Dämpftechnik auf Darmsaiten

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ThomasZ
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Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von ThomasZ »

Ich habe mir gerade noch einmal den Artikel von Mara Galassi über die Tripelharfen in den Veröffentlichen der Schola Cantorum durchgelesen und bin wieder einmal über die Stelle mit dem Dämpfen gestolpert:

"After plucking a string with a finger one must damp it ... if one has a passage with 32nd notes one must actually make 64 movements in order that each note is damped"

Sie zitiert dabei eine zeitgenössische Quelle, Bartolomeo Giovenardi "Tradato de la Mussica" 1643.

Für mich klingt das nach einem sehr rigiden Dämpfungsregime, das ich so nur von den Clarsachs kenne. Sollte man die Clarsachstechnik also auch auf den Darmsaitenharfen anwenden?
Würde sich nicht wirklich gut mit den Fingersätzen im "Luz y Norte" vertragen. Ich kenne auch keine/n nahmhafte/n
Harfenistin/en die eine solche Dämpfungstechnik spielt. Mara Galassi hab ich bisher noch nicht life gesehen.

Wie haltet ihr es denn mit dem Dämpfen?

Viele Grüße, Thomas
annunziato
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von annunziato »

Gute Frage. Ich mache es situationsabhängig. D.h. insbesondere bei chromatischen Durchgängen oder Verzierungen mit kleinen Sekunden ist es recht sinnvoll, abzudämpfen, damit die Musik transparenter wird. Bei schnelleren Tonleitermotiven mach ich es weniger.
In den Bässen ist es schon mal recht sinnvoll, um Schnarrer zu vermeiden.
Ausserdem bei harmonisch komplexeren Akkordwechseln oder -entwicklungen.
Aber letztlich sind es auch Ausdrucksfragen - manchmal möchte man Prägnanz haben, manchmal eher Weichheit, und entsprechend fummelt man sich das Dämpfen raus. Technisch kann es praktisch sein, das mal eine Zeitlang in Läufen zu üben - hilft ja auch beim Fingereinsetzen und bei der Orientierung.
Und nein, Mara Galassi dämpft auch nicht jeden Ton!
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ThomasZ
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von ThomasZ »

Vielen Dank für die Tipps. Ich habe mir jetzt mal vorgenommen rauszufinden, wie weit ich mit der Clarsachtechnik und den Fingersätzen auf den chromatischen Harfen komme.
Insbesondere die Fingersätze sind schon erheblich anders: 1-3 bei aufsteigenden, 2-4 bei absteigenden parallelen Intervallen (auch den Oktaven), bei Abwärtsläufen nicht auf den Daumen sondern Zeigefinger "übersetzen", entsprechend bei den Aufwärtsläufen ... oder entgehen mir da einige Tricks?
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merit
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von merit »

Hallo, lieber Thomas, das macht mich alles sehr neugierig!! Kannst Du es mir genauer erklären? Wie ist der Satz:

"1-3 bei aufsteigenden, 2-4 bei absteigenden parallelen Intervallen (auch den Oktaven)"
konkret zu verstehen? Aufeinanderfolge von z.B. Terzen, wenn sie absteigend ist, immer mit Daumen und Mittelfinger spielen? Oder ganz was anderes?

Kommt oben beschriebene Technik aus dem besagten Artikel von Mara Galassi?

Hat das "Luz y Norte" Fingersätze?

Liebe Grüße, Merit Zloch
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von annunziato »

Hier sollte man vielleicht Fingersatz und Dämpftechnik nochmal gut unterscheiden.
Die Fingersätze hängen in der Alten Musik einerseits von der Epoche ab (gotische Harfe wird nach der "kanonischen reinen Lehre" ;-) hauptsächlich mit 1,2, ab und zu auch 3, gespielt), andererseits von den Betonungen.

Was man bei ALK auf der Doppelharfe als erstes bei Tonleitern lernt, ist rauf 32-32-32-32- (schwer-leicht-schwer-leicht etc.), runter 1-2-1-2-1-2- (schwer-leicht-schwer-leicht). Für die schweren ("guten" in der entsprechenden Nomenklatur) Zeiten werden 1,3,5 verwendet, für die leichten (schlechten") 2 und 4. Gilt für C-Dur, beim Durchgreifen auf der Doppelharfe gibt's dann jede Menge Ausnahmen aufgrund der Fummelei.
Das lässt sich natürlich nicht immer durchhalten, hilft aber sehr beim "groove" (das wär ja auch was für Merit). Man "läuft" jeweils so ein bisschen mit den zwei Fingern über die Saiten.

