Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Antworten
Auryn
schon länger da
Beiträge: 43
Registriert: Mi 19. Okt 2011, 14:25
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Camac Isolde
Kontaktdaten:

Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Auryn »

Hallo zusammen,

da es außer mir bestimmt noch viele andere Blinde gibt, die sich fragen, ob das Spielen der Harfe ohne Augenlicht denn so ohne weiteres möglich ist, wollte ich hier mal meine Erfahrungen festhalten.
Zudem habe ich schon den ein oder anderen Thread gefunden, wo es genau darum ging. Daher hoffe ich, mit diesem Beitrag dem ein oder anderen blinden Musiker eine Hilfestellung bieten zu können.

Um die spannensde Frage gleich vorweg zu nehmen: Ja, es ist möglich!
Wie bin ich zur Harfe gekommen?
Nun, vor ein paar Jahren war in einer TV Sendung eine Harfenistin zu Gast und spielte auf ihrer Doppelpedal Harfe. Den Klang der Harfe kannte ich zwar schon lange, doch hatte mich dieser Beitrag erst richtig inspiriert. Doch als in der Sendung erwähnt wurde, dass die Saiten zur Orientierung eingefärbt sind, verschwand die Motivation wieder sehr schnell.
Etwas, was mit Farben zu tun hat, kann für einen Blinden nicht geeignet sein. Dachte ich jedenfalls...
Viel zu viele Saiten, dann noch die Pedale und überhaupt... Bestimmt viel zu schwer.

Irgendwann dann, ging ich durch die Stadt und wurde von einem vertrauten Klang angezogen. Da saß jemand in der Fußgängerzone und spielte seine Harfe.
Und da war sie wieder! die Motivation. Ich hatte mich ein wenig mit ihm unterhalten und erfuhr, dass es sowas wie keltische Harfen gibt und das man sich das spielen sogar selber beibringen kann. Da schwor ich mir: Egal wie schwer es ist, ich will Harfe spielen!

Also hatte ich mich hier im Forum angemeldet. Der ein oder andere dürfte sich bestimmt noch an den Thread "Barde im harfen Wirr Warr" erinnern.
Erst einmal danke an alle, die ihre Kreativität spielen ließen, um einen Blinden das Harfe spielen zu ermöglichen.
Interessante vorschläge kamen dabei raus.
Um jede C Saite einen Streifen Tesafilm kleben, einen tropfen Sekunden Kleber an jede C Saite usw.

Doch ich kann jeden beruhigen. Nichts davon ist nötig. Sowohl die Abstände der Saiten, als auch die Lage der einzelnen Töne hat man mit etwas Übung sehr schnell im Kopf.
Aber das Stichwort ist hier üben! Also nicht die Harfe in der Ecke einstauben lassen. ;) ich übe täglich die Sprünge zwischen den Akkorden und mittlerweile finden meine Hände die Abstände von ganz alleine.
Übrigens spiele ich eine Camac Isolde, die ich nur wärmstens empfehlen kann. Tolles Instrument und toller Klang!

Meine Empfehlung: Nehmt Unterricht! Ja, ich weiß. ich habe erwähnt, dass man sich das spielen auch selber beibringen kann und für Sehende trifft das bestimmt auch noch mehr zu.
Doch gerade für uns blinde Musiker ist eine korrekte Handhaltung unerlässlich und erleichtert die Orientierung ungemein! Man findet sich viel besser zurecht. Glaubt es mir!
Warum für uns ausgerechnet? Der Sehende sieht die Saiten und kann sich schnell korrigieren, falss er mal eine falsche erwischt. Das können wir nicht. Jeder ton muss sitzen. Ansonsten verzettelt man sich nur und kommt komplett aus dem Konzept. Mit der richtigen Haltung und dem richtigen Fingersatz passiert das nur sehr sehr selten. Es klingt einfach schöner und ihr fühlt euch sicherer und seid entspannter.

Aber der hat doch bestimmt schon früh angefangen zu spielen, oder? Falsch!
OK, ich habe zwar vorher schon Klavier gespielt. Mit dem Harfe spielen habe ich aber erst mit 27 angefangen.
Ich war also definitiv kein Kind, das mit Instrumenten groß geworden ist und das das spielen mit der Milch eingeflößt bekommen hat. Auch das Klavier Spielen habe ich erst mit 19 angefangen.

Wenn du also bis jetzt noch vor der harfe zurückgeschreckt bist; Trau dich einfach und probier es aus!

viele Grüße,

Maik
Benutzeravatar
ClarSach
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 592
Registriert: So 14. Feb 2010, 10:37
Meine Harfe(n): jetzt:
klassisch: L&H Prelude
vielseitig: Camac Excalibur

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von ClarSach »

Schön zu lesen, Maik! Vielleicht ist https://www.harpcolumn.com/forums/topic ... hos-blind/ für dich interessant.
Tordis

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Tordis »

Lieber Maik,
wenn ich es richtig verstanden habe, bist du blind und hast dir das Harfe spielen selbst erarbeitet. Davor habe ich große Hochachtung, da ich als "Sehende" mit dem Erlernen meine Anfangsschwierigkeiten hatte und auch noch immer mal habe.
Wobei ich immer den Rat bekam, ohne auf die Saiten zu schauen, zu spielen. Das gelingt mir nicht. Kann zwar ohne Noten, aber nicht ohne hinzuschauen spielen. Spielst du also intuitiv? Und fühlst du, wo die Saiten sich befinden?

Ich freue mich für dich, dass du dieses wunderschöne Insrument erlernt hast und wünsche dir weiterhin ganz viel Freude und Erfolg.

Tordis
Benutzeravatar
Maira
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 5052
Registriert: So 6. Jan 2013, 17:59
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Maira Bausatz von Klaus Regelsberger, Schwabach
Hobbit von Klaus & Annika Regelsberger, Schwabach
Fischer 80 von Thomas Fischer, Traunstein

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Maira »

Hallo Maik , das mit der Handhaltung / Fingertechnik trifft unbedingt zu , auch für ,,sehende" Harfenspieler.
Ist mir grade eben aufgefallen.
Ich habe wirklich viele Noten angesammelt , und jetzt, nachdem ich ein paar gute Muster/Fingersätze
gezeigt bekommen und geübt habe , kann ich in meine ,, Mottenkiste" greifen und Stücke,
die ich wegen diversen Schwierigkeiten da hinein legte, hervorholen.
Und hoppla , was ich vor 2-3 Jahren nicht hingekriegt habe, jetzt ist das eigentlich gar nicht mehr schwer.
Unterricht , und wenn auch nur sporadisch , ist wirklich nötig.
Das merke ich vor Allem jetzt , da ich seit Kurzem einen Schüler habe.
Da sehe ich genau die gleichen Fehler und Schwierigkeiten , mit denen ich auch
schon kämpfte. Ich werde weiterhin , sporadisch , Unterricht nehmen damit ich noch
bessere Fingertechniken lernen kann.
Dann klappt das auch mit dem Spielen und macht dann auch richtig Freude.
Beste Grüße Maira
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
Auryn
schon länger da
Beiträge: 43
Registriert: Mi 19. Okt 2011, 14:25
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Camac Isolde
Kontaktdaten:

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Auryn »

Hi zusammen,

erst einmal danke. Auch dank dir Clarsach für den Link.
Da werde ich reinschauen.

@ Tordis
Ne, ich habe mir unterricht genommen und bin auch sehr froh darüber. Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich bestimmt viele Fehler verinnerlicht, die mich beim spielen nur behindert hätten.
ich bin mir ganz ganz sicher, dass du das kannst. Könnte ich sehen, würde ich bestimmt auch zu denen gehören, die es nicht ohne hinsehen könnten.
Aber da ich nun mal dazu GEZWUNGEN bin, es anders zu machen, habe ich es so auch gelernt. sicher, man muss viel und auch länger üben. Aber dafür sitzt es auch mehr.
Setz dich doch einmal eine Stunde mit verbundenen Augen vor die Harfe und übe Akkordsprünge. du wirst merken, dass es immer besser und zielsicherer klappt. Und wenn du es täglich übst, wirt du es bald auch ohne hinsehen schaffen. Da bin ich mir ziemlich sicher und gebe dir Brief und Siegel darauf.
Man glaubt manchmal gar nicht, wozu das Gehirn alles in der Lage ist, wenn man keine andere Wahl hat.

@ Maira
Ganz genau so sehe ich es auch. Unterricht und wenn er nur sporadisch ist, hilft immer.
manchmal steht man sich mit seinen Händen selber im Weg und wenn der Lehrer dann zeigt, wie es richtig geht, geht einem plötzlich ein Licht auf.
Auryn
schon länger da
Beiträge: 43
Registriert: Mi 19. Okt 2011, 14:25
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Camac Isolde
Kontaktdaten:

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Auryn »

Hi Bernhard,

dank dir. Freut mich, dass dich meine Seite interessiert.
Was Samplitude betrifft, muss ich allerdings sagen, dass ich mittlerweile auf Reaper umgestiegen bin. Irgendwie passiert mir bei Magix zu wenig. Ich habe das Gefühl, dass die sich mehr auf den Musikmaker etc. konzentrieren.

Wie hat er sich denn die Stücke gemerkt? Das würde mich jetzt ja mal interessieren.

Übrigens... Ebenfalls tolle Seite! Habe vor ein paar Wochen schon einmal drauf geschaut.
du hast da eine Harfe im Angebot, die mich eventuell zukünftig noch interessieren wird. ;) Die Isolde ist doch ein wenig groß zum mitnehmen.

bist du auch auf dem harfensommer?
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6435
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Der Juergen »

Auryn hat geschrieben:[…] bist du auch auf dem harfensommer?
Hallo Auryn,
da ich als Veranstalter des Harfensommers die Aussteller einlade, kann ich dir die Frage mit einem klaren Nein beantworten.

Hier findest du die eingeladenen Aussteller des Harfensommers 2015:
http://www.harfensommer.de/x/harfensomm ... eller.html

Möglicherweise bietet Jonathan Dentler das von dir gesuchte Modell an, frag ihn einfach danach.
http://www.harfenbau-dentler.de

Liebe Grüße
Jürgen
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
pamukkale
schon länger da
Beiträge: 12
Registriert: Di 4. Nov 2014, 15:41
Postleitzahl: 80331
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Lyon & Healy Ogden 34 Saiten
Wohnort: München

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von pamukkale »

Sehr schöner Beitrag - sehr inspirierend.

Bewunderswert wie du dir das Harfe spielen beigebracht hast.

LG
Benutzeravatar
Helga
schon länger da
Beiträge: 18
Registriert: Fr 27. Nov 2015, 19:00
Postleitzahl: 58135
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Athanasos aus Nussbaum und Eschenholz von Lutz Böhnisch
Jessie Ultralight von Lewis Creek
Wohnort: Hagen in Westfalen
Kontaktdaten:

Re: Erfahrungsbericht eines blinden Harfenisten

Beitrag von Helga »

Hallo Maik!
Auch ich finde deinen Erfahrungsbericht sehr hilfreich für sehende Menschen und Harfenspieler. Ich fange ja gerade erst an, Harfe zu üben, und habe eine Gleitsichtbrille. Da sehe ich nur manche Seiten scharf, und viele verschwommen, was sehr verwirrend ist. Deshalb fange ich schon an, einfach zu tasten, wo dir nächste Seite ist. Es hilft mir auch sehr, wenn ich vorher weiß, wie es sich anhören soll.
Ich bin nun schon 53, und könnte fast traurig sein, dass ich nicht früher angefangen habe, Aber ich weiß eigentlich, dass im Leben alles irgendwie zur rechten Zeit kommt. Ich denke, dass diese intensiven und ungewohnten Feinmotorikaktivitäten mein Gehirn und mich im Ganzen nochmal so richtig in Schwung bringen..... :_smile_:

liebe Grüße Helga
Es gibt wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen. – Mahatma Gandhi
Antworten