Einkommen von Musikern

Hat gar nix mit Harfen zu tun, aber du willst es trotzdem unbedingt loswerden? Dann mal los.
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sanne
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Re: Einkommen von Musikern

Beitrag von sanne »

@ Jürgen

Ich möchte mich auch nicht falsch verstanden wissen, deshalb hier ein paar Worte zur Klärung. :_smile_:
Dein Posting weiter oben zeigt mir eine Meinung, die ich weitgehend teile.
Es ist selbstverständlich wünschenswert, dass Gehälter nicht so weit auseinanderklaffen, dass der eine sich die Arbeit des anderen nicht leisten kann.
In unserer kapitalistischen Gesellschaft ist es eben nunmal so, dass Ausbildung (und manchmal auch Berufserfahrung) höher bezahlt wird. Bis zu dem Maß, in dem der länger ausgebildete auch erst später anfängt, Geld zu verdienen, wäre das verständlich. Aber manchmal - gerade in der freien Wirtschaft - klafft die Schere m.E. zu weit auseinander.
Ich bin also bei weitem kein Fan der kapitalistischen Marktwirtschaft (wie könnte ich auch als Musiklehrerin... :_rolleyes_: ), sondern würde mir selbstverständlich wünschen, dass sich jeder den Musikunterricht leisten kann. (Die Idee des Jeki - "jedem Kind ein Instrument" - wollte das, ist aber leider an finanzieller Unterstützung gescheitert).

@ Anne
Ich kenne aus meinem eigenen Job genügend Beispiele von Kindern, die liebend gerne ein Instrument lernen würden, bei denen es aber finanziell einfach nicht machbar ist, die 70,-€ für die örtliche Musikschule aufzubringen... Gerade hier sind meiner Meinung nach auch die öffentlichen Musikschulen in der Pflicht hier einer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Das heißt natürlich nicht, dass sie das Gehalt der Lehrer drücken sollen, sondern ihre Gebührenpolitik überdenken...
Wenn dann ältere Schüler oder Laien für ein Taschengeld einspringen ist das für die Betroffenen Gold wert, auch ohne Studienabschluß. Denn es ermöglicht denen die Teilhabe an unserer Gesellschaft, die Möglichkeit sich über Musik auszudrücken und zu verwirklichen die sonst davon ausgeschlossen wären. Das ist nicht die Wahl zwischen Hobby- und Profimusiker, sondern zwischen dem erlernen eines Instrumentes oder keines lernen zu können.
Dein Posting drückt gleich mehrere Probleme aus, mit denen wir hierzulande zu kämpfen haben.

Einerseits die Finanzlage: Du hast vollkommen recht - die Musikschulen haben durchweg zu hohe Gebühren (geringer verdienende und Geschwister brauchen alle viel mehr Zuschuss). Da man an den Gehälter schlecht noch drehen kann (Instrumentalpädagogen verdienen auch nicht mehr als Grundschullehrer), wäre die einzige Finanzquelle die Länder. Auf die Kommunen wird sowieso schon zu viel abgewälzt, also müßten die Länder, wenn sie Musikunterricht wollen, ihn auch mind. zu einem Drittel bezahlen. In Ländern mit Musikschulgesetzen funktioniert das einigermaßen, aber die meisten Länder zahlen nur 10% der Kosten!
Als zweites sehe ich den Beruf der Instrumentallehrer: In den Sechziger-Jahren wurde das Musikstudium für Pädagogen etabliert und dann nach und nach in den Musikschulen immer mehr anerkannt (Vdm-Musikschulen nehmen nur noch examinierte Lehrer). Inzwischen wird wieder zusehends mehr Unterricht von "Laien-" und "Hobbymusikern" angeboten, was auf die mangelnden Zuschüsse an Musikschulen und die geringere Zahlkraft der Eltern zurückzuführen ist. Alles verständlich, aber es macht uns Musiklehrer natürlich zusehends arbeitslos... :_undecided_:

Ich hoffe, mich verständlich gemacht zu haben - das ganze ist ein echtes politisches Problem.
Es gibt und gab natürlich immer auch Staaten, in denen für die musikalische Erziehung alles getan wurde und begabte Kinder kostenlos gefördert (und gedrillt) wurden... aber manche dieser Vorteile wurden eben z.B. bei der "Wiedervereinigung" selbstverständlich auch in den neuen Ländern sofort abgeschafft.
Kailash
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Re: Einkommen von Musikern

Beitrag von Kailash »

Ich hoffe, mich verständlich gemacht zu haben - das ganze ist ein echtes politisches Problem.
Es gibt und gab natürlich immer auch Staaten, in denen für die musikalische Erziehung alles getan wurde und begabte Kinder kostenlos gefördert (und gedrillt) wurden... aber manche dieser Vorteile wurden eben z.B. bei der "Wiedervereinigung" selbstverständlich auch in den neuen Ländern sofort abgeschafft.
Hier würde ich gern einhaken wollen: Selbstverständlich ist persönliche Initiative ein wichtiger Aspekt und auch eine ganz wichtige Triebfeder für die gesellschaftliche Debatte, aber letztlich muss mensch sich das dann auch leisten können, seine Arbeit zu verschenken. Ich unterrichte auch ab und zu mal ganz gern, und nehme für meine Kurse in meiner Metrik nur "einen Appel und ein Ei", bin aber meistens froh, nicht davon leben zu müssen. Insofern würde ich es eben auch nicht in der persönlichen Verantwortung und Haltung belassen wollen, sondern hier auch den gesellschaftlich-politischen Aspekt unterstreichen. Wie wollen wir - als Gesellschaft - mit Kultur umgehen, welchen Stellenwert hat Musik, wie wird musikalische Begabung gefördert ?
Beim Sport gibt es eine allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz, dass Breitensport "Gesellschaftskitt" ist und die Basis dafür, dass irgendwann Spitzenleistungen entstehen können und Spitzensportler rekrutiert werden können (wenn es denn um sowas geht, aber dieser Aspekt scheint ja in unserer derzeitigen und hiesigen Welt wichtig zu sein). in jedem Dorf gibt es Fussballvereine, Jugendarbeit, Organisaiton, Unterstützung von Engagement. Bei Musik gab es diese Akzeptanz noch in den 70er und 80er Jahren mit Musikschulen, Wettbewerb "Jugend musiziert", Landesjugendorchestern, Bundesjugendorchester etc.. Auch damals war das Ganze eine mehr bildungsbürgerliche Veranstaltung, aber durchaus durchlässig für Begabungen, die ausserhalb des bildungsbürgerlichen Hintergrundes rekrutiert wurden, diese bekamen Chancen. Das hat sich spätestens seit den Nullerjahren (wahrscheinlich setzte die Bewegung schon früher ein) deutlich reduziert.
Wenn man zum Beispiel nach Finnland, aber auch in die skandinavischen Länder oder in die Schweiz schaut, sieht man, dass es eben auch andere Formen von Zugängen und Förderungen geben kann, die dann auch ein sehr reichen breiten- und spitzenkulturelles (Ok, letzteres ist in der CH recht teuer, insofern eine Ausnahme) Leben hervorbringen können. In Finnland sind Konzerteintritte für tolle Konzerte für 10 - 20 Euro zu haben. Es gibt eine reiche geförderte Tanz- und Neue Musikszene, mittlerweile auch eine tolle alte Musik-Szene, die selbstverständlich alimentiert wird, ohne dass ständig nach private public partnershiop udn return on invest und "ab in fünf Jahren aber bitte eigenwirtschaftlich" gefragt wird. (Reich wird man davon nicht, aber man kann kretaiv sein, ohne Angst haben zu müssen, ob die nächste Miete bezahlt werden kann. Und Qualitätssicherung gibt es schon auch.) Aber es muss eben den gesellschaftlichen Konsens geben, dass "man" sich das "leisten" möchte, und von dem scheinen wir in D leider mittlerweile weit entfernt zu sein.
Insofern würde ich schon gern darauf hinweisen wollen, dass die Diskussion hier zwar gut ist, aber durchaus die persönlichen Meinungen und dieses Forum auch überschreiten sollte - sie gehört in die Lokalpolitik, in die Elternabende, in die Bundespolitik. Ausserdem ist es natürlich jedem überlassen, sein Spendenverhalten und zivilgesellschaftliches Engagement entsprechend zu gestalten und auch damit zu zeigen, was man für wichtig hält.

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Auf vielen Wegen ist ein Lehrer hilfreich, der dich begleitet.
Die Grundvoraussetzungen, Geduld und Disziplin, kannst du nur selbst lernen.
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Anne
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Re: Einkommen von Musikern

Beitrag von Anne »

