Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

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Der Juergen
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Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von Der Juergen »

Wie Keith Sanger (interessierten Zeitgenoss/inn/en durch seine Buchpublikationen bekannt) richtigerweise schreibt, gingen die meisten bisher davon aus, dass die Harfe in Irland (ausschließlich) ein herrschaftliches Instrument war.
Offensichtlich muss sie aber auch weniger hochstehende Verwendung gefunden haben. :_cheesy_:

Die Publikation, auf die sich Keith bezieht, kann man bei JSTOR finden.

The commonly held view of the harp in Ireland is that it was an ‘aristocratic instrument’ used mainly for supporting the declaration of the verse composed by the File or poet who was at the top of the professional tree. However, occasional references do appear where harps were used to accompany dances. The following reference, from the 1540s is both one of the earliest and suggests it was a long-standing practice. It comes from a description of Ireland written by Paolo Giovio, published in 1548.
‘Appellantibus festive arrident, et non nunquam choreas ad Arpen ducunt, quam utroque genu contentam per aereas impares chordas argutis digitis pulsant, et modulos alludente voce comitantur’ [‘They laugh festively at suitors, and sometimes lead dances to the harp, which held tightly against both knees, they strike with adroit fingers along copper cords of various lengths, and they adorn their settings with playful voice’].
It then moves on to discuss Irish chastity, or rather the lack of. I was tempted to just add the original Latin without translation, but as this is a family site you can best look it up for yourselves.
The whole description can be found in ‘Ireland in Europe: Paolo Giