Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Oliver

Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von Oliver »

Hallo Cecilia,

ich denke, André von der Klangwerkstatt kann sicher den Kontakt zu einem/r HarfenspielerIn mit Chromatischer Harfe der Klangwerkstatt herstellen. Ruf ihn einfach mal an. Dann kannst Du die Harfe selbst einmal live hören und vielleicht auch ein wenig ausprobieren. Das ist in jedem Fall besser, als sich Klangbeispiele im Internet anzuhören.

Viele Grüße
Oliver
annunziato
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von annunziato »

Hallo Cecilia,
bist Du denn sicher, dass Du weisst, was für eine Sorte chromatische Harfe Du genau möchtest?
wenn Du von klassischen Klavier- und Gitarrenspiel herkommst, könnte die historische italienische oder spanische Form der chromatischen Harfe (Anordnung der Saiten wie auf dem Klavier, also mit diatonsicher und chromatischer Reihe) für Dich auch interessant sein und weniger schwer zu lernen. Hängt z.T, davon ab, was Du mit dem Instrument machen willst.
Für die Sachen, die meistens auf der Chromatischen vorgeführt werden, also alte Spanier und Lautenkomponisten, ist die historische Harfe aufgrund der Logik des Tonsystems meistens praktischer und die Fehler klingen nicht so schräg. Für Barockmusik und vor allem Continuo sowieso, schon auch wegen der Spielweise und er Möglichkeit, etwas prägnantere Bässe zu machen, da man die näher am Resonanzboden spielen kann (und sollte!).
Solltest Du Vollchromatik mit sehr viel Tonartwechseln, ggf. echte Atonalität, die über Pfefferminzakkorde hinausgeht, versuchen wollen, kann die 6/6 eine interessante Wahl sein. Nur habe ich noch niemanden gesehen, der/die sowas überzeugend machen würde, vielleicht gibt's ihn/sie aber.
"Echter" vollchromatischer Jazz (Musterbeispiel "all the things you are", quer durch den Quintenzirkel mit enharmonischer Verwechslung) mit Improvisationen, die quer durch den Quintenzirkel gehen, gehen trotz allem auf der Pedalharfe ohnehin besser, ebenso wie Impressonismus... Da wäre die kleinere chromatische 6/6-Harfe der finanzielle Kompromiss. Wobei ich daran zur Zeit mit meiner Tripelharfe sitze und es sehr interessant ist, was mit hinreichender Geduld und Bearbeitung so alles geht - das wirklich Nette ist, dass das wegen der mehreren zur Verfügung stehenden Töne in sehr viel reinerer Stimmung als mit Klavier oder Pedalharfe geht und nochmal ganz andere Farben rauskommen. Aber das ist ein anderes Thema...

Jedenfalls wünsch ich Dir eine gute Wahl und einen guten Einstieg.
Gruesse aus dem Schnee auf 1200 m Höhe - a.
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bastian
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von bastian »

annunziato hat geschrieben:Wobei ich daran zur Zeit mit meiner Tripelharfe sitze und es sehr interessant ist, was mit hinreichender Geduld und Bearbeitung so alles geht - das wirklich Nette ist, dass das wegen der mehreren zur Verfügung stehenden Töne in sehr viel reinerer Stimmung als mit Klavier oder Pedalharfe geht und nochmal ganz andere Farben rauskommen.
Hallo annunziato,

das interessiert mich, da hake ich mich doch mal ein. Kannst Du mir das mit den mehreren zur Verfügung stehenden Tönen genauer erklären? Hast Du die linke Seite anderes gestimmt als die rechte? Ich dachte, das könnte nicht funktionieren, weil automatisch Schwebungen entstehen.

