Ich hab mich ja bereits daran gewöhnt, dass meine Wohnung eine Anziehungskraft für Wesen wirbelloser Tierarten darstellt, vor allem, was die offfenbare Eignung als Ort der letzten Ruhe angeht. Dass nun auch mein Instrument demselben Zwecke dienen soll, wird langsam merkwürdig.
So scheint sich zum Beispiel die gemeine Stubenfliege (Musca domestica) - die in meiner Wohnung dazu neigt, gegen Fenster zu fliegen, sich auf den Rücken zu legen und hernach wild durcheinandergewürfelt auf dem Boden rumzufahren - scheint sich besonders an den Basssaiten meiner Harfe zu erfreuen, da ich doch öfter von einem stehenden Instrument durch aufgesetzte Kopfhörer hindurch ein schlagartiges Brummen wahrnahm, das sich schließlich als der klägliche Versuch einer Musca domestica herausstellte, durch eine ebensolche Basssaite hindurch zu fliegen - nun war die Saite offenbar stärker als die Fliege und letztere konnte auch nicht mehr ins Leben zurückbeatmet werden, da sie nun doch mehr als ein Schleudertrauma erlitten zu haben scheint. Nun denn, an die Bassfliegen konnte ich mich mittlerweile gewöhnen, und da das Phänomen sich räumlich bislang auf meine offenbar bereits als Wirbellosenfriedhof beliebte Wohnung beschränkte, maß ich dem keine zusätzliche Bedeutung zu.
Doch nun dies! Neulich vor rund zwei Wochen nahm ich meine Harfe ins Freie auf meine noch recht frisch "erworbene" Obstwiese, spielte dort den einen oder anderen Klang und schließlich fügte ich das hölzerne Instrument wieder in seine ihm anvertraute Tasche und legte mich zeltenderweise zu Schlafsacke. Da ich nun nicht immer und nicht höchst regelmäßig Klänge erzeuge, die von genervtem Stöhnen abweichen, begab es sich erst heuer, dass ich zum Zwecke der Optimierung der Tonabnahme an selbigem Instrument dieses aus seinem Sacke befreite (ich weiß, man sollte sowas nicht so lang tun, aber ich bin zur Zeit oft ziemlich am Sack, um es etwas profaner zu formulieren), einen Blick auf die Klangdecke warf und mich wunderte, welches verschrumpelte Stückchen Plastik sich dort auf selbiger niederließ. Ich nahm nun das feste knusprige Etwas in die Hand und war erst recht erschrocken, als mir gewahr wurde, was ich dort in meinen nicht ganz so kalten toten Händen hielt. Einst war er vermutlich mal rund 10 cm lang, hatte einen Durchmesser von 10-15 mm, war vermutlich braun und hörte auf den schmucken Namen Arion vulgaris oder Spanische Wegschnecke. Dieses mir ohnehin nicht sehr sympathische Vieh (ich muss mich für meine Haltung gegenüber Schnecken etwas entschuldigen, es ist vielleicht das einzige Vorurteil, das ich mir gönne, aber ich hasse diese Drecksviecher seit nunmehr 27 Jahren, als ich im zarten Alter von 3 in eine ebensolche (es handelte sich um eine Gartenschnecke) versehentlich trat und die Überreste dieses Viechs überall an meiner damals noch kleineren Schuhsohle fand - seitdem zieht sich bei mir alles zusammen, wenn ich diese schleimigen Dinger seh) suchte sich offenbar als Hort der letzten Ruhe meine Harfe aus, nachdem es zuvor kreuz und quer durch die Tasche gewandert war.
Nur hat Arion V. die Rechnung ohne den Reißverschluss gemacht, welcher dem Tiere schließlich die Auswanderung in meine Wohnung (für mich glücklicherweise, für den Spanier: nun ja...) verwehrte und es wohl dazu brachte, sein Leben auf der Klangdecke einer böhmischen Hakenharfe auszuhauchen und auszudampfen. Als ich ihn/sie/es (am ehesten es, meines Wissens nach handelt es sich hierbei ja um Zwitter) in meiner Hand und in der nun eher untypischen Darreichungsform für Schnecken, nämlich der eines krossen, dicken, harten Chips, hielt, musste ich erstaunt sehen, dass das Tier offenbar perfekt durch seine gleichmäßige Dehydration derart konserviert wurde, dass außer einer Größenabnahme, einer Festigung und einer Farbabdunkelung noch alles an das ursprüngliche Wesen erinnert, was mir auch Raum für ein paar kleine Analysen lässt:
Die Dörrschnecke ist etwa 3 cm lang, 5-6 mm im Durchmesser, mattschwarz und fest. Vergleicht man nun die Abmessungen vorher und nachher, so kann man folgendes schließen:
Die Länge reduzierte sich auf 20-30% der Originallänge, nehmen wir mal 25% an. Der Durchmesser reduzierte sich auf ca. 40-50%, nehmen wir hier 45% an. Damit reduzierte sich das Schneckenvolumen bei der Dörrung auf ca. 25% x 45% x 45 %, also 5,0625%, sagen wir großzügig 6%. Das bedeutet, dass die Dehydration 94% der Schnecke in Luftfeuchtigkeit umsetzte und die Schnecke zuvor offenbar zu 94% aus Wasser oder anderen leicht verdunstenden Substanzen bestand.
So, was wollte ich eigentlich jetzt nochmal sagen?
Naja, egal, auf jeden Fall scheint auch meine Harfe Wirbellose todzuweihen, wie es bereits meine Wohnung tut.
Ich hoff mal, dass sich das nicht noch auf Wirbeltiere überträgt - da bin ich ja auch eines davon...
Die Harfe und das Tier
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Re: Die Harfe und das Tier



