Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Du hast etwas schönes, ärgerliches, spannendes, trauriges mit deiner Harfe erlebt? Erzähl uns davon.
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sharpie
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Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von sharpie »

Hallo zusammen,

vorab: mir ist klar, dass es kein richtig und falsch gibt, aber mich würde mal der Austausch zu folgendem Thema interessieren.

Ich habe festgestellt, dass ich am einfachsten lerne, wenn ich etwas immer wieder mit- und nachspielen kann. Ganz grandios laufen für mich da zum Beispiel Lernvideos wie die von Christy-Lyn, wo die Stücke in kleine Häppchen zerlegt sind.
Sie zählt auch immer mit, aber eigentlich habe ich mir den Rhythmus immer versucht ohne Zählen einzuprägen sondern ihn eher zu "verinnerlichen".

Meine Harfenlehrerin ist nur sehr auf Rhythmus bedacht und zählt immer ganz fleißig mit. Das Zählen lenkt mich wiederum von der Melodie und den Saiten ab.

Ich habe nun aber doch mal, auf ihr Anraten hin, beim aktuell zu lernenden Stück angefangen mir konsequent die Zahlen dazu zu schreiben (1+2+3+) und auch dann langsam laut mitzuzählen und zu spielen.
Es geht. Aber sehr langsam, von der Melodie ist kaum was zu erkennen und wirklich spaß macht es auch nicht.

Es kommt mir vor als würde ich mir ein Bild anschauen und statt Farben zu sehen nur die RGB-Werte lesen.

Ich habe ja keine ernstzunehmende musikalische Ausbildung vor der Harfe gehabt und so versuche ich für mich immer noch den idealen Weg zu finden.

Wie lernt ihr?
Könnt ihr vom Blatt spielen und bekommt eine Vorstellung vom Stück? Ich muss es in den meisten Fällen woanders hören (Youtube) um eine Vorstellung zu bekommen wie es klingen soll.

Zählt ihr selbst mit? Nutzt ihr ein Metronom? Oder spielt ihr eher intuitiv.

Liebe Grüße
Sharpie
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Aoi
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von Aoi »

Hallo Sharpie!

Das Thema wurde ansatzweise auch schon in diesem festgepinnten Thread behandelt.

Ich selber habe mit dem mitzählen auch so meine Probleme, Metronom kommt auch schon mal zum Einsatz,
fällt mir aber auch ein wenig schwer. Übe Abschnittweise mit der Spielhand(rechts) füge diese dann allmählich
zusammen, schwierigere Abschnitte picke raus und nehme diese immer wieder extra vor. Erst wenn ich eine
gewisse Routine mit der Spielhand habe, fange ich im ähnlichen Spiel mit der Begleithand(links) zu üben, wobei
ich da schon gerne schnell anfange die Abschnitte mit beiden Händen zusammen zu üben. Irgendwann bekomme
ich dann auch den Fluß Zeile für Zeile hin und füge diese dann allmählich zum Gesamtstück zusammen. Auch
die Abschnitte mal von hinten zu üben bringt eine gewisse Routine. Ich höre mir auch gerne mal die Stücke auf
Youtube an dennoch kann das, das eigene Hörgefühl auch gerade betreffs Takt/Geschwindigkeit Trüben. Man
hat hinter der Harfe Sitzend und spielend meist eine andere Wahrnehmung als wie der Zuhörer davor, da ist es
nicht schlecht wenn man ein Aufnahmegerät/ Recorder hat wie zum Beispiel eins von Zoom hat was man vor
der Harfe postiert. Auf den Aufnahmen erkennt man besser seine Unsicheren Stellen und kann diese Effektiver
üben. Meistens habe ich dann zwei Stücke die ich übe. Ein Altes oder wo ich schon besser im Fluß bin und ein
neueres, da man ja auch nicht jeden Tag gleich Gut drauf ist. Aber Grundsätzlich fange ich das Üben immer
ungezwungen mit Fingerübungen an um die Finger erst ein mal zu entkrampfen und zu lockern.

Bild
Bleibt Gesund
Lg
Astrid
War es möglich, dass Musik geheimste Gedanken und Gefühle übertragen konnte, jenseits aller Worte? Vielleicht sogar noch mehr, womöglich konnten wir auf diesem Wege noch weit tiefere Schichten unseres Wesens erreichen als mit unseren Gedanken. Gandalf
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sharpie
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von sharpie »

Ups! Peinlich! Danke für den Hinweis. :_embarassed_:
Anatker611
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von Anatker611 »