Grüße,
Sebastian
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annunziato
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von annunziato »

Hallo Sebastian,
das freut mich ja sehr, dass dich das interessiert :-)
Es gibt hier zwei Möglichkeiten: Einmal hat die historische chromatische zwei "freie" chromatische Saiten (zwischen e und f sowie zwischen h und c). Je nach Harfe und Musik und Praktikabilität kommen da schon mal unterschiedliche Töne rein, bei meiner Tripelharfe zwischen e und f meistens dis (das es ist zwischen d und e, da man das in der alten Musik häufiger braucht). Zwischen h und c kommt je nach Bedarf ais oder as (auch wenn das dann meist schon etwas schlapp ist). Damit kommt man also schon ziemlich weit in der Quintenspirale (für "all the things you are", in fis angefangen, geht's ganz gut, in es bin ich noch nicht zufrieden, und das braucht man ja meist für Bläser). Wenn's noch schlimmer kommt, kann man noch Unterschiede zwischen den diatonischen Reihen machen (h-ces und f-eis oder b-ais und evtl. fis-ges). Dann muss man aber zwischendurch mal die Hände vertauschen und kann nicht mehr alle Höhen auf beiden Seiten spielen, was ja im Prinzip der Vorteil der Tripelharfe ist. Das mit den Schwebungen ist nicht ganz so schlimm, da der Unterschied zwischen h und ces, wenn man versucht, einigermassen "rein" rumzukommen, ziemlich gross ist (ähnlich wie zwischen es und dis, das ist fast ein Viertelton und deutlich hörbar). Das ist schon mehr als Mikrotonalität, dadurch werden die Saiten beim Spielen der "anderen" Saite kaum angeregt und es gibt kaum Schwebungen. Bloss ein paar Knoten im Hirn beim Üben. Aber dafür übt man ja.
Aber auch das hat Grenzen - man kommt sozusagen "hin und wieder zurück" - aber nicht wieder und wieder rum - dann würde man unweigerlich irgendwann halbe Töne höher oder tiefer landen, was mit Harfen nun beim besten Willen nicht geht. (Es gibt m.W. einige Chorstücke von Orlando die Lasso und Gesualdo, die mit diesen Effekten spielen.) Zumal die "Pfefferminzakkorde", insbesondere die Vierklänge, nicht "wirklich rein" sein dürfen - dann kommt man ggf. nicht mehr in alle vier Richtungen weiter, sondern nur noch in zwei oder drei bevorzugte, da die anderen sonst zu "schräg" bzw. "weit" weg erscheinen. Also eher Sechstelkomma als strikt mitteltönig. (Aber Viertel- und Sechstelkomma geht sowieso für sehr vieles sehr gut und ist einfach zu legen.)
Damit kommt man schon sehr an die Ränder des Instruments - Kategorie "was sonst noch so alles ginge" oder "wie zweckentfremde ich mein Instrument"... Aber natürlich ist das sehr interessant - das ist ja gerade das, was mit Pedalharfen kaum geht. Auch wenn man dann für ein einziges Stück jeweils eine ziemlich diffizile "Temperatur" legen muss. Aber wenn man das erstmal kennt, will man es ja nicht mehr anders. Ich hoffe ja, dass ich mal eine Gambe oder Barockvioline dazu bekomme, das mitzumachen. Vorerst geht's mit Selbersingen, das ist am einfachsten, das ist auch selten gegeneinander verstimmt ;-).
Übrigens ist es auch bei Schumann und Wolf sehr interessant, was dabei rauskommt, wenn man etwas reiner stimmt. Zumal Ross Duffin sagt, dass die damals auch in praxi noch längst nicht bei gleichschwebender Temperatur angelangt sind (noch nichtmal Chopin). So, Ende Exkurs, wir müssen doch mal einen Thread über Stimmungen und Temperaturen aufmachen... aber den lesen dann ja nur die Freaks...
Grüsse aus den Bergen a.
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bastian
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von bastian »

Hallo annunziato,

dass die Triple auch da Halbtonsaiten hat, wo sie eigentlich nicht gebraucht werden :_wink_: , wusste ich gar nicht. Hab aber auch noch nie eine live gesehen.

Sehr interessant, was Du schreibst. Danke.

