Ich spiele jetzt seit Januar chromatische Harfe und habe vorher noch nie eine Harfe in der Hand gehabt, kann also nicht für die "Umsteiger" sprechen, sondern spreche hier als "Direkteinsteiger"
Ich stelle mir das Spielen einer einreihigen chromatischen Harfe genau so schwierig vor, wie das einer Spielen einer Harfe mit gekreuzten Saiten, wenn nicht noch schwieriger.
Und zwar aus folgendem Grund:
Nehmen wir die C-Dur-Tonleiter: C-D-E-F-G-A-H-C
Zwischen E und F und zwischen H und C befindet sich jeweils ein Halbton, während zwischen den anderen jeweils ein Ganzton liegt. Das würde also für eine einreihige chromatische Harfe bedeuten, daß ich jeweils eine Saite auslassen muss, wenn ich die Tonleiter spielen will, nur zwischen E-F und H-C nicht. Da muss ich die direkt nebeneinander liegenden Saiten spielen. Ob sich das mit wenig Übungsaufwand flüssig spielen lässt, kann ich nicht beurteilen, stelle es mir aber schwierig vor. Bei einer Harfe mit gekreuzten Saiten im 6/6er System kann ich immer die nächste Saite spielen und muss nur nach dem E und nach dem H die Ebene wechseln. Das lässt sich (zumindest als Direkteinsteiger) mit relativ wenig Übungsaufwand flüssig spielen (da spreche ich aus Erfahrung).
Der Vorteil der diatonischen Harfe (mit Halbtonklappen) ist ja, daß sie auf eine Tonart eingestellt wird und ich die ganzen Vorzeichen, die vorne neben dem Notenschlüssel stehen, ignorieren kann (auf Klappen während des Spielens gehe ich jetzt mal nicht ein). Das kann ich bei einer chromatischen Harfe grundsätzlich nicht. Wenn vor einem E ein b steht, zupfe ich die Es (bzw. Dis)-Saite und wenn vor einem E ein # steht, dann zupfe ich die F (bzw. Eis)-Saite. Ein Umdenken muss also in jedem Fall stattfinden.
Außerdem finde ich, daß die gekreuzten Saiten das Finden der "richtigen" Saite erleichtert. Bei einer einreihigen chromatischen Harfe befinden sich zwischen C und F vier Saiten und zwischen F und C sogar sechs Saiten. Bei den gekreuzten Saiten sind zwischen C und F zwei Saiten (danach wechsle ich die Ebene) und zwichen F und C drei, danach wird wieder gewechelt. Man könnte natürlich ein neues Farbsystem erfinden, das das Finden der Saiten erleichtert, z.B. könnte man die A-Saite nochmal farblich absetzen, damit nicht sechs aufeinanderfolgende Saiten gleichfarbig sind.
Aufgrund der von dir genannten Knackpunkte (Saitenabstand, "Länge" der Harfe, geringe Oktavzahl) wurde ja die Harfe mit den gekreuzten Saiten erfunden. Wenn es jetzt eine einreihige werden soll, dann müssen irgendwo Kompromisse gemacht werden. Da ein gewisser Mindestsaitenabstand unverzichtbar ist und aufgrund der Armlänge auch der "Länge" der Harfe irgendwo Grenzen gesetzt sind, muss man dann halt mit weniger Oktaven leben und auf das Greifen von weit auseinanderliegenden Saiten verzichten. Beim Klavier greife ich auch maximal eine None, danach sind meine Finger zu kurz....
Also wirkliche Lösungsvorschläge kann ich dir leider nicht anbieten. Ich kann aber aus Erfahrung als Direkteinsteiger nur allen dazu raten, die gekreuzten Saiten einfach mal auszuprobieren. Sooooo kompliziert, wie es aussieht, ist es eigentlich gar nicht.
