nicht wesentlich mehr aus als eine Sperrholzdecke mit 2mm Dicke, da die Zwischenschicht zur Festigkeit bei der harfentypischen Belastung nur unwesentlich beiträgt.

Möchte mit dieser (ketzerischen?) Aussage die Diskussion befeuern....

Grüsse,
Hans
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kragi
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von kragi »

Hans hat geschrieben:... was Instrumentenbauer durch sorgfältige Auslese des Klangdeckenmateriales versuchen in den Griff zu bekommen, die Maserung (Enge, Gleichmässigkeit) gibt hier gute Anhaltspunkte. Eine absolute Berechnung (also in Zahlen) der Festigkeit Deiner Klangdecke ist m.E. nicht möglich, ...

Das denke ich auch, daher die Idee, die Biegebalken mehrfach mit unterschiedlichen E-Moduli und Balkendicken durchzurechnen und zu schauen, wie stark die Ergebnisse schwanken.
Ich vermute, dass bei gegebenem E-Modul und Kraft, eine erforderliche Dicke herauskommt, die die Erfahrungswerte der Harfenbauer weit übersteigt.

Jedenfalls rechnen sie da nichts, sie belassen lediglich funktionierende Systeme, wie sie sind - Erfahrung eben.
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Hans
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Hans »

kragi hat geschrieben: ... eine erforderliche Dicke herauskommt, die die Erfahrungswerte der Harfenbauer weit übersteigt...
Das ist ein sehr valides Statement. Salvi entwickelt und optimiert Klangdecken für ihre Konzertharfen seit 4 Jahren rechnergestützt mit einem unglaublichen Aufwand. Dieser bestätigt, dass jahrzehntelange Annahmen nicht mehr zu halten sind - das überraschende(?) Ergebnis ist, dass die Klangdecken massiv erleichtert werden können. Dies wird in den teuren Modellen mittlerweile auch umgesetzt - mit den entsprechenden Folgen für Klang und Lautstärke für den Orchestereinsatz.
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Gabriel
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Gabriel »

Guten Morgen,

also laut Plan und ich nehme an auch im original Bausatz wird 5 schichtiges Birken-Flugzeugsperrholz 1/8" (ca 3,2mm) verwendet. Leider steht aber nirgends etwas von Belastbarkeit oder was sonst hilfreich wäre, wenn man sich nicht nach dem Standartbauplan richtig.

Hans hat recht. Ich müßte eigentlich nur wissen ob und wie viel unterschiedlich die beiden Materialien unterschiedlich belastbar sind.
Und was Bernhard schreibt habe ich befürchtet - das man da nicht wirklich was berechnen kann.

Ich vermute mal, daß der Baum aus dem meine Decke jetzt besteht, nicht bei Vollmond geschlagen wurde. Aber die Qualität sieht für mich sehr gut aus: stehende Ringe, ziemlich gleichmäßiger Abstand. Alles was ich bisher an Fichte gesehen habe sah wesentlich wilder aus.
Alle Brettchen waren beim Bruchtest enorm stabil und die fertige Decke macht einen sehr soliden Eindruck.


Massivholz ist eigentlich das biegesteifere Material denke ich. Eine Sperrholzdecke macht bei der gleichen Belastung einen "dickeren Bauch" als Massivholz und ist durch diese Flexibilität stabiler. Wenn die Schichten nicht nur 90° sondern auch 45° zueinander versetzt sind umso mehr.
Massivholz hat einen "flacheren Bauch" bei gleicher Spannung. Da es mit seinen Jahresringen aber ganz anders aufgebaut ist wird es auch die Schwingen ganz anders ableiten als Speerholz. Ich finde es auch recht befremdlich das eine gute Fichtendecke dann manchmal noch furniert wird....
Ich gehe auch davon aus daß es keiner so großen Belastung standhält wie Sperrholz bzw. einfach weniger verzeiht, weil in einfachem Massivholz auch weniger Hi-Tec steckt.
Das ist nur mein subjektiver Eindruck.