Sebastian
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Cecilia
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von Cecilia »

@ Oliver,
daran, direkt Kontakt aufzunehmen (ohne eine Harfe in Auftrag zu geben), hatte ich noch nicht gedacht. Ich dachte ich schau mich erstmal um, was ich will. Ist aber eigentlich ne gute Idee, mir einen Spieler der chromatischen Harfe zu suchen. Also, wenn das in der Szene so üblich ist, dass man sich mit Null Harfenerfahrung an wildfremde Menschen wendet, damit sie das Instrument vorführen. Finde ich eigentlich gut.


@ Annunziato
Also, ich glaube schon, dass ich eine 6/6er Chromatische Harfe brauche.
Ich bin in erster Linie Pianistin und ich wurde im Unterricht sehr im klassisch-romantischen Repertoire gedrillt. Beim Improvisieren bevorzugte ich meist die Tonarten, die mir besonders vertraut sind, auch wenn ich mich im Transponieren recht fit gemacht habe.

Dann kam ich kurz vor meinem Studium zur Gitarre. Dabei stellte ich fest: Das ist ja super, gleicher Abstand auf dem Griffbrett (naja, vielleicht eher gleiche Bundanzahl) ist wirklich ein gleiches Intervall. Das war für meine Ohren eine Offenbarung, kam irgendwie logischer rüber. Aber letzten Endes war mir das mit der Gitarre zuviel Gefummel, auch die Haltung ist mir nicht so angenehm, war ein eher stiefmütterlich behandeltes Zweitinstrument. Auch hatte ich ein Problem mit dem Ausnahmeabstand von der g-Saite zur h-Saite, der die schöne Logik störte.
Ich habe auch ein bißchen auf dem Cello und der Geige rumgekratzt, weil die für die Ohren auch so vernünftig aufgebaut und gestimmt sind (Saiten jeweils im Quintabstand), aber ein Streichinstrument wollte ich in meinem Alter dann auch nicht mehr ernsthaft lernen.

Es hat mich irgendwie begeistert, dass es ein Instrument gibt, das die Oktave wirklich in 12 gleiche Abstände teilt. Ich baue darauf, dass meine Ohren das kapieren und sehe das als neues, interessantes Experiment. Ich hoffe, mich ausschließlich über die Ohren orientieren zu können und möchte gar nicht groß nach Noten spielen.
Daher reizt mich die 7/5 chromatische Harfe nicht so sehr. Dann würde ich ja wieder das gleiche wie auf dem Klavier machen. Auch hoffe ich, musikalische Strukturen besser zu kapieren.

Hinzu kommt, dass ich auch eine Vorliebe für harmonisch eher komplexe Musik entwickelt habe. Was ich damit meine? Naja, z.B. Folgende zwei Beispiele:

Scriabin, Quatre Préludes op. 22 Nr. 2 (3 ist übrigens auch toll):
http://www.youtube.com/watch?v=MnLVXpVa ... re=related

Ich frage mich, ob man dieses Stück auf der chromatischen Harfe spielen kann. Ich stelle mir den Klang mit Harfe irre vor...

Zweites Beispiel:
Alban Berg: Klaviersonate
http://www.youtube.com/watch?v=be5sBMqmT_U

Das dieses Stück auf der Harfe nicht geht, ist klar, das ist zu kompliziert.

Aber wenn ich auch selbst Musik schreibe, sind da nachher meist auch wilde Modulationen drin. Würde man' s korrekt aufschreiben , wären das dann ständig Doppelbe's und Doppelkreuze.

Grüße,
Cecilia

P.S. Barocke Musik oder keltische Musik gefallen mir auch, aber wieso soll man nicht alles haben können?
Überlege aber außerdem, die Harfe in der Kirchenmusik einzusetzen...
annunziato
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von annunziato »