sanne hat geschrieben:Inzwischen wird wieder zusehends mehr Unterricht von "Laien-" und "Hobbymusikern" angeboten, was auf die mangelnden Zuschüsse an Musikschulen und die geringere Zahlkraft der Eltern zurückzuführen ist. Alles verständlich, aber es macht uns Musiklehrer natürlich zusehends arbeitslos... :_undecided_:
Sorry, aber das ist die gleiche Milchmädchenrechnung wie wenn Leute einem vorrechnen wieviel einen PkW Kilometer im Vergleich zum Bahnkilometer kostet, denn dazu müsste man den PkW ganz abschaffen, denn sobald man ihn hat zahlt man eben Versicherung Steuer und Wertverlust. da zumindest auf dem Land keiner drauf verzichten kann ist die ganze Rechnung für die Katz, genau wie in deinem Beispiel.
Ich sags mal in Zahlen: Musikschule Y entlässt Musiklehrer X weil 20 Kinder weniger kommen als erwartet. Gleichzeitig bekommen 20 Kinder bei den Hobbymusikern P,Q,R Unterricht um 35,-€ im Monat. Unterrichten diese Laien nicht, kommen die Kinder trotzdem nicht in die Musikschule Y zu Lehrer X weil die Elern sich die 70,-€ nicht leisten können! Die können dann eben kein Instrument lernen und Lehrer X ist trotzdem seinen Job los. Nicht die Laien machen Musiklehrer arbeitslos, weil die Arbeit die sie übernehmen keine Konkurrenz zu den Musiklehrern in der Musikschule ist, denn die Musikschule macht in dem Preissegment kein Angebot und die Eltern können sich kein anderes leisten. Drum bin ich froh um diese Hobbymusiker! Sie verschaffen Kindern die Möglichkeit ein Instrument zu lernen denen die Musikschulen keine Möglichkeit geben - von Privatunterricht bei ausgebildeten Kräften reden wir gleich gar nicht.....

@Kailash
das findest du an vielen Orten, vergleich mal die Preise an der Wiener Staatsoper mit denen in einem deutschen Musicaltheater... und damit meine ich noch nicht mal die Sonderpreise die es für Restkarten unmittelbar vor Beginn gibt
treespirit
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Re: Einkommen von Musikern

Beitrag von treespirit »

Anne, ich finde, "Milchmädchenrechnung" ist zu viel gesagt.

Sicher mag es Schüler geben, die entweder billigen Amateur-Unterricht nehmen oder gar keinen; schön für jeden, der auf diese Weise eine Chance mit Musik bekommt! Es wird auf der anderen Seite aber auch genug Leute geben, die sich sehr wohl teureren Unterricht bei Diplommusiklehrern leisten könnten, sich jedoch nach einem simplen Preisvergleich, wie jeder ihn im Supermarkt macht, für das billigere Angebot entscheiden.

Die Frage, ob das nun gut oder schlecht oder neutral ist, lasse ich vorsichtshalber mal offen. :_wink_:
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Re: Einkommen von Musikern

Beitrag von Anne »

treespirit hat geschrieben:Anne, ich finde, "Milchmädchenrechnung" ist zu viel gesagt.

Sicher mag es Schüler geben, die entweder billigen Amateur-Unterricht nehmen oder gar keinen; schön für jeden, der auf diese Weise eine Chance mit Musik bekommt! Es wird auf der anderen Seite aber auch genug Leute geben, die sich sehr wohl teureren Unterricht bei Diplommusiklehrern leisten könnten, sich jedoch nach einem simplen Preisvergleich, wie jeder ihn im Supermarkt macht, für das billigere Angebot entscheiden.

Die Frage, ob das nun gut oder schlecht oder neutral ist, lasse ich vorsichtshalber mal offen. :_wink_:
Nur wer sich den offensichtlichen Mehrwert eines professionellen Unterrichtes samt allem was zb an einer Musikschule dazugehört ( Vorspielabende, Konzerte, Orchester) nicht leisten will wird es auch nicht tun.
Um zum Supermarktvergleich zurück zu kommen, wer ein hochwertiges Produkt zu einem angemessenen Preis verkaufen möchte muss die Kunden überzeugen. Es ist keine Lösung billige Lebensmittel zu verbieten - und die die drauf angewiesen sind sollen schaun wie sie satt werden.......
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Re: Einkommen von Musikern

Beitrag von sanne »

@teespirit

Ich glaube, du hast es auf den Punkt gebracht.
Jeder Verbraucher muss aus dem Angebot das für ihn passende raussuchen.
Billigangebote ziehen natürlich immer auch das Interesse zahlungsfähiger Kunden auf sich und manchmal findet dann ein Qualitätsvergleich erst hinterher statt.

@Anne

Auch du hast recht damit, dass ein angebotenes Qualitätsprodukt die Kunden eben überzeugen muss.
Und genau das versuchen Musikschulen, indem sie auf die Ausbildung ihrer Lehrer hinweisen und hoffen, dass die Eltern einschätzen können, was der qualifizierte Unterricht für ihr Kind wert ist.

Alles andere muss nach dem Vergleich jeder für sich selbst entscheiden.
Es gibt ja auch unterschiedlichste Arten von Schülern (kleine Kinder, die langsam herangeführt werden wollen, größere, die ein fundamentale Ausbildung wollen, Jugendlich, die evtl. mal Musik studieren wollen, Erwachsene, die wieder einsteigen oder spät neu mit einem Instrument anfangen) - warum dann auch nicht die unterschiedlichsten Lehrer. Jeder muss nur für sich wissen, was für ihn das wichtigste ist und ob sich dafür ein höherer Unterrichtspreis lohnt.
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