Blind spielen-Spieltechnik

Wina
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Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von Wina »

Ist es möglich eine Harfe blind ( ohne auf die Saiten zu schauen ) zu spielen !?


Mir würde das sehr entgegen kommen da ich nur ein Auge mit geringer Sehkraft habe.


Ich bin eine absolute Anfängerin und denke es macht Sinn wenn ich mich erst mal mit der Saiten Lage vertraut mache…


Wie ist das bei euch ?!

Vielleicht lernt man die Stücke sowieso beim üben automatisch auswendig … :_huh_:



Gruß Wina
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Max
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von Max »

Hallo Wina,

mit der rechten Hand spiele ich nahezu "blind", damit habe ich gar keine Probleme. Es hat den Vorteil, dass man nicht so viel hin und her schauen muss.
Mit der linken Hand schaue ich öfter hin, aber auch nicht immer, es kommt auf die Größe der Sprünge an.

Wenn Du noch wenig Sehkraft hast, würde ich vorschlagen rechts konsequent blind zu spielen und links so weit es geht eine visuelle Orientierung zu behalten.

Liebe Grüße
Max
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ClarSach
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von ClarSach »

Kannst du Englisch? In dieser Yahoo-Gruppe gibt es einigen blinden Harfenspieler: https://groups.yahoo.com/neo/groups/vir ... ircle/info
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Maira
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von Maira »

Hier gab es auch einen Blinden der Harfe lernte.
In der Literatur findet man so manchen Blinden.
Vor einiger Zeit war das oft eine der wenigen Möglichkeiten für Sehbehinderte
sich ein Einkommen zu schaffen.
2 Beispiele : Turlough O'Carolan, berühmter irischer Harfner und die
Berlinerin Harfenjule.
Wenn es Dir Freude macht und Du Dir die Zeit lässt , warum nicht ?
Selber gehöre ich zu den Sehenden, aber bis ich etwas sicher spielen kann
muß ich das auswendig wissen.
Rechts schaue ich dann auch nicht mehr hin, das muß dann von alleine laufen.
Zweck vieler Etuden ( die ich nicht so gerne übe ) ist es, die Abstände der
Saiten in die Finger zu kriegen. Wenn man das geschafft hat, braucht man nicht mehr auf die Finger sehen.
Die Profis gucken dann in die Noten :_wink_:
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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merit
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von merit »

Liebe Wina, spannendes Thema auch für Nicht - Seheingeschränkte! Mir ist in den letzten Monaten klar geworden, daß ich extrem nach Distanzen zwischen mir und den entsprechenden Saiten spiele und viel viel weniger hingucke, als ich geglaubt habe. Ich kann allerdings gut sehen.

Meines Erachtens teilen sich die Harfenspieler mit gutem Visus sogar in zwei Gruppen ein - diejenigen, die viel schauen (und dementsprechend enorm schnell auf Harfen mit anderen Saitenabständen klarkommen), und diejenigen, die eher über eingelernte Distanzen treffen.

Ich spiele literaturbedingt gerade viel außerhalb des oberen Sichtbereiches (Diskant). Ich bin gerade noch in der Entdeckungsphase, wie ich das genau meistere, aber es gibt diesen Moment, wo ich weiß, wie es sich anfühlen muß, und das muß ich dann "kultivieren" - dann klappt es irgendwann zuverlässig.

Letztendlich ist das Auge auch bei Viel-Guckern am Ende nur noch eine grobe Führung, das Spielen geht viel zu schnell, als das man es permanent durch das Sehen lenken könnte. Ich setze diese Führung inzwischen bei großen Sprüngen und dem beschriebenen Spiel weit im Diskant ein und gucke ganz kurz mal in die richtige Richtung, dann geht die Hand meist gut mit, weil sie nochmal einen kurzen Hinweis vom Auge bekommen hat.

Ich hoffe, das ist ein wenig eine Hilfe auch für Dich - und für andere Harfenspieler ist es sicher spannend, sich mal mit dem Thema zu befassen! Herzliche Grüße, Merit Zloch
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ClarSach
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von ClarSach »

Vielleicht hilft diesen Thread auch noch was: viewtopic.php?f=12&t=6502&p=54895&hilit=blind#p54895
Dort wird u.a. diesen Link genannt: https://www.harpcolumn.com/forums/topic ... hos-blind/
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Susanne Globisch
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von Susanne Globisch »

Liebe Wina,

blind spielen sollte meiner Meinung nach - zumindest, was den Diskant-Bereich und damit i.d.R. die rechte Hand und die Melodie betrifft - eher das normale als die Ausnahme sein. Sich wirklich primär auf die Augen zu verlassen geht sowieso nur bei recht langsamen Stücken. Bei allem, was etwas schneller wird, ist das Auge, wie Merit schon sagt, zu langsam. (Zum Ausprobieren: einen Finger der rechten Hand mal ca. 20 cm vor die Nase halten, einen Finger der linken Hand in ca. 50 cm und zwischen beiden hin- und herfokussieren. Dauert sicher 1/3 Sekunde, bis der jeweilige Finger wieder richtig scharf ist. Das ist für's Harfespielen viel zu lang.)

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man auch bei unterschiedlichen Harfen mit unterschiedlichen Saitenabständen und -spannungen sehr gut blind spielen kann. Man muss sich nur trauen, sich darauf zu verlassen. Solange ich noch "mit dem Kopf" rangegangen bin und mir gedacht habe "das kann doch gar nicht funktionieren, ich habe doch diesen Saitenabstand eingespeichert, da muss ich doch bei einem engeren danebengreifen" - solange habe ich auch danebengegriffen. Als ich dann einfach aufgehört habe zu denken, habe ich auf der jeweiligen Harfe einfach ein paar Minuten Einspielzeit gebraucht und es klappte. Unser Unterbewusstsein ist sehr viel kompetenter als man zunächst glaubt, das bekommt das tatsächlich hin.

Meine Theorie: durch das Denken "das kann doch gar nicht gehen" habe ich mich schlichtweg so verkrampft, dass es nicht mehr ging. Lässt man das "kann-doch-nicht-gehen"-Denken und die Verkrampfung weg, geht es. Psychologisch/neurologisch gesehen auch keine Überraschung.

Bei mir ist übernimmt das Sehen dann manchmal eher noch eine kleine "Bestätigungs-Funktion" - ich greife nach Gefühl für die Abstände und checke dann nachträglich noch kurz, ob es passt. Das geht auch aus dem Augenwinkel und ohne 100%ige Fokussierung.

Mit dem in der heutigen Harfenliteratur meist notierten Bass ist es ein wenig anders, da kommen oft große Sprünge vor, für die man die Augen braucht. Aber auch hier kann man, wenn man mal mit geschlossenen Augen übt, das Wahrnehmungsvermögen für die Bewegung des Armes und der Hand enorm schulen und verfeinern, so dass die Augen auch hier weniger wichtig werden können. Ganz auf sie verzichten kann ich bei "normaler" Bassstimme mit großen Sprüngen nicht. Evtl. ist das bei dem "altirischen" Begleitstil anders, so dass es blind einfacher ist, hab ich aber noch nicht wirklich ernsthaft ausprobiert. (Für "altirischen Stil" siehe z.B. die entsprechenden Hefte von Christoph Pampuch). Aber ich halte es für wahrscheinlich, schließlich haben das die blinden Kollegen im alten Irland auch hinbekommen.

Ganz sicher ist, dass man - wenn man es mal ein halbes Jahr oder so konsequent geübt hat - deutlich entspannter spielt, wenn man zumindest auf die rechte (Melodie-) Hand nicht oder nur selten schaut. Das ewige Hin- und Hergegucke ist nämlich enorm anstrengend, setzt einen beim Spielen unter Stress und führt dazu, dass man eigentlich gar nicht wirklich hört, was man spielt, da man zu viel mit Sehen beschäftigt ist.

Von daher ist es für Dich, Wina, fast schon ein Vorteil, wenn Du ein Auge mit geringer Sehkraft hast. Du kannst gleich von Anfang an anfangen, Dich vorwiegend auf das Gefühl für die Abstände und das Hören zu verlassen. Eine unscharfe visuelle "Kontrolle" reicht dann völlig aus. Am besten beim Üben die Augen mal ganz zumachen, dann wird das schon.

Viel Freude beim Üben wünscht Susanne
May Peace and Love be with us. Always.
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Wina
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von Wina »

Hallo,
ich bin begeistert….so viele nette Nachrichten !!!


Mein spielen gestalte ich jetzt um.
So wie ich die Melodie intus habe versuche ich es aus dem ` Fingergedächniss `
zu spielen und schließe die Augen um ein besser Gefühl zu bekommen.

Ich übe auch die unterschiedlichen Abstände zu den Saiten.

…...üben muss ich noch viel , (Zur Zeit ca. 1 St. am Tage. )
Ich muss immer noch viel überlegen. Sicherlich werde ich mich mit der Zeit besser und schneller zurecht finden.
Das Stimmen dauert auch nicht mehr so lange…. :_cool_:


Recht vielen Dank für die sehr nützlichen Hinweise !!!! :_smile_:





L G Wina
KarinEngelhardt
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da die Harfe etwa ein Jahr lang zunächst nur teilweise beklappt war!!!)

Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von KarinEngelhardt »

Hallo Wina!
Ich bin auch so eine sehbehinderte Harfenspielerin.
Ich habe eine sehr starke Hornhautverkrümmung, sehe deshalb in der Ferne sehr schlecht und in der Nähe hilft die richtige Brille.
Leider gibt es da auch noch die Gesichtsfeldeinschränkung, d.h. Tunnelblick. Ich sehe richtig gut nur die unteren oder oberen Saiten,
also nicht alles auf einen Blick.
Seit etwa 3Jahren lerne ich so vor mich hin, inzwischen brauche ich auf die rechte Hand fast nicht mehr zu schauen.
Ganz oft spiele ich mit geschlossenen Augen, es geht gar nicht so schlecht. Ich habe dadurch nicht nur ein Gefühl für die Saitenabstände und
den Bewegungsradius der Hände bekommen, ich fühle ganz oft an der Stärke der Saiten, ob ich richtig greife.
Ich spiele Metallsaiten, sicher ist das mit dem Gefühl für die Saiten nicht bei jeder Harfe gleich.
Leider kann ich die Noten auch nicht so gut erkennen, das strengt sehr an. Also habe ich mir angewöhnt, die Stücke, die ich spiele auswendig
zu lernen- trainiert unheimlich das Gedächtnis und ich kann mich auf das Spielen ganz konzentrieren. Das Lesen lenkt mich einfach auch noch ab.
Ich wünsche Dir jedenfalls ganz viel Erfolg beim Finden Deiner eigenen Art zu spielen,

liebe Grüße,
Karin.
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merit
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Re: Blind spielen-Spieltechnik

Beitrag von merit »

Ich fände es nett, den ganzen thread zu "Spieltechnik...." umzuziehen. Schließlich spielen nicht nur die Kelten blind :-). Und so wird er leichter auffindbar für Leute, die ihre spieltechnischen Möglichkeiten verbessern wollen - und darum geht es doch hier. Liebe Grüße, Merit Zloch
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