Monochord - Gamma ut?!

Du spielst noch andere Instrumente und möchtest Dich gerne darüber austauschen? Dann bist Du hier richtig!
Antworten
Benutzeravatar
Harfenjule
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 1247
Registriert: Mo 30. Jan 2006, 04:30
Postleitzahl: 50667
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Troubadour V (Lyon&Healy)
kleine keltische Harfe "Kairos" (Pepe Weissgerber)
###bitte schreibt mir in Harfentreffen-Angelegenheiten ausschließlich per Mail an pling@harfentreffen.de - KEINE PNs hier im Forum!!!###
Wohnort: Köln

Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Harfenjule »

Hallo zusammen,

vielleicht kann mir hier jemand weiterhelfen, gerne mit Literaturhinweisen. Ich bin auf der Suche nach der ursprünglichen Bestimmung der "leeren Saite" am Monochord der Antike bzw. des Mittelalters, also warum diese mit Gamma/Gamma ut bezeichnet wurde, wenn doch dann die Tonbezeichnung mit A, B, C,... begonnen wurde. Also, warum man nicht gleich mit A angefangen hat.
Über Saitenverhältnisse brauche ich nichts, ich suche explizit die Benennung des tiefsten Tones des Monochords.

Neugierige Grüße

Julia
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6314
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Der Juergen »

Ich schaue noch mal nach, hier ist ein Schaubild, aber das kennst du ja wahrscheinlich … :_wink_:
http://www2.siba.fi/muste1/index.php?id=72&la=en
Im mittelalterlichen Tonsystem ist das "G" schon vorhanden, deswegen brauchte der Ton am unteren Ende (des Guidonischen Hexachordum durum) eine andere Bezeichnung.
http://musiktheorie-aktuell.de/tutorials/tonsystem.aspx (etwa in der Mitte der Seite)
Ich vermute(!) dass man sich auf Grund der ursprünglich zugrundeliegenden griechischen Tetrachorde (die zu den Hexachorden erweitert wurden) für den griechischen Buchstaben Gamma entschied.
Beweise fehlen mir allerdings (noch) :_wink_:
Zuletzt geändert von Der Juergen am Mi 9. Nov 2011, 18:33, insgesamt 1-mal geändert.
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
Harfenjule
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 1247
Registriert: Mo 30. Jan 2006, 04:30
Postleitzahl: 50667
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Troubadour V (Lyon&Healy)
kleine keltische Harfe "Kairos" (Pepe Weissgerber)
###bitte schreibt mir in Harfentreffen-Angelegenheiten ausschließlich per Mail an pling@harfentreffen.de - KEINE PNs hier im Forum!!!###
Wohnort: Köln

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Harfenjule »

Hm *seufz*, mir hilft weder die Guidonische Hand noch das von Jürgen weiter - die Bezeichnung Gamma für den tiefsten Ton des Monochords stammt ja nicht von Guido, sondern ist älter.
Warum Gamma?! Wir reden im Mittelalter bzw. in der Antike ja nicht von absoluten Tonhöhen, sondern von relativen, also ist für Gamma keine Frequenz vorgeschrieben. Deswegen ist es für mich nicht ersichtlich, warum der tiefste Ton eine Oktave unter G Gamma genannt wird und der nächste Ton dann A. Warum ist nicht der tiefste Ton A? Und die halbe Saite dann eben a? Oder warum ausgerechnet Gamma (nicht Alpha oder Omega oder wasweißich)? Ich kenne mich ja mit Mittelalterstudien nicht aus, aber ich vermute einfach mal, dass das Alphabet seinerzeit auch schon mit A begonnen hat?!

