Fragen zu Mensur und Harfendesign

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Maira
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Re: Fragen zu Mensur und Harfendesign

Beitrag von Maira »

Das hört sich an und sieht aus wie eine Metall-Saiten - Harfe.
Gelten da nicht andere Gesetze ?
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
annunziato
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Re: Fragen zu Mensur und Harfendesign

Beitrag von annunziato »

Nein, es ist keine Metallsaitenharfe und hört sich auch nicht so an, wie man am Darmsaitenklang und an den spezifischen Nebengeräuschen hört.
Es ist eine niedrig gespannte romanische Harfe, mit zwei parallelen diatonischen Reihen.
You can't argue physics - die Gesetze sind die gleichen für schwingfähige Saitensysteme, sei das Material nun leichter, weicher Darm oder schweres, steiferes Metall. Es sind nur die Mass und Grössenordnungen andere - aber es ist ja gerade so gemacht, dass die Saitenlängen sich in Metall bei ähnlichen Tönen sich in ähnlichen Grössenordnungen bewegen wie in Darm.
Nur durch Harfe spielen lernt man Harfe spielen. (Aristoteles)
annunziato
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Re: Fragen zu Mensur und Harfendesign

Beitrag von annunziato »

GrafZahl2 hat geschrieben:
bastian hat geschrieben:Für die Harfenskizzen 1 und 2 würde ich sagen, da wusste einer nicht, was genau er tut; oder er hatte einen sehr guten, aber nicht nachvollziehbaren Grund. Sebastian
sicher hat das seinen Grund, hier z.B. Nachbau einer Harfe aus dem 13. Jhd
guckst du hier
oder hier(bild zu Harp parts)

Wenn ich die Saitenlängen aus dem Saitenrechner (s.a. thread) verschieden auftrage (mal Oberkante gleich, mal Unterkante auf Linie oder Kurve) bekomme ich solche Gebilde heraus
Saiten.jpg
... die passen nur ansatzweise zu den Skizzen ... daher die Frage zur Mensur (denn, klar, wenn ich nun mal mit dem Saitenmaterial oder der Dicke oder der Mensurlänge rumspiele, kann ich sicher bei so einem nettes "S" landen ... aber bevor ich das mache, will ich eben halbwegs wissen warum / welchen Vorteil das haben könnte)
Gruß, Christof
Gründe gibt es mehrere, die ich - s.o. - durchaus in Verbindung mit der technischen Evolution sehen würde.
Deine Ideen mit den Kraftrichtungen sind natürlich richtig - die Physik der Harfe IST in den Basics Mittelstufenphysik ;-) - und genau dieser erhöhte Schub hin zum Knie führt bei den historischen Harfen mit den spitzen Winkeln dazu, dass das Knie eine schwere Schwachstelle der Konstruktion sein kann und dort auch unter Schubkräften brechen kann, wenn die Faser ungünstig läuft. (Nicht nur bei den Historischen, aber da hab ich es u.a. auch schon mal leidvoll erfahren.) Trotzdem sind ja kaum historische Harfen erhalten - irgendwann erwischt's die Klangdecke halt doch, auch das ist ja letztlich systembedingt eine statische Sollbruchstelle.

Deine "gerechneten Skizzen" würden sofort die S-Formen ergeben, wenn Du die Winkel von Corpus und Stange vorgeben würdest und dann die Saitenlängen entsprechend einpasst. Ich finde, das zeigt die Prinzipen schon sehr gut. Die 2. und 3. von rechts findest Du ja durchaus in historischen und (neo)keltischen Modellen - z.B.. bei der Sirr von Frank Sievert...
Dass sich das "S" in Richtung Bass nach unten biegt, hat im Grunde damit zu tun, dass die Saitenentwicklung (und die Entwicklung der statischen Möglcihkeiten im Bau) es ermöglichen, die Mensur so zu stauchen. Sebastian hat es ja schön erklärt: Bei gleicher Saitendicke wächst die Länge der Saiten im Tonsystem exponentiell, jede Oktave bedeutet eine Verdoppelung der Länge. Das kannst Du stauchen, indem Du die Saiten dicker machst (und vielleicht auch die Spannung etwas geringer). Damit kriegt man dann noch einen Bass und ein paar Jahre später noch einen unter, ohne dass das Monster zu gross wird.
Die nächste Kategorie ist dann der Klang: Wie sollen die verschiedenen Register klingen, wie unterschiedlich dürfen sie sein? Und macht man einen "Registerbruch", z.B. beim kleinen c oder so, mit deutlich abgesetztem Klang z.B. durch metallumsponnene Saiten oder will man das gerade nicht? Möchte man in der Höhe vielleicht mehr Brillianz, dann nimmt man etwas dünnere Saiten mit weniger Spannung, büsst aber ggf. etwas Lautstärke, Grundtönigkeit und / oder Sustain ein ? (Falls man dann nicht auch gleichzeitig nach oben hin die Klangdecke deutlich dünner macht...) Wenn man die Mensur stark staucht, d.h. die Saitendicke stark variiert und ggf. verschiedenen Materialien in Kauf nehmen muss, ist es extrem schwierig, eine gleichmässige Klangqualität hinzukriegen - was dann u.a. die sehr guten von den nur guten und mittelguten Konzertharfen unterscheidet.
Schliesslich Spielgefühl - starke Unterschiede in der Spannung gehen nicht gut in der Hand.

Bei der romanischen Harfe in dem Video von Jürgen bedenke bitte, dass der Tonumfang sehr klein ist. Das ist ja keine skalierte moderne Harfe, sondern nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was man heute normal findet, ca. anderthalb Oktaven in der hohen Mittellage. Diese Harfen sind noch bei Weitem nicht so am Rand der statischen Belastung gebaut wie das heute gemacht wird, die Saiten sind relativ dünn und leicht gespannt, das Instrument auch relativ leise. (Deshalb hat man dann ja auch bald die Schnarrhaken als Verstärker erfunden.) Bei denen ist auch die Spannung nicht gleichmässig, sondern was da in der Mensur an Kurve NICHT gemacht wird, wird durch Saitendicke und Spannung ausgeglichen. Die Saitendicke variiert auch weniger stark innerhlab des Ranges als bei moderneren Harfen.
Und: Schau mal an, wie der Hals an den korpus angesetzt ist: NICHT oben, sondern senkrecht zum Korpus. Damit verschwindet schonmal ohnehin der korpusnahe Teil der s-Kurve, da der Hals nicht für die hohen Töne nach unten gebogen werden muss.
Nur durch Harfe spielen lernt man Harfe spielen. (Aristoteles)
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