Hallo Cecilia,
entschuldige, aber jetzt möchte ich dich doch einmal vor einer potenziell grossen Enttäuschung bewahren. Die Teilung der Oktave in zwölf gleiche Intervalle ist nur logisch, wenn man die Mathematik und Physik des Tonsystems und der Hörphysiologie nicht kennt und glaubt, dass gis und as der gleiche Ton ist. (Ziemlich technokratisches Konzept, stammt ja kulturhistorisch auch aus dem Zeitalter der Industrialisierung.) Bitte entschuldige, dass ich hier so hart bin. Wenn du auf einer kleinen, von einer modalen Harfe abgeleiteten chromatischen Harfe mit relativ leichtem und silbrigem Klang (im Vergleich zur schwer gebauten Pedalharfe) Skriabin spielen möchtest, wirst Du klanglich keinen Spass haben, und zwar aus folgendem Grund:
Die - aus meiner sicht klanglich zumeist gut gelungenen - chromatischen 6/6-Harfen haben ein Spektrum mit ziemlich vielen reinen Obertönen. Für Skriabin wirst Du eine gleichschwebende Temperatur benötigen (das ist die Stimmung, die Du vom Klavier her kennst und von der Du glaubst, dass die Oktave in 12 gleiche teile teilbar sei). Das führt dazu, dass die Harfe in sich schwebt und keinen stabilen Klänge produziert, sondern praktisch bei jedem gespielten Intervall, besonders Quinten und Terzen, eine Schwebungswolke um sich herum hat. Das heisst, der klangliche Vorteil der chromatischen Harfe ist weg. Es sei denn, Du kannst Dir das alles "weghören", weil Du vom Klavier her nichts anderes kennst.

Meine persönliche Erfahrung ist hier, dass man in der Tat mit der Harfe nicht alles haben kann, sondern nur mit verschiedenen Harfen verschiedene Ausschnitte aus der Musikgeschichte - oder, wie ich Bastian erklärt habe, eben sehr viel Arbeit, wenn man eine nichtpassende Harfe passend machen will. genau für so chromatisches Zeug ist es dann eventuell praktisch, wenigstens ein par Töne mehr in der Skala zu haben, um ein bisschen was vom schönen Klang zu retten. Versuch mal Skriabin auf dem Cembalo zu spielen, das kommt grässlich, genau wegen des stark rein obertönigen Spektrums. Da sind dann die geteilten Tasten auf dem Cembalo schon hilfreich.
Wenn man Vollchromatik, Pfefferminzakkorde, Atonalität und enharmonische Verwechslungen spielen möchte, sollte man Instrumente nehmen, die darauf auch von der Klangstruktur - also mit anharmonischem Obertonspektrum wie Klaviere und Pedalharfen - ausgerichtet sind. Sonst hat man keinen Spass - oder kann sein Gehör nicht nach den Möglichkeiten weiter entwickeln, die die Harfe bietet.
Wenn du dich also in etwa zwei Jahren, wenn du dich der Musik die du machen möchtest, näherst, und es ist "alles irgendwie komisch", sag nicht, niemand hätte dich gewarnt.

Umgekehrt ist es ja auch so: wenn man heute Barock- und Renaissancemusik mit gleichschwebend temperierten und anharmonisch gespekterten Klavieren und Pedalharfen spielt, nimmt man sich sehr viel von dem Spass. Wenn du mal mit einem gut gestimmten Cembalo zusammenspielen möchtest, wird das schwierig und unbefriedigend. Aber vielleicht bist du so gleichschwebend gepolt, dass dir das nichts ausmacht, das ist ja bei Tausenden von Musikern so, die eine solide konventionelle Ausbildung durchlaufen haben und denen nichts fehlt. Falls du dich drauf einlässt, dich mit dem Tonsystem und Stimmungssystemen auseinanderzusetzen, stehen dir allerdings ein paar interessante Erfahrungen bevor! Die Harfe mit der Möglichkeit und dem Zwang, dauernd gestimmt werden zu wollen, fordert das eigentlich heraus.

