Studium "traditionelle Musik" mit Hakenharfe in Frankreich

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Ela
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Studium "traditionelle Musik" mit Hakenharfe in Frankreich

Beitrag von Ela »

Hallo zusammen,
da bald ein neues Studienjahr losgeht, und ich inzwischen auch ein bischen was erzählen kann, möchte ich hier mal ein paar Infos loswerden, vielleicht interessiert es ja den ein oder anderen von euch.

Ich studiere seit letztem Jahr Hakenharfe und französischen Dudelsack am CESMD (Centre d’études supérieures musique et danse) Poitou-Charentes in Poitiers. Das Ganze findet im Rahmen des Studiengangs "traditionelle frankophone und okzitanische Musik" statt. Insgesamt sind wir zur Zeit zu 5. in der traditionellen Musik- also eine sehr persönliche Atmosphäre, was ich total schön finde. Nächstes Jahr werden wieder ein paar Plätze frei. Ich weiß nicht genau wie viele, letztes Jahr waren es meines Wissens 4-6 angebotene Studienplätze für den Studiengang traditionelle Musik. Bewerbungsschluss ist Anfang April, es gab aber letztes Jahr auch noch ein zweites Aufnahmeverfahren gegen Ende des Sommers.

Die Hochschule ist relativ klein (insgesamt etwa 150 Studenten, wenn ich mich nicht irre). Der Stundenplan und die Lehrer-Auswahl wird daher ziemlich individuell angepasst und insgesamt wird sehr viel Wert auf eine individuelle Ausrichtung des Studiengangs gelegt.

Das CESMD bietet verschiedene Abschlüsse an:
1. das DNSPM, Diplôme national supérieur professionnel de musicien - das Studium zum "musicien interprète", ein Instrumental (oder Gesangs-) Studium. Dieser Studiengang konzentriert sich also hauptsächlich auf das Spiel der Instrumente und die dazugehörige Musikkultur. Neben der Musikpraxis geht es in diesem Studiengang auch viel um die mit dem Genre verbundene Kultur. Gerade, da traditionelle Musik (zumindest in Frankreich) zu einem großen Teil mündlich überliefert und erhalten wurde, sind die Herangehensweisen natürlich vollkommen andere als in der klassischen Musik. Hier wird fast ausschließlich nach Gehör gespielt, Notenkenntnisse sind zwar von Vorteil und es gibt auch Unterricht in Musiktheorie, sind aber nicht so maßgeblich wie in der klassischen Musik, dafür wird auf das freie Spiel nach Gehör wesentlich mehr Wert gelegt. Ich gehe später nochmal auf die Zulassungsvoraussetzungen ein.

Dieses Diplom ist immer mit einem Bachelor (hier licence) in Musikwissenschaft verbunden. Wenn ihr den schon haben solltet, kann das anerkannt werden, ansonsten ist es immer ein Doppelstudium. Die Hälfte des Unterrichts findet also im Rahmen des DNSPMs am Konservatorium statt, die andere Hälfte an der Uni. An der Uni macht man dann ein ganz normales Musikwissenschaftsstudium mit allen anderen Studenten zusammen, allerdings haben wir nur einen Teil der Kurse, also nicht so viele Kurse an der Uni, wie jemand, der nur Musikwissenschaft studiert.

Das DNSPM/licence dauert 3 Jahre

Desweiteren gibt es hier das Angebot des "D.E" (Diplôme d'état), ein zweijähriges Studium, das vor allem auf die Pädagogik und das Unterrichten ausgerichtet ist und mit dem man dann an staatlichen Musiklehreinrichtungen (Konservatorien, Musikschulen, etc. ) unterrichten kann. Dieses Diplom kann entweder alleine gemacht werden oder an das DNSPM drangehängt werden. Bei der Kombination der beiden Diplome braucht man dann entweder 3 oder 4 Jahre.


So, die Zulassungsvoraussetzungen:

sind ziemlich schwammig. Von daher würde ich jedem, der diesen Studiengang machen möchte, raten, das CESMD einfach direkt zu kontaktieren und zu fragen, ob man mit den individuellen Voraussetzungen als Kandidat in Frage kommt. So hab ich gemacht.

Abi ist Voraussetzung.