Hallo ☺️
Also ich spiele neue Stücke einmal die Melodie, nur um zu sehen, wie der Fingersatz ist und ohne auf den Rhythmus zu achten. Dann unterteile ich in Abschnitte und diese Abschnitte spiele ich ein zwei mal links und rechts und dann füge ich gleich beide Hände zusammen und übe den Abschnitt bis er gut zusammen läuft. Früher habe ich leise mitgezählt aber ich habe festgestellt, dass ich an schwierigen Stellen langsamer werde. Deshalb übe ich jetzt mit Metronom. Aber am Anfang ganz langsam. Z. B. bei meinem aktuellen Stück ist angegeben 100 und ich übe die Abschnitte mit 45. Wenn ich alle Abschnitte langsam kann und das Stück durchspielen kann, fange ich an die Geschwindigkeit zu steigern. U.U. übe ich dann wieder einzelne Abschnitte, die schneller nicht gleich laufen. Richtig zuhören klappt, wenn die Finger einigermaßen wissen, wo sie hin müssen.
Ich habe allerdings in der Vergangenheit verschiedene Instrumente zeitweise gelernt.
Viel Spaß beim üben.
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merit
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von merit »

Liebe Sharpie, das Deine Lehrerin sehr auf Rhytmus bedacht ist, ist großartig! Rhytmus wird von der Mehrheit der Menschen viel stärker wahrgenommen als Tonhöhe, dementsprechend fallen Schwankungen in Tempo und groove sowie "Taktverkürzungen", die ja die Harfe als Kurztöner "gern" mal macht, viel mehr auf als eine falsche Tonhöhe.

Mich würde mal interessieren, ob Deine Lehrerin einen Grund für´s Mitzählen hat. Kriegst Du den Rhytmus auch ohne Mitzählen korrekt hin oder funktioniert das nicht? Macht sie das einfach nur so, weil man das so macht?

Auch bei Leuten mit "ernstzunehmender musikalischer Ausbildung" (zu denen ich nicht gehöre) gibt es meiner Erfahrung nach sehr verschiedene Strategien zum Lernen von Stücken. Da kann man viel lernen, wenn man mal gezielt in dieser Gruppe Leute herumfragt, und schauen, was davon für einen selbst am besten funktioniert.

Was Du beschreibst, klingt für mich eher nach "Stück üben" als nach "Stück lernen".

Mein Tip ist generell immer erstmal mehr "Achtsamkeit", wenn was nicht klappt bzw. nicht korrekt klappt. "korrekt" meint hierbei das, was man vom Lehrer/vom Originalvideo/audio hört oder was in den Noten steht.

Zweiter Tip: (von einem sehr guten Perkussionisten bekommen) mitbewegen! Und Metronom. So oft es geht. Ich persönlich nutze ich das hautpsächlich zum Tempotraining und nur sehr selten zum Herausfinden einzelner, rhytmisch unklarer Stellen.

Es gibt inzwischen jede Menge Möglichkeiten, ein Stück, das man nur auf Noten hat, in etwas Hörbares zu übertragen und dann zu lernen. Z.B. könntest Du das Stück in ein Notenschreibeprogramm eingeben und mitspielen - oder Deine Lehrerin könnte Dir die Abschnitte zum Mitspielen aufnehmen und dann noch einen take zusammengesetzt.

Herzliche Grüße, Merit Zloch
Nea
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von Nea »

Wow! Spannendes Thema!

Vielleicht gibt es nicht den "einen, richtigen Weg" Tempo und Rhythmus zu lernen. Zur Klärung vorab: Bin keine Expertin auf dem Gebiet, finde das Thema aber sehr interessant. Meine Beobachtung zum Thema wäre diese:

Vielleicht gibt es unterschiedliche Lerntypen, so würde ich es einmal nennen. Die einen lernen besser, wenn sie mitzählen, also verbal (1+2+3+), die anderen eher nicht verbal, nur mit Metronom oder mit Bewegungen, wie von Merit beschrieben.

Wie die rhythmischen Zusammenhänge im Stück aussehen, schaue ich mir vorher an.
Wie machen das andere?
Und gibt es da Tips?
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sharpie
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von sharpie »

merit hat geschrieben: Do 18. Feb 2021, 09:48 Liebe Sharpie, das Deine Lehrerin sehr auf Rhytmus bedacht ist, ist großartig! Rhytmus wird von der Mehrheit der Menschen viel stärker wahrgenommen als Tonhöhe, dementsprechend fallen Schwankungen in Tempo und groove sowie "Taktverkürzungen", die ja die Harfe als Kurztöner "gern" mal macht, viel mehr auf als eine falsche Tonhöhe.
Vielen Dank liebe Merit. Das ist mal eine sehr interessante Information für mich.
Mir ist es tatsächlich gestern beim schauen eines Youtube-Videos des Stücks, dass ich gerade lerne (Scarborough Fair im Arrangement von Deborah Friou) aufgefallen. Es mehrere Aufnahmen von top Harfenisten (Josh Layne zum Beispiel). Ich hab mir aber auch eine Aufnahme angeschaut von einer Dame die vermutlich noch nicht so lange spielt und genau diese rhythmischen Ungenauigkeiten sind mir wahnsinnig aufgefallen.
Pausen, die ein kleinen Tick zu lang sind, Veränderung im Tempo, ...
Das was ich beim selber spielen gar nicht soooo stark wahrnehme.