Und nun alles Gute auf den Weg, frohes Suchen und Ausprobieren und Verzauberung durch die Harfen!

a.
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von Cecilia »

Richtig, das pythagoreische Komma!
Mir ist bekannt, dass auf der Geige der Ton gis und der Ton as nicht übereinstimmen. Und dass Geiger bei Kammermusik gelegentlich Probleme haben, sich an die Stimmung des Klaviers anzupassen.
Ich habe mich als Pianistin halt daran gewöhnt, dass diese Töne für mich identisch sind. Die gleichschwebende Temperatur hört sich für mich nicht "falsch" an.
Sicher hast du Recht mit den Obertönen, aber wie soll ich das schon beurteilen. Ich habe halt noch nie Harfe gespielt.
Danke jedenfalls für deine Hinweise. Ich denke, ich solle mal so ein Harfenfestival oder sowas besuchen, um mich selbst zu überzeugen. Hast du denn einen besseren Instrumententipp?
Wie genau stimmt ihr Eure Instrumente?
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von ClarSach »

annunziato hat geschrieben:<...>Die - aus meiner sicht klanglich zumeist gut gelungenen - chromatischen 6/6-Harfen haben ein Spektrum mit ziemlich vielen reinen Obertönen. Für Skriabin wirst Du eine gleichschwebende Temperatur benötigen (das ist die Stimmung, die Du vom Klavier her kennst und von der Du glaubst, dass die Oktave in 12 gleiche teile teilbar sei). Das führt dazu, dass die Harfe in sich schwebt und keinen stabilen Klänge produziert, sondern praktisch bei jedem gespielten Intervall, besonders Quinten und Terzen, eine Schwebungswolke um sich herum hat. Das heisst, der klangliche Vorteil der chromatischen Harfe ist weg. Es sei denn, Du kannst Dir das alles "weghören", weil Du vom Klavier her nichts anderes kennst.

Meine persönliche Erfahrung ist hier, dass man in der Tat mit der Harfe nicht alles haben kann, sondern nur mit verschiedenen Harfen verschiedene Ausschnitte aus der Musikgeschichte - oder, wie ich Bastian erklärt habe, eben sehr viel Arbeit, wenn man eine nichtpassende Harfe passend machen will. genau für so chromatisches Zeug ist es dann eventuell praktisch, wenigstens ein par Töne mehr in der Skala zu haben, um ein bisschen was vom schönen Klang zu retten. <...>


a.
Annunziato, vielen Dank für deine Informationen! Jetzt verstehe ich besser was ich manchmal hörte, aber nicht zu deuten wusste.
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Re: Saitenanordnung/ Links Chromatische Harfe

Beitrag von annunziato »

Cecilia hat geschrieben:Richtig, das pythagoreische Komma!

Mir ist bekannt, dass auf der Geige der Ton gis und der Ton as nicht übereinstimmen. Und dass Geiger bei Kammermusik gelegentlich Probleme haben, sich an die Stimmung des Klaviers anzupassen.
Ich habe mich als Pianistin halt daran gewöhnt, dass diese Töne für mich identisch sind. Die gleichschwebende Temperatur hört sich für mich nicht "falsch" an.
Sicher hast du Recht mit den Obertönen, aber wie soll ich das schon beurteilen. Ich habe halt noch nie Harfe gespielt.
Danke jedenfalls für deine Hinweise. Ich denke, ich solle mal so ein Harfenfestival oder sowas besuchen, um mich selbst zu überzeugen. Hast du denn einen besseren Instrumententipp?
Wie genau stimmt ihr Eure Instrumente?
Und das syntonische Komma und noch so ein paar Feinheiten. Ja, schade, dass man im konventionellen klavierzentrierten Studium so gar nichts übers Tonsystem lernt und das Gehör nicht ordentlich geschult wird. Da haben die Technokraten einen guten Job gemacht. Ich wünsche dir sehr, dass du Lust hast, dich mit der Harfe auf solche Fragen einzulassen und dabei einige Entdeckungen machst. Ich hab zwar gehört, dass man auch mit den Elefantenterzen und schiefen Quinten der gleichschwebenden Stimmung glücklich werden kann, aber so richtig glaub ich's nicht...