Wunderbar geschrieben!
(ich frage mich gerade, wie lange du gebraucht hast, um ein für den gängigen Forumsnutzer verständliches Wort für "Stückle" zu finden

- Anne
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Re: Die Harfe und das Tier
Könntest du nicht mal mit deiner Harfe bei mir im Garten die Verwandten von Arion V. weglocken?
Harfenfalle klingt doch viel schöner als Bierfalle

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Re: Die Harfe und das Tier
Na, Klasse!
Wahrscheinlich träume ich nun die ganze Nacht von Schnecken die,
die Darmseiten von meiner Harfe in sich einverleiben wollen, anstatt
weiterhin den Igeln draussen auf der Terasse die Erdnüsse wegzufuttern.
Aber schöne Geschichte, klasse Formuliert!


Wahrscheinlich träume ich nun die ganze Nacht von Schnecken die,
die Darmseiten von meiner Harfe in sich einverleiben wollen, anstatt
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War es möglich, dass Musik geheimste Gedanken und Gefühle übertragen konnte, jenseits aller Worte? Vielleicht sogar noch mehr, womöglich konnten wir auf diesem Wege noch weit tiefere Schichten unseres Wesens erreichen als mit unseren Gedanken. Gandalf
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Re: Die Harfe und das Tier
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Re: Die Harfe und das Tier
Konträr zu häufigen irrgeleiteten Meinungen beherrsche ich die standarddeutsche Kustsprache recht gut - die Obstwiese war mir damit also instant ein Begriff. Es handelt sich dabei schließlich um meine erste Fremdsprache, die ich im zarten Alter von 4 oder 5 Jahren erlernen durfte.
Wie dem auch sei, ich kann alle mit Träumen über Darmsaiten, die einer spanischen oder auch einer anderen Wegschnecke zum Opfer fallen, beruhigen:
Erstens würde es die Schnecke wohl vermutlich nicht versuchen (zu hart, etc.), aber wenn die denn unverschämt genug wäre, würde sie es vermutlich nicht überleben (ich weiß jetzt nicht, ob das ein hinreichend großer Trost ist).
Meine Arione hat jedenfalls nicht mal echte bleibende Spuren hinterlassen - zumindest keine, die nicht rückstandslos entfernbar waren. Der Gedanke an Schneckenspuren auf welchem Instrument auch immer jedoch vermag auch mich in einen Zustand leichten Unwohlseins zu versetzen. Aber wie ich bereits erwähnte, ich pflege ein eher angespanntes Verhältnis zu dieser Klasse von Tieren.
Ich bin übrigens bestechlich - gegen ein gutes Mahl spiele ich gerne auch den Schneckenfänger von Owen...
Wie dem auch sei, ich kann alle mit Träumen über Darmsaiten, die einer spanischen oder auch einer anderen Wegschnecke zum Opfer fallen, beruhigen:
Erstens würde es die Schnecke wohl vermutlich nicht versuchen (zu hart, etc.), aber wenn die denn unverschämt genug wäre, würde sie es vermutlich nicht überleben (ich weiß jetzt nicht, ob das ein hinreichend großer Trost ist).
Meine Arione hat jedenfalls nicht mal echte bleibende Spuren hinterlassen - zumindest keine, die nicht rückstandslos entfernbar waren. Der Gedanke an Schneckenspuren auf welchem Instrument auch immer jedoch vermag auch mich in einen Zustand leichten Unwohlseins zu versetzen. Aber wie ich bereits erwähnte, ich pflege ein eher angespanntes Verhältnis zu dieser Klasse von Tieren.
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Re: Die Harfe und das Tier
Leider ist die Dame, die die "Obstwiese" so lobend hervorhob im Moment wohl etwas von der Kommunikation hier abgeschnitten
rein technisch versteht sich
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Jürgen

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Re: Die Harfe und das Tier
Hatte Glück gehabt, Alle Saiten waren am Nächsten Morgen noch dran und es hingen auch keine schleimigen undefinierbare überreste darin. Bevorzugten doch wohl lieber die Erdnüsse draußen.Aendless Luup hat geschrieben:Wie dem auch sei, ich kann alle mit Träumen über Darmsaiten, die einer spanischen oder auch einer anderen Wegschnecke zum Opfer fallen, ....... , ich pflege ein eher angespanntes Verhältnis zu dieser Klasse von Tieren.

Naja, mein Verhältnis zu denen ist auch nicht gerade von Hochfreude bestückt.

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Re: Die Harfe und das Tier
da spielst du dann in Owen,Aendless Luup hat geschrieben: Ich bin übrigens bestechlich - gegen ein gutes Mahl spiele ich gerne auch den Schneckenfänger von Owen...
da wo sie schwäb'schen Whisky brauen

reimt sich so schön ......