Oder sind meine Gedanken völlig unnachvollziehbar und kann mir deswegen niemand helfen?
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6314
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Der Juergen »

Liebe Julia,
brauchst du das noch heute? Habe gerade einen erfolglosen Versuch gestartet, kann aber dranbleiben. Ob es allerdings heut klappt??? Sorry!
Deine Gedanken sind gut nachvollziehbar, es liegt wahrscheinlich daran, dass sich das selten jemand fragt (wie so oft im Leben). :_wink_:
Liebe Grüße
Jürgen
Zuletzt geändert von Der Juergen am Mi 9. Nov 2011, 18:38, insgesamt 1-mal geändert.
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
Harfenjule
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 1247
Registriert: Mo 30. Jan 2006, 04:30
Postleitzahl: 50667
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Troubadour V (Lyon&Healy)
kleine keltische Harfe "Kairos" (Pepe Weissgerber)
###bitte schreibt mir in Harfentreffen-Angelegenheiten ausschließlich per Mail an pling@harfentreffen.de - KEINE PNs hier im Forum!!!###
Wohnort: Köln

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Harfenjule »

Och, ich brauche das eigentlich so schnell wie möglich, weil mein Gehirn das sonst nicht loslassen kann :_wink_: ich hatte zwar bei einem Dozenten nachgefragt, aber keine befriedigende Antwort bekommen. Vielleicht habe ich es auch da unbefriedigend formuliert, wer weiß.
Benutzeravatar
Harfenjule
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 1247
Registriert: Mo 30. Jan 2006, 04:30
Postleitzahl: 50667
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Troubadour V (Lyon&Healy)
kleine keltische Harfe "Kairos" (Pepe Weissgerber)
###bitte schreibt mir in Harfentreffen-Angelegenheiten ausschließlich per Mail an pling@harfentreffen.de - KEINE PNs hier im Forum!!!###
Wohnort: Köln

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Harfenjule »

Bernhard hat geschrieben: Das dann der nächste Ton ein A ist, ist doch logisch.
Für mich ist es eben nicht logisch, weil für mich das A den Anfang repräsentieren würde. Erster Buchstabe im Alphabet - warum dann nicht auch tiefster möglicher Ton auf dem Monochord?
Ich glaube ich verzweifle daran noch...
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6314
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Der Juergen »

Ich hatte gerade nicht hier hineingeschaut …
Vermutung:
Das Tonsystem ist ja nicht aus dem Nichts entstanden, sondern geht vom griechischen Tonsystem aus (systema téleion), das in der Mitte die "Mese" hatte.
Darüber und darunter ging es von der Anzahl der Töne (nicht der Intervalle) symmetrisch zu. Eine Oktav drüber und eine drunter.
In der Entsprechung hat man dann den Anfangsbuchstaben A gewählt.
Später wurde dem noch ein weiterer Ton hinzugefügt, unterhalb von A, den nannte man Gamma, weil es das G schon gab.
Wie gesagt, eine Vermutung …
Wir bleiben dran :_wink_:
LG
Jürgen

@Bernhard – Gamma ut (Gamut): die Silbe ut stammt ja in der Musiktheorie erst aus dem Johanneshymnus, den Guido von Arezzo hergenommen hat (vielleicht auch geschrieben), um die Solmisation zu erklären – also später als das Gamma als Tonname.
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6314
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Der Juergen »

Noch eine Grafik zur Verdeutlichung des griechischen Tonsystems (hier schon mit lateinischen Buchstaben):
http://www.musik.uzh.ch/teaching/semina ... system.pdf

Odo von Cluny (878 bis 942) führte die Tonbuchstaben ein.
ZITAT aus Wikipedia:
er komponierte Choräle und verfasste musiktheoretische Schriften, darunter den Dialogus de musica, in dem er die heute gebräuchlichen Tonbuchstaben einführte als Namen der Töne des diatonischen Tonsystems von Euklid, das er über Boethius kannte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Odo_von_Cluny

Hier ne Fundstelle zum Gamma:
http://books.google.de/books?id=5lficK7 ... ma&f=false
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
Zupfel
ganz schön fleißig
Beiträge: 57
Registriert: Di 10. Aug 2010, 23:27
Postleitzahl: 21035
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Arpa Doppia "Monteverdi" von Rainer Thurau, 62 Saiten, GG, AA, HH, C bis d''' chromatisch, e'''

historische Hakenharfe (nach einem Instrument von ca. 1650) von Claus Henry Hüttel, 29 Saiten: F-f''' diatonisch
Wohnort: Hamburg

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Zupfel »

Hallo.