Offiziell braucht man auch ein "DEM" - ein Diplom, was man vorher am Konservatorium (so heißen die großen städtischen oder regionalen Musikschulen in Frankreich) gemacht hat und das bescheinigt, dass man die ganzen Musikschulzyklen erfolgreich abgeschlossen hat. Da es das meines Wissens aber bei uns in Deutschland nichtmal gibt, konnte ich das auch mit meiner Bühnenerfahrung ersetzen. Man sollte also irgendwas vorzuweisen haben, das zeigt, dass man sich in den letzten Jahren intensiv mit seiner Musik beschäftigt hat. In Frankreich ist die traditionelle Musik zwar schon wesentlich mehr an den Musikschulen verbreitet als bei uns, aber auch noch nicht in gleicher Ausprägung wie die klassische Musik. Daher kann man dort auch nicht überall ein DEM in traditioneller Musik machen. Und schon rein definitorisch ist es ja eine Musikrichtung, die vor allem von Generation zu Generation mündlich weitergegeben wurde.

Wichtig ist, dass ihr irgendwie vorweisen könnt ein gutes musikalisches Fundament und Fertigkeiten in eurer Musikrichtung zu haben.
Ich habe damals alles aufgeschrieben, was ich je musikalisch gemacht habe, also alle Gruppen, Projekte, CD-Aufnahmen, Untericht, Workshops, selbst gegebene Kurse, Auftritte etc.

Und es ist wichtig, dass ihr nach Gehör spielen könnt, da im Studiengang für traditionelle Musik fast gar nicht mit Partituren gearbeitet wird. Tatsächlich gibt es hier auch Studenten, die brilliante Musiker sind, aber keine Noten lesen. Im Musikwissenschaftsstudium hingegen wird schon damit gearbeitet, man wird also früher oder später auch damit konfrontiert.

Außerdem sind Französischkenntnisse wichtig. Für das DNSPM braucht man ein Niveau von mindestens A2. Die Kurse finden ausschließlich auf französisch statt. Für das D.E. ist ein Sprachniveau von mindestens B2 (zertifiziert) notwendig. Sollte die Sprache ein Problem sein gibt es die Möglichkeit innerhalb des ersten Jahres nebenbei einen Sprachkurs zu besuchen. Außerdem gibt es das Deutsch-Französische Jugendwerk, das Intensivkursstipendien vergibt, sodass man vor Studienbeginn noch einen vorbereitenden Sprachkurs belegen kann.

Wenn ihr an einem solchen Studium interessiert seit, kann ich nur raten: lasst euch nicht abschrecken und probiert es. Man hat ja schließlich nichts zu verlieren. Ihr müsst zunächst eine Bewerbungsmappe ausfüllen. Wenn die für gut befunden wird, werdet ihr dann zum Eignungstest eingeladen, das aus zwei Teilen besteht: einem theoretischen Teil, der einen ganzen Tag in Anspruch nimmt und bei dem ihr entweder einen Sprachtest oder einen Textkommentar schreiben müsst, sowie danach zu mehreren Musikbeispielen einen Kommentar (commentaire d'écoute) verfassen müsst. Notendiktate gibt es keine, es macht aber immer einen guten Eindruck, wenn man die wichtigsten Themen in Notenschrift fassen kann (ich konnte es beim Bewerbungsverfahren nicht). Als ich das Aufnahmeverfahren gemacht habe, gab es sogar die Möglichkeit den Kommentar auf deutsch zu verfassen.

Der zweite, praktische Teil ist relativ kurz (ca 45 min). Hierbei geht es eben um eure Spielfertigkeiten. Ihr müsst ein 30minütiges Programm vorbereiten, aus dem dann 20 Minuten ausgewählt werden, die ihr vorspielt. Außerdem gibt es eine Aufgabe, in denen ihr 15 min Zeit habt, um eine Aufnahme von einem Stück anzuhören, dessen Thema ihr spielt und auf das ihr improvisiert. Danach gibt es noch ein Motivationsgespräch.

Studiengebühren sind etwa gleich wie in Deutschland: etwa 250€ pro Diplom und Jahr(!).

So. Soweit die Informationen. Entschuldigt den Roman, der daraus geworden ist und ebenfalls einige etwas unelegante Sprachblüten... Ich muss gestehen, dass ich gerade eine kleine Deutschblockade habe ^^

weitere Infos findet ihr auf der Seite des CESMD http://www.cesmd-poitoucharentes.org (bald auch auf Deutsch)

Falls ihr noch fragen habt, schreibt mich (oder die Leute vom CESMD direkt) ruhig an.

