Danke Katty für deinen Beitrag.
Du beschreibst da ziemlich genau das Missverständnis, welches viele Lehrer und Musiker vom Metronom zu haben scheinen.
Besonders unter Harfenisten ist das ziemlich weit verbreitet. Wahrscheinlich deshalb weil sie selten in traditionellen Ensembles spielen und viel Literatur a Tempo geschrieben ist.
Ich habe versucht das im Motivations-Thread nebenbei zu erwähnen, auch wenn es ein wenig am Sinn der dortigen metronom-Diskussion vorbei ging.
Das Metronom ist NICHT (jedenfalls nicht ausschließlich und primär) dazu da ein Tempo vorzugeben und zu halten. Wenn es mir darum ginge müsste ich nicht selber spielen sondern würde meine Noten in den Sequenzer eingeben und Feierabend machen.
Die wichtigste Funktion vieler Metronom-Übungen (zum Beispiel des Bleistiftes) besteht darin das Mikrotiming zu schulen. Das ist eine subtile Fähigkeit, die eine gewaltige Auswikrung darauf hat wie die Musik vom Zuhörer empfunden wird und beschäftigt sich nicht damit ob du über 4 Takte hinweg deine 120 Schläge pro Minute hältst. Mikrotiming beschreibt das Verhältnis von Notenwerten zueinander und zum momentanen Puls der Musik. Und im erweiterten Sinne auch die "Tigthness", daher die Frage wie präzise ich ein musikalisches Ereignis platzieren kann.
Du kannst dir eigentlich jeden Profi oder Virtuosen als Beispiel nehmen. Wenn wir mal speziellere moderne Musikrichtungen wie z.b. Serielle Musik heraus nehmen spielt natürlich kein Mensch "wie ein Uhrwerk" wenn er z.b. ein emotionales Stück vortragen möchte.
Und ich kann dir trotzdem garantieren dass du in einer ritardierenden a Tempo-Stelle als Zuhörer sofort erkennst welcher Musiker ein sicheres Mikrotiming hat und wer nicht.
Das Problem ist dass es eben leicht ist sich einzubilden man habe ein gutes Gefühl für Rhythmus - aber wenn man als Maßstab dafür nur sein eigenes Rhythmusgefühl hat wird die Einschätzung arg wackelig.
Ich nehem mal ein konkretes Beispiel. ich spiele eine Ballade und am Ende des 12-Taktigen Schemas vor der Bridge kommt eine Stelle in der ich das Tempo rausnehme um den Kontrast nochmal zu erhöhen und vielleicht hat der Text auch gerade einen Höhepunkt und es "fühlt sich einfach richtig an jetzt etwas zu verzögern".
Während ich langsamer werde habe ich trotzdem immer ein ganz klares Verständnis wo der Puls der Musik gerade ist und wie das Tempo graduell sinkt.
Das heißt auch dass ich das ganze jederzeit reproduzieren kann und Achtel trotzdem klar als Achtel erkennbar sind und alles in allem das ganze flüssig beim zuhörer ankommt.
Noch spannender wird es wenn ich mit einer Band spiele und die gemeinsam langsamer wird. Ohne ein klares Verständnis vom Mikrotiming ist das bestenfalls eine mäßig koordinierte Katastrophe.
Wenn ich das Rhythmische Feeling eines Songs verändern will muss ich dazu erstmal ein klares Verständnis vom Ausgangspunkt haben. Nur wenn ich dem Zuhörer vorher ein Bild vom Puls vermittelt habe kann ich langsamer oder schneller werden und den entsprechenden Effekt fühlbar machen.
Ich kann auch nur Laid-back spielen wenn mir der Puls der Musik klar ist.
Erfahrungsgemäß ist das aber eine der größten Schwächen der meisten Musiker und etwas woran man arbeiten muss. Das ist niemanden angeboren - auch nicht den Brasilianern ;)
Üben mit dem Metronom hat die Funktion dich rhythmisch unabhängig zu machen - nicht dich an ein Uhrwerk zu ketten
Wenn ich das, was ich spiele (z.b. diese eine Laid-Back Passage) nicht gegen ein Metronom spielen kann weil mich das "ablenkt" oder "raus bringt" ist das ein deutliches Zeichen dafür dass ich eben nicht unabhängig bin und dass mein Körper den Puls den ich mir selbst gesetzt habe nicht halten kann.
Daher ist es auch - abgesehen von Einstudierungen - nur wenig sinnvoll sich das Metronom auf Achtel oder Viertel zu stellen und darüber endlos seine Passagen und Etüden zu üben. Dann benutze ich das Gerät wirklich nur als Uhr. Was legitim ist wenn ich z.b. langsam und kontrolliert ein Tempo steigern will, oder das Feel eines Tempos verinnerlichen will. Aber das trainiert nicht unabhängigkeit, um die es mir vor allem anderen geht.
Daher arbeiten viele Metronom-Übungen damit den Notenwert des Metronomschlages zu vergrößern und verschieben.
Ich habe auch die oben genannte Diskussion im "Motivations"-Thread etwas erstaunt verfolgt, besonders die Bleistift-Übung. Da denke ich, ich möchte doch nur Musik machen!
Mein Coach hat damals mal zu mir mal folgendes gesagt: "Kochen findet auch nicht ausschließlich am Kochtopf statt" ;)