Die vom griechischen Tonsystem durch Boethius bzw. Odo von Cluny übernommenen Tetrachorde und Bezeichnungen A, B, C usw. wurden im Spätmittelalter als zu starr empfunden. Guido von Arezzo hat sie durch ein flexibleres System von Hexachorden ersetzt, zwischen derer drei man wechseln konnte: Hexachordum naturale (heute etwa "Tonika", Ut=C) Hexachordum Molle ("Subdominante", Ut=F) und Hexachordum durum ("Dominante", Ut=G). 
Ut ist die Bezeichnung des Grundtons jedes Hexachords. Die Tonbezeichnungen leiten sich von der je ersten Silbe der Verse des Johanneshymnus ab: Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La (und SI für Sancte Iohannis). Die Italiener machen später ein Do aus dem Ut, weil sich das besser singen lässt.

Die theoretische Literatur des Mittelalters verwendet, um Verwechslungen zu vermeiden, manchmal beide Bezeichnungen parallel, also c ut, d re, e mi für den Hexachordum naturale in mittlerer Lage. In tiefer Lage nimmt man dann Großbuchstaben und kommt in der Tiefe damit bis A re im tiefen Hexachordum durum, der tiefste gebräuchliche Hexachord. Für dessen Grundton ist dann kein Großbuchstabe mehr übrig, also behilft man sich mit dem griechischen Gamma und nennt ihn Gamma ut. Aus vorguidonischer Zeit ist mir der Begriff nicht bekannt.

Wen's interessiert, kleiner Exkurs: Das Fa des Hexachordum Molle ist unser heutiges b, man nannte es b rotundum und grenzte es dadurch ab vom b quadratum, also dem mi des Hexachordum durum, unserem heutigen h. Somit wurde aus der Entscheidung b oder h viel später die Entscheidung zwischen Moll und Dur. "Mi contra Fa" kann je nach Hexachordkonstellation auch "e gegen b" oder "f gegen h" bedeuten, also ein Tritonus. Praetorius reimt daher: Mi contra Fa - Diabolus in Musica.  

Soweit das, was ich aus meinem Studium zu dem Thema erinnere.

VG, Zupfelius
Spaß by Saite
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6314
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Monochord - Gamma ut?!

Beitrag von Der Juergen »

Hi Zupfel,
das nenne ich gut erklärt, schönen Dank, auch wenn ich nicht der Fragesteller war.
Aber solche Dinge sind megaspannend, finde ich (und werde ein wenig neidisch auf Julia :_wink_: ) :_smile_:

Eines möchte ich aber noch hinzufügen, nämlich, dass es anscheinend schon in dem von einem anonymen Autor (Pseudo-Odo? – nicht wie in Wikipedia zugeschrieben: Odo) im 10. Jh. geschriebenen "Dialogus de musica" das Gamma als definierten Ton gegeben haben soll, zumindest spricht diese Quelle explizit davon:
http://books.google.de/books?id=5lficK7 ... ma&f=false
"Whereas the two Enchiriadis treatises and the Commemoratio Brevis were unable to lay out a mode as an octave species, another tenth-century text, this time Italian in origin, the Dialogus de Musica, succeeded in doing this and in tying it to an octave-based nomenclature for pitches that we still use. Like Hucbald, the unknown author starts by establishing a total gamut before he begins to discuss mode. He first establishes a Greater Perfect System by a simplified Boethian technique of measurements on a monochord – the first of our authors to do so. The interesting part about how the Dialogus does this is that it starts from it's lowest note, gamma – so a new note outside Hucbald's system – and moves up by step […]"

Aber nochmals vielen Dank für deinen Beitrag!
Liebe Grüße
Jürgen
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Antworten