Ausserdem gehört zur Handhaltung (darüber hast du ja selbst kürzlich geschrieben) nah am Resonanzboden dann auch in den früheren Epochen, dass wenn, dann der Daumen _unter_gesetzt wird - eine Folge der lockeren runden Hand. Bei barocken Tripelharfen muss das übrigens nicht mehr so sein, da streiten sich die Gelehrten etwas, und die Kundigen der Lautentechnik weiten darauf hin, dass im Barock mit den grösseren Lauten auch das Verhältnis von Daumen zu Fingern sich in der Haltung änderte.

Wenn man das mit den Tonleitern hat, kann man dann mal ein paar Verzierungen probieren, z.B. Sechzehntel chchchahc (ganz selbstverständlich mit 123), das dann gern auch mit g fis g fis g fis e fis g... (124).
Jedenfalls hängt von diesen Fingersätzen auch sicher die Dämpftechnik ab. Also hier sollte man evtl. vorsichtig sein bei der Übertragung der Clarsachtechnik und eher was Neues rausfummeln. (Oder mal einen Kurs bei ALK mitmachen und ihn genau befragen - leider fiel sein letztes Angebot in Michelstadt mangels genügend Teilnehmern aus!).
Hier ist bestimmt eine Menge Stoff zum Vertiefen!

Frohes Testen
a.
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merit
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von merit »

Ich danke Dir, oh Erschaffer dieser Rubrik, noch einmal :-) ;-) !

Jetzt kriege ich hier einen online-crashkurs :-) Nebenbei bemerkt würde ich SOFORT in einen derartigen Kurs kommen, wenn
A: Nicht flüssiges Blattlesen vorausgesetzt wird, woran es bei mir immer scheiterte
B: Ich an dem Wochenende/in der Woche Zeit habe... :-( - jetzt wird´s bei mir noch schwieriger, da ich momentan als Musikerin (Wochenende) und Archäologin (Woche) arbeite...puh!

Wie auch immer:
Sehr, sehr interessant. Ich hatte in einige Aspekte der Materie vor Jahren einmal bei Bill Taylor hineingeschnuppert, war aber da in meinem Musikverständnis noch lange nicht so weit, es verwenden zu können/zu wollen.
Das es jetzt nicht mehr ums Dämpfen geht, ist (mir) klar, trotzdem danke.

>Wenn man das mit den Tonleitern hat, kann man dann mal ein paar Verzierungen probieren, z.B. Sechzehntel chchchahc
>(ganz selbstverständlich mit 123), das dann gern auch mit g fis g fis g fis e fis g... (124).

Alles verstanden, bis auf das konkrete Beispiel, sorry: Ist gemein c1 h2 c3 h1 c2 h3 etc.? und (ist hier chromatische Harfe gemeint?) g1 fis2 g4 fis1 g2 fis4 etc.?

Und ganz zum Schluß interessiert mich natürlich die Quelle für Derartiges immer noch brennend. Gibt es konkrete Schulen? Oder ist die beschriebene Technik von etwas "hergeleitet"?
Oder mal einen Kurs bei ALK mitmachen und ihn genau befragen - leider fiel sein letztes Angebot in Michelstadt mangels genügend Teilnehmern aus!).
So ein Müll. Ich WUSSTE nicht einmal davon....!

Herzliche Grüße und nochmals danke, Merit
ThomasZ
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von ThomasZ »

Hallo Merit,

das was annunziato beschrieben hat findest du in sehr kompakter Form in ALKs Buch "Der Harpfenschläger". Das findet sich mit einigen anderen Büchern zur historischen Clarsachtechnik auf der Seite von Simon Chadwick.
http://www.earlygaelicharp.info/books/tutor.htm
Da gibt's auch einige Videos zu den Basistechniken auf der Clarsach.

Im Luz y Norte gibt es tatsächlich Fingersätze, die genau der von ALK propagierten Technik entsprechen. Vermutlich hat er sie von da (obwohl da 1212 für rauf und 3232 für runter verwendet werden, ich finde, beide Varianten funktionieren recht gut). Eine Ausgabe mit Fingersätzen bietet Astrid Nielsch auf ihrer Homepage an.

http://www.asni.net/ribayazorder.php

Die Technik funktioniert sehr schön auch wenn man sich ein bisschen umgewöhnen muss. Sie ist sehr verwandt mit der Renaissancelaute, die viel von den schwer-leicht Kontrasten lebt (ich spiel Thumb under aber wegen der Fingernägel auch auf der Barocklaute und der Theorbe und es klappt sehr gut).
Mein Problem ist, dass sich diese Technik für meine Finger sehr schlecht mit ausgiebigem Dämpfen verträgt. Für meine Ohren hört und sieht man das auch, wenn ALK Clarsach spielt. So sehr ich ihn auf allen anderen Harfen bewundere, aber seine Clarsachtechnik überzeugt mich nicht wirklich, da ist finde ich Ann Heymann das Maß der Dinge.
Anderseits nimmt die Clarsachtechnik zu wenig Rücksieht auf das schwer-leicht. Und das jetzt unter einen Hut zu bekommen, finde ich nicht ganz einfach.

lch werd auf jeden Fall weiter probieren und versuchen dieses Jahr zur Scoil zu fahren, da wären dann alle beeinander.
http://www.irishharpschool.com/tutors.htm

Das finde ich ja auch deprimierend, dass ich von ALKs Kurs nichts mitbekommen habe. Wir sollten mal eine Mailingliste einrichten, vielleicht kriegen wir ja genügend Leute zusammen, um einen Kurs zu organisieren.