Im Ernst: Die meisten hier werden nach Stimmgerät gleichschwebend stimmen. Interessanterweise stimmt man nach Gehör meistens reiner (auf jeden Fall die Quinten) als gleichschwebend, weil gleichschwebend keine intuitiven Anhaltspunkte macht. Klavierstimmer lernen ja Schwebungen zwischen Obertönen zählen, was für ein Konzept ;-) Aber ich habe mit Freude gesehen, dass einige auch was anderes ausprobiert haben. Moderne Stimmgeräte bieten ja mittlerweile auch andere Temperaturen an.

Wenn Du wirklich wild auf "echte" Zwölftönigkeit bist, für die die 6/6 spieltechnisch theoretisch ein paar Vorteile bieten könnte, solltest Du tendenziell ein Instrument wählen, das schwer gebaut ist und an den grundtönigen, in den anharmonischen Obertönen vergleichmässigten (sozusagen etwas "pianistischen") Klang der Pedalharfe angelehnt ist, auch nicht zu langen Sustain hat. Die eher "keltischen" kleineren wären möglicherweise ungeeigneter. Aber letztlich musst du das auch selbst rausfinden. Jedenfalls würde ich tatsächlich ein Harfenfestival mit Ausprobier- und Zuhörmöglichkeit empfehlen, eventuell die Tour mit einem etwas versierteren Harfenspieler bei Harfenbauern vorbei machen und besser erst ein oder zwei Mietinstrumente nutzen, bis du genauer weisst, was Du willst, ob Du eine Chance siehst, zu verwirklichen was Du willst und ob Du dabei bleiben wirst. Ich könnte mir ja sogar vorstellen, dass für Deine Zwecke die Einfach- oder Doppelpedal-Harfe auch in Frage käme, auch wenn sie nicht die Vollchromatik aktual zur Verfügung hat, dafür aber virtuell erlaubt und insbesondere Tempo- und Klangeffektoptionen hat, die die Chromatische 6/6 nicht hat (Du kannst z.B. kein Glissando in einer "normalen", aus kleinen und grossen Sekunden zusammengesetzten Skala machen). Auf jeden Fall solltest du versuchen, dir die von dir angestrebten "wilden" Modulationen und vielleicht auch Intervallkombinationen zum Testen zusammenzufummeln und vorführen zu lassen, um rauszukriegen, wie das klingt. "Normale" Probespiele mit funktionalharmonischen Arpeggios und keltischen Stücken werden dir da nicht weiterhelfen.

Ob die Teilung der Oktave in 12 "gleiche" Teile (um den Preis der 12. Wurzel aus 2) Dir wirklich mehr intuitives Verständnis des "Systems Musik" verschafft, würde ich als Hypothese mit starker Falsifizierungsoption lassen. Die daraus theoretisch abgeleitete Halbierung der Oktave ist der Tritonus, und der ist alles andere als intuitiv und heisst nicht umsonst Diavolus in musica. Ich denke, die Intuition beim Umgang mit Musik hat viel mit Obertönen und Kombinationstönen zu tun. You can't beat or argue physics.
Es hat ja Gründe, dass sich die Zwölftönigkeit nicht lange gehalten hat und die Neue Musik immer noch über tonale Richtungen verfügt sowie als Gegenpol dazu weniger "Atonalität", sondern eher "Geräuschhaftigkeit" weiterentwickelt hat.


P.S.: Ich selbst stimme als "Historiker" nach Bedarf: Die gotische Harfe schonmal pythagoreisch, wobei die grosse Terz eine Dissonanz ist, die Doppelharfe zumeist ein leicht aufgeweichtes Mitteltönig, die barocke Tripelharfe Viertel- oder Sechstelkomma. Damit gehen Bachpräludien, -fugen und -sonaten ganz wunderbar. Wenn der Riss an der romantischen Tripelharfe (jemals) wieder repariert ist, werde ich dort etwas romantischere Stimmungen ausprobieren, da der Klang gut für Schumann- und Strauss-Lieder ist. Ob das mit der mittlerweile erworbenen "Reinheits-Verwöhnung" allerdings auszuhalten ist, ist dann auszuprobieren...
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