Also um für mich eine Lösung zu finden mal folgende Überlegung:

Wenn ich meine Regency Saitensatz komplett mit Basssaiten richtig berechnet habe und auf 500-550 kg komme wäre das ja die berechnete Zugspannung für die Flugzeugsperrholzdecke.
Wenn ich dann meine neuen Saiten (die Basssaiten möchte ich gerne übernehmen) für eine Spannung von ~450 kg berechne, könnte das dann passen? Die Harfe soll halt klingen, aber natürlich möchte ich auch nicht unbedingt einen Bruch riskieren.
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Hans
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Hans »

Bernhard hat geschrieben:
... im wesentlichen eine Veränderung des Verlauf und der Form der sogenannten Extension/ also der Resonanzdeckenerweiterung...
... da muß man aber verstehen, dass diese Verbreiterung nicht eine Vergrößerung des Resonanzraumes ist (Vernachlässigbar) als vielmehr eine
Vergrößerung der Holzmasse und eine Verbreiterung der Resonanzdecke (mehr Schwingung)...
... wieso dabei die Resonanzdecke erleichtert sein soll entzieht sich mir...
Bernhard,
diese Aussagen sind hier nicht richtig denn sie beziehen sich auf das "extended soundboard", welches entwickelt wurde um im Orchestergraben genügend Klangvolumen in die Bässe zu bringen. Ich empfehle eine Minerva aus dem Baujahr 2015 einmal genau unter die Lupe zu nehmen - Du wirst feststellen, dass die Klangdecke deutlich sichtaber im mittleren Bereich um bis zu 5mm in der Dicke grossflächig erleichtert wurde (nicht aber am Rand). Diesem Prozess gingen eine sehr langwierige Phase des Simulierens von Holz als amorphem Material und der Belastungsverteilung auf der Klangdecke sowie unzählige Versuchsphasen voraus. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und ist für Konzertharfen eine echte Innovation. Das dieses für kleine Harfen klanglich was hergibt habe ich nicht behauptet, aber dass hier Festigkeitsreserven sind (waren) sehr wohl.

Eine ganz andere Frage ist natürlich ob es gerade bei einer kleinen Harfe überhaupt wünschenswert ist, die Klangdecke möglichst dünn zu machen - auch dies kann ich absolut nicht bejahen, da die Balance Klangvolumen/Klangbalance hier ein Optimum finden soll und dazu noch subjektiv vom entsprechenden Spieler/Hörer/Kunden wahrgenommen wird. Dies wiederum sind dann die unschätzbaren Erfahrungswerte und Geheimnisse des Harfenbauers.

Grüsse,
Hans
Zuletzt geändert von Hans am Sa 20. Feb 2016, 17:17, insgesamt 3-mal geändert.
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Hans
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Re: Belastbarkeit der Resonanzdecke

Beitrag von Hans »

Zurück zum eigentlichen Post von Gabriel...

eigentlich möchte er ja nur wissen ob eine Massivholzdecke stärker oder schwächer ist, aber hier driften wir immer wieder in Diskussionen ab, die ihm nicht wirklich helfen. Daher auch mein Statement früher hier. Also ich stelle mich jetzt hin und schicke Dir folgendes Statement Gabriel:

- Die Decke so wie Sie Du Dir ausgewählt und gebaut hast ist über jeden Zweifel an der Festigkeit erhaben.
- Diese Decke wird nicht reissen, weil die Spannung der Saiten zu gross ist.
- Da ist noch genügend Reserve drin um mit anderen Saiten am Klang zu experimentieren.

Leute wir müssen dem Gabriel eine Antwort auf seine Fragen bringen, egal wie schwierig sies ist. Er hat sich (m.E. richtigerweise) von Sperrholz verabschiedet und möchte eine Massivholzdecke aus Fichte. Das ist doch kein Problem wenn dies handwerklich sorgfältig gemacht wird???

Hans
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