Ach so, mit 2-4 abwärts meinte ich, dass man auf der Clarsach u.a. bei abwärts laufenden Intervallen (Terzen, Quinten bis Oktaven) mit Zeige- und Ringfinger spielt, damit man mit Daumen und Mittelfinger die vorher gespielten Töne wieder abdämpfen kann. Entsprechend dann 1-3 aufwärts, dämpfen dann mit Ringfinger und thumb rest stroke.

Herzliche Grüße, Thomas
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von annunziato »

Ja, die Variante 1-2 rauf und 3-2 runter gibt's auch noch - ich hab das im Lauf der Zeit aber tatsächlich als eher unpraktischen "Kreuzgang" erlebt. Ist eher eine Hilfe, um sich das schwer-leicht und die Zuordnung der Finger ins Hirn und die Physiologie zu laden.

Merit: sorry, wenn's verwirrend war - es ist viel einfacher. Bei der cha-Verzierung sind die Finger, wie man das sonst gewohnt ist (c1 h2 a3), da geht es eher darum, den groove gut zu spüren, also die Schwerpunkte auf der Eins der jeweiligen Sechzehntelgruppe gut rauszuholen. Bei g-fis-e meinte ich die chromatische Harfe, da ist es manchmal ganz praktisch, g1 fis2 e4 zu probieren, da die Hand dann lockerer bleibt. Es gibt aber auch Leute, die empfehlen, für Trillerartige Verzierhungen g2 fis 1 (bei untergesetztem Daumen) zu probieren, da sich das Dämpfproblem dann von selbst erledigt. Bei mir funktioniert das allerdings nicht besonders gut. die Hand muss dann schon sehr "von unten" kommen, d.h. die Finger zeigen dann nach oben wie auf den alten gotischen Bildern. Das finde ich bei der Doppelharfe nicht praktisch, wenn man nah am Resonanzboden spielt, und ALK macht's auch nicht (nicht dass wir hier einen Fanclub machen müssten, andere haben das Spiel auf der chromatischen Harfe auch weiterentwickelt, aber er hat viel gut Funktionierendes rausgefummelt).

Astrid Nielsch hat u.a. bei ALK studiert, sie kann seine Fingersätze ziemlich gut, und Luz y Norte hat sie zum Abschluss ihrer Studienzeit mit ihm rausgegeben.

ALK ist ja sehr viel unterwegs, er macht Einzelkurse sicher nur über professionelle Anbieter bzw. auf Sommerschulen etc.. Bei Michelstadt waren es damals sechs interessierte Teilnehmer, die die Absage bekamen, das hat also nicht gereicht. Ich denke, man müsste den Michelstadtern dann schon sozusagen das "Angebot" machen, mit mehreren aufzuschlagen, damit die nochmal sowas anbieten. Ich bekomme aber ab und zu den Newsletter von ALK (und auch den von Michelstadt) und kann auf interessante Sachen hinweisen, falls das gewünscht ist.
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von ThomasZ »

Ja, das wäre schön, wenn du uns Bescheid geben könntest, falls ein interssanter Kurs stattfindet. Ich werde mich auch melden, wenn ich was Interessantes sehe.
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Re: Dämpftechnik auf Darmsaiten

Beitrag von Der Juergen »

Hallo ALK-Interessierte,

die Managerin von ALK hat das Harfentreffen schon vor längerer Zeit angeschrieben, außerdem stehe ich mit ihr über Facebook in sporadischem Kontakt.
Sie wären interessiert, im Rahmen eines größeren Festivals (auch dem Harfensommer) einen Kurs anzubieten, die Einzelkurse sind wohl nicht mehr so auf deren Linie.

Auch wenn da noch über nichts genaues gesprochen wurde, möchte ich es hier entgegen unserem "normalen" Vorgehen schon mal angesprochen haben, weil sich solch ein Kurs auch von Teilnehmerseite auf einem hohen Level bewegen dürfte und eine längerfristige Kenntnis von derlei Eventualitäten vielleicht hilfreich sein könnte.

Also schaun wir mal!

Liebe Grüße
Jürgen
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
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