Von dem her ist es vermutlich tatsächlich besser auch mal an seinem Rhythmusgefühl aktiv zu arbeiten.

Der Grund für´s Mitzählen ist, dass ich wohl etwas zu sehr Freestyle unterwegs war. :_grin_:

Beim vorigen Stück (Hurt in der Johnny Cash Version) wiederholen sich manche Abschnitte sehr oft, variieren dann aber immer in kleinen Nuancen.
Und ich hab dann halt eher großzügig meine 8tel und 4tel verteilt wo sie für mich hingepasst haben. Klang auch sicher gar nicht so schlecht, stand aber halt anders auf dem Notenblatt :_grin_:

Jetzt bei Scarborough Fair hat sie gemerkt, dass ich im Lernen der Noten schon wieder relativ weit bin, aber den Rhythmus an manchen Stellen wieder ignoriere. Ich meinte, den mach ich später, erst mal die Saiten finden.
Fand sie glaub nicht so gut.
Sie meinte ich solle mir lieber kleinere Passagen nehmen und die gleich mit richtigem Rhythmus lernen. Und auch mit dem Tempo runtergehen.

Metronom setze ich nun wieder vermehrt ein. Bei Hurt hatte ich die Möglichkeit die Noten bei Musecore abzuspielen und mitzuspielen. So habe ich dann den Rhythmus "nachträglich" gelernt. Bzw. umgelernt. Weil den falschen Rhythmus hatte ich ja eigentlich schon etwas verinnerlicht.

Bisher hab ich mich noch nicht getraut sie zu fragen ob sie es mir zum mitspielen aufnehmen kann. Sollte ich vielleicht mal tun.

Liebe Grüße
sharpie
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von Astralis »

merit hat geschrieben: Do 18. Feb 2021, 09:48Was Du beschreibst, klingt für mich eher nach "Stück üben" als nach "Stück lernen".
Magst du kurz erläutern, wie du diese Differenzierung genau meinst ? Ich kann mir da zwar schon etwas drunter vorstellen, kann aber sein, dass dies nicht dem entspricht, was du darunter verstehst.
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von Maira »

Es fällt immer wieder auf daß Menschen nicht ,, mitzählen" können,
aus verschiedensten Gründen.
Da ich glücklicherweise mit einem Ex-Schlagzeuger verheiratet bin
konnte er mir aber erklären daß es auch anders geht mit der Zählerei.

In Indien zählt man mit Silben, das kommt selbst mir zuweilen zupass.
12/8tel, das zählt sich in Zahlen total bescheiden.
Es geht aber auch, zerlegt in 4x 3/4 als Ho-la-di, Ho-la-di
Damit komme ich dann gut zurecht.
Oder wenn man mal eine punktierte 1/4, dann 1/8 dann 1/4 hat,
da geht Am--ster-dam hervorragend.
Wenn Dich die Zahlenzählerei massiv stört, dann überlege, ob Du nicht
auch in Silben zählen kannst.
Hilft manchmal.

Wie sagt der Inder zum 5/4tel? Ta-ki-ta-ki-ta oder Ta-ki-ta li-ma, je nachdem... :_grin_:
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
Elea
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Re: Lernmethoden beim Musizieren (wie erarbeitet ihr euch Stücke)?

Beitrag von Elea »

Über die von Maira beschriebene Rhytmussprache gibt es ganz gute Artikel im Netz, die genau beschreiben wie das geht. Ich kann mich nicht mehr an die Webadresse erinnern, aber es war leicht zu finden.
Anne Crosby Gaudet benutzt in ihren Harfentutorials Wörter wie Banana oder a cup of coffee entsprechend zu Mairas Amsterdam.
Ich fand, dass es sehr gut funktioniert nur hat es mir leider das ganze Stück verdorben. Bei mir verbinden sich Text und Melodie unzertrennbar und auf Dauer will ich nicht immer an Bananen denken, wenn ich die Melodie spiele :_rolleyes_: .
Da zähle ich lieber, aber während ich zähle bleibt mir das Stück auch fremd, weil ich mich nicht spielen höre :_sad_: .
Zum Glück gibt es die Notenschreibprogramme. :_smile_:
Doch die lösen mein anderes Rhytmusproblem nicht für mich, nämlich der Grundryhtmus. Vom Tanzen her habe ich ein Gefühl für Walzer, aber die anderen Rythmen bekomme ich nicht hin, obwohl ich eigentlich weiß, wie sie betont werden sollten. Auch da gibt es enorme Unterschiede bei verschiedenen Videos desselben Stücks. Wenn ich ein gutes Beispiel finde, kann ich das auch nachmachen.
Gibt es irgendwo Hörbeispiele für die Grundryhtmen? Auch für ausgefallenere Rythmen wie Blues, Jazz ,Ragtime?
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