Liebe Grüße

Ela
Zuletzt geändert von Ela am So 5. Nov 2017, 00:28, insgesamt 6-mal geändert.
Carolin Nobles
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von Carolin Nobles »

Hallo Ela, danke, dass du soviel Mühe in deinen Bericht gesteckt hast. Das klingt sehr interessant. Ein Musikstudium, bei dem es ums nach Gehör Spielen geht - toll, dass es sowas gibt! Ich finde ja, dass das Notenlesen in der Musikwelt viel zu dominant ist, und kaum noch jemand richtig gut nach Gehör spielen kann. (Versucht mal, Happy Birthday direkt fehlerfrei auf der Harfe zu spielen - den Song hat nun wirklich jeder im Ohr). Pöhlert vergleicht das Spielen nach Noten mit Malen nach Zahlen, was in der Kunstwelt sehr verpöhnt ist, in der Musikwelt jedoch an der Tagesordnung steht. Natürlich braucht man beides und ich sage auch nicht, dass man Noten nicht lernen soll. Sie sind ein nützliches Werkzeug und man kommt auch nicht drumherum. Jedoch finde ich sollte auch das Spiel nach Gehör gelehrt werden und nicht NUR Notenlesen und Vom-Blatt-Spielen. Kaum ist nämlich das Blatt vom Notenständer gefallen oder keines vorhanden breitet sich der Schreck aus - was spiele ich denn jetzt? :_wink_:

Was mich interessieren würde:
1. Das ist dein Zweitzstudium, oder? Du hast ja vorher etwas anderes studiert, wenn ich mich richtig erinnere.
2. Wieso studierst du gerade dort und nicht in Deutschland? Hast du Wurzeln in Frankreich, oder gefällt dir einfach das Konzept so gut? Vermutlich gibt es in Deutschland nichts vergleichbares. Hut ab, dass du das machst!
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ysa
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von ysa »

boah ela, das ist richtig beneidenswert und klingt traumhaft! danke, dass du hier alles genau aufgeschrieben hast - auch wenn es für mich nie und nimmer in frage kommt. aber schön, dass es das gibt! :_smile_:
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Ela
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von Ela »

Huhu,
ja, es ist mein Zweitstudium. Habe letzten Sommer meinen Bachelor in Psychologie fertig gemacht und danach hier angefangen. Nachdem ich lange hin und her überlegt habe, ob es nicht finanziell viel schlauer wäre einen Master zu machen und dann hoffentlich einen festen Job zu haben, hat dann doch die Leidenschaft gesiegt und ich habe beschlossen, dass ich diese Chance nutzen möchte. Und wer weiß, vielleicht kann ich den Bachelor in Psycho ja auch nochmal für etwas gebrauchen. Könnte mir auch vorstellen beides zu verbinden später, aber im Moment ist mein Hauptziel vor allem, die drei Jahre zu nutzen, um mich voll auf meine Instrumente zu konzentrieren und für diese Möglichkeit bin ich sehr dankbar.

Ich gebe zu, dass der Anlass, weshalb ich mich überhaupt informiert habe, was es in Frankreich so an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, die Liebe war. ;-) Als ich dann sah, dass es hier so ein Studienangebot gibt, war die Sache dann recht klar und ich musste mich dann erstmal durch mehrere Intensivsprachkurse quälen, da mein Französisch-Niveau nicht besonders toll war (Die letzten Worte meiner Französisch-Lehrerin nach den zwei Jahren Unterricht in der Schule, waren gewesen: Nagut, du kriegst noch eine 4 aber nur unter der Bedingung, dass du NIE wieder einen Fuß in einen Französisch-Unterricht setzt ^^ ... ich hab das Versprechen gebrochen). Naja, hat alles geklappt.

Ein anderer Grund das in Frankreich und nicht in Deutschland zu machen, ist aber auch, dass es diese Möglichkeit meines Wissens in Deutschland nicht gibt. Noch dazu war mir ja auch die Instrumentenkombination Harfe und Dudelsack wichtig und das geht tatsächlich bislang nur in Poitiers (ansonsten gibt es noch eine Hochschule in der Bretagne, an dem man keltische Harfe und eine andere in Leuven, an der man Dudelsack studieren kann. Wobei es auch noch ein paar Hochschulen in Skandinavien gibt, da hab ich mich aber nicht informiert). Außerdem ist hier die traditionelle Musik noch viel mehr in der alltäglichen Kultur verankert als bei uns. Sehr beispielhaft war da zum Beispiel die Einführungswoche, während der es für alle Studenten (auch Klassik, Jazz, aktuelle Musik) gleich zwei Veranstaltungen in der Richtung zur zur Begrüßung gab: einen traditionellen Ball am Konservatorium und einen mit Blowzabella auf dem Campus. Außerdem steht hier bei jedem ein Kurs traditioneller Tanz auf dem Stundenplan, egal in welcher Musikrichtung man studiert und das wird auch mit Begeisterung angenommen.

Die nervigen Diskussionen, was ist trad, was nicht, etc. gibt es hier natürlich auch. Trotzdem kann man sagen, dass diese Musik hier noch (oder wieder) wesentlich lebendiger ist als es zur Zeit leider bei uns der Fall ist (auch wenn ich den Eindruck habe, dass sich auch in Deutschland langsam was tut).


Bezüglich der Noten bin ich deiner Meinung. Es ist super nützlich, wenn man es beherrscht und auch die Theorie dahinter kennt. Aber ich bin auch manchmal schockiert von den klassischen Studenten, die wirklich krasse Sachen spielen, aber total aufgeschmissen sind, sobald man ihnen sagt "spiel doch mal was" und sie keine Noten haben. Aber es ist eben eine andere Herangehensweise. Bei uns ist es jedenfalls unumgänglich nach Gehör zu spielen, dafür sind wir oft lange nicht so fit wie die Klassiker beim vom Blatt spielen komplizierter Sachen. Dank einiger Kurse und Projekte, die wir alle zusammen haben, gibt es aber auch Annäherungen und Interessen der beiden Seiten für die jeweils andere. Spiele hier auch oft mit anderen Studenten aus der alten Musik zusammen oder habe Kurse zu Arrangement in aktueller Musik und dadurch netterweise auch einige Einblicke in die anderen Studiengänge.
Zuletzt geändert von Ela am Di 11. Jul 2017, 14:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von Ela »

So, hier nun auch die Infobroschüren.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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merit
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von merit »

Liebe Ela, vielleicht habe ich es beim Lesen übersehen - aber wer ist eigentlich dort Dein Harfenlehrer? Oder ist es so wie z.B. bei den Drehleiern in Stockholm, daß sie sich z.B. in Wien :-) einen Lehrer suchen und da den Unterricht machen können? Liebe Grüße, Merit
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Ela
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von Ela »

Im zweiten Semester habe ich auf meinen Wunsch hin mit Juliette Collache gearbeitet, die ein Repertoire aus mehreren Regionen Frankreichs und auch aus anderen Ländern spielt. Desweiteren gab es Workshops in der Bretagne, wo ich Unterricht mit Dominig Bouchaud hatte. In den letzten beiden Jahren des Studiums war mein Lehrer Frédéric Bougoin, ebenfalls spezialisiert auf keltische Harfe.

Es ist also je nach Lehrer beides möglich. Wenn sie sowieso hier in der Gegend sind, hat man eher regelmäßig eine Stunde, wenn sie weiter weg sind, gibt es hier auch das Modell dass man für "Blockseminare" irgendwo hinfährt. Dudelsack- und Cabretteunterricht hatte ich beispielsweise in Paris mit Julien Barbances und mit Michel Esbelin.
Zuletzt geändert von Ela am Di 11. Jul 2017, 14:27, insgesamt 1-mal geändert.
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merit
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von merit »

Ela hat geschrieben: Dudelsackunterricht hab ich gerade beispielsweise in Paris mit Julien Barbances. =)
Cool! Schöne Grüße! :-)
Azurit
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von Azurit »

Hey Ela! Ich spiele schon sehr lange Hakenharfe und möchte so gern Harfe studieren! Ich bin auf dieses Forum hier gestoßen und habe deinen Beitrag gelesen: klingt perfekt für mich! Da ich sowieso der ,,Gehörmensch" bin wenns ums spielen geht, Improvisieren aber noch üben muss, wollte ich dich Mal ausfragen und habe ich mich deswegen hier angemeldet. :)
Du sagtest dass man für das Vorspiel ein Programm vorbereiten soll. Worauf wird da geachtet? Muss das schon alles einen ,,traditionellen Stil" haben? Auch bei dem Teil wo es ums Nach-Gehör-spielen und improvisieren geht, was sind da die Maßstäbe?
Es wär ganz cool wenn du mir evtl an einem Video oder Hörbeispiel zeigen könntest, was da von mir gefordert wird, damit ich mich darauf vorbereiten kann.

Zur Zeit besuche ich die 12. Klasse eine Fachoberschule und schließe vorraussichtlich mit der Allgemeinen Fachhochschulreife ab. Das ist ja kein allgemeines Abi, werde ich trotzdem zum Studium zugelassen?

Außerdem hast du gesagt, dass man, sofern man noch keinen Bachelor in Musikwissenschaften hat, ein Doppelstudium machen kann, aber nicht alle Kurse belegt wie die normalen Musikwissenschaftler. Am Schluss des Studiums hat man doch dann aber keinen Bachelor oder? Man hat ja praktisch nicht das komplette Musikwissenschaftsstudium...

Noch eine ganz banale Frage: was kann ich mit dem Abschluss anfangen? Bzw mit welchem Abschluss aus Deutschland ist das vergleichbar?

Das wärs bis jetzt erstmal. Ich freue mich auf eine Antwort. ;)
Lg Rebecca
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Re: Studium keltische Harfe

Beitrag von Ela »

Liebe Rebecca,
zum Programm: ja, es muss auf jeden Fall einen traditionellen "Stil" haben. Der Studiengang heißt ja "traditionelle frankophone und okzitanische Musik". Ich habe damals ein Programm mit viel zentralfranzösischer Musik vorbereitet (bretonische Musik bieten sie nicht an, da es dafür eine andere Hochschule in der Bretagne gibt). Natürlich muss man das auf die Harfe anpassen, da es dieses Instrument traditionell in dieser Gegend nicht gibt. Die Herausforderung während der Vorbereitung zur Aufnahmeprüfung war also, diese Musik auf die Harfe anzupassen, sich Arrangements auszudenken und dabei im Stil zu bleiben. Das Spiel mit oder das Hören von anderen Instrumenten war dabei sehr inspirierend. Ich weiß nicht, ob du auch aufgenommen wirst, wenn du z.b. ein Programm hauptsächlich mit "keltischer" Musik vorbereitest. Das kannst du aber am besten Philippe Compagnon direkt fragen, der den Studiengang zur Zeit organisiert: p.compagnon@cesmd.fr Ich hatte damals auch ein irisches Stück und zwei Kompositionen im Programm, der Rest war traditionelle französische Musik und damit hat es geklappt.

Allerdings haben sie mich schon während der Aufnahmeprüfung ziemlich über meine musikalische Identität ausgequetscht. Viele französische Studenten, die dorthin kommen, haben bereits eine Spezialisierung in der Musik einer bestimmten Region - oft die ihrer Heimat oder dort, wo sie ihre bisherige musikalische Ausbildung gemacht haben. Ich habe zwar damals hauptsächlich Folk gespielt, aber aus aller Herrenländer, was für die Hochschule ein bischen zu weit war, da sie Wert auf Stilistik und Kentnisse der mit dem Repertoire verbundenen Kultur legen. Naja das war dann eben etwas, woran ich während des Studiums gearbeitet habe, um all dies besser kennenzulernen.

Achso, vielleicht eine Info, die auch nicht unewsentlich ist: Es gibt an der Hochschule keine "Harfenklasse". Man ist in einem Studiengang mit Musikern verschiedenster Instrumente, die alle traditionelle Musik studieren. Es gibt Kollektivunterricht mit den anderen Studenten und wie gesagt dann Einzelunterricht, der speziell auf dein Instrument angepasst ist.

Bei der Aufgabe mit dem nach Gehör spielen geht es tatsächlich einfach darum, sich in kurzer Zeit eine Melodie merken zu können. Ich habe vor lauter Aufregung während der Prüfung viel zu kompliziert gedacht und gleich auch versucht, komplizierte Begleitungen und Arrangements dazu zu finden, wofür die Zeit viel zu kurz war. Ich denke, wenn man die gehörte Melodie nachspielen kann und eventuell ein kurzes Stück daraus macht bzw. es an das eigene Instrument anpasst (was bei der Harfe eben heißt, etwas passendes für die Linke Hand zu finden, das muss aber kein Hexenwerk sein), ist die Aufgabe erfüllt.

Ich habe damals eine "collectage" - eine Feldaufnahme bekommen, die ich mir eine viertel Stunde lang so oft anhören durfte, wie ich wollte. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass die aufgenommenen Personen teilweise schon sehr lange kein Instrument mehr in der Hand hatten. Wenn man ein bischen gewohnt ist, diese Musik zu hören, weiß man oft sehr schnell, was gemeint ist. Wenn einem das völlig neu ist, kann das ganz schön schwer sein.
Das kann zum Beispiel so klingen (dieses hat zwei, ich glaube mein Stück damals hatte 3 Teile, weiß ich aber nicht mehr genau)
http://cerdo.fr/seam/resource/directMed ... 1&cid=1126

Es ist zur Vorbereitung gut, sich sowohl in die Feldaufnahmen, als auch in das, was heute daraus gemacht wird, einzuhören und es natürlich selbst zu praktizieren (diese Uebung fehlte mir leider damals)
Feldaufnahmen findest du z.B hier:
http://cerdo.fr/
patrimoine-oral.org

Dann gibt es in jeder Region zahlreiche Bands, die mit diesen Quellen arbeiten und sie mehr oder weniger neu interpretieren. Auf youtube findet man da schon einiges.

Was die Improvisation angeht, so sind die Erwartungen jetzt nicht wie bei einem Jazzmusiker, der sich über ein Akkordshema etwas total abgefahrenes ausdenken muss. Es geht mehr darum, Melodien relativ schnell nach Gehör erlernen zu können und diese an dein Instrument anzupassen und den für das Stück angemessene "groove" zu finden.

Wie das mit deinem Abi ist, weiß ich nicht, da kann Claire Michon dir vieleicht Antwort geben. Kontaktiere ruhig mal das CESMD, die haben mir damals gute Auskunft gegeben. Ich glaube sowas wie Fachabi gibts in Frankreich aber nicht. Wie wäre das denn in Deutschland, könntest du da mit dieser Art von Abi an eine Uni oder Musikhochschule gehen?

Ja, man hat danach trotzdem eine "licence", was das Äquivalent zum Bachelor ist in Musikwissenschaft ist. Da DNSPM und licence verbunden sind, bekommt man das eine aber auch nur, wenn man das andere ebenfalls bestanden hat.

Das DNSPM ist vergleichbar mit einem Bachelor an einer Musikhochschule. Man könnte theoretisch danach noch einen Master machen (in Poitiers gibt es den in traditioneller Musik aber bislang noch nicht).

Ob es zum DE ein deutsches Äquivalent gibt, weiß ich nicht. Ich habe mich nie darüber informiert, welche Ausbildung man in Deutschland machen muss, um an Musikschulen oder Konservatorien zu unterrichten. In Frankreich ist dieses Diplom Pflicht, um an staatlichen Musikbildungsstätten unterrichten zu können (also städtische Musikschulen, Konservatorien, etc.) Aber auch die meisten kleineren Musikschulen verlangen es bei der Einstellung der Lehrer. Wenn man an einem Konservatorium dann angestellt wird, kann man eine weitere Prüfung machen, mit der man dan verbeamtet werden kann, sofern man einen Posten hat. Das dürfte in Deutschland aber anders sein und auch in Frankreich brökelt dieses System gerade gewaltig.

Was diese Abschlüsse in Deutschland administrativ wert sind, kann ich dir nicht sagen, da ich auch gerade erst wieder zurück gekommen bin. Ich hatte mich damals darüber gar nicht so intensiv informiert, da mich vor allem die Erfahrung, die ich durch das Studium sammeln würde, interessiert hat, weniger die Diplome. Zumindest das DE ist aber in Frankreich super wichitg, um unterrichten zu können. Ich denke, dass das Diplôme d'état grundsätzlich schon auch in Deutschland berechtigen würde in Musikschulen zu unterrichten. Das Problem ist aber, dass die wenigsten Schulen hier sensibilisiert auf diese Art von Musik sind, da ist also noch viel aufzubauen.

Ein DNSPM in traditioneller Musik bringt als reines Papier erstmal nichts, außer dass plötzlich alle mächtig beeindruckt sind. Was allerdings sehr wohl etwas bringt, sind die vielen Erfahrungen, die man während des Studiums sammelt, die musikalischen und kulturellen Kenntnisse und Fähigkeiten, die man erwirbt und die Kontakte die man knüpft, die einige Türen zum Leben als Berufsmusiker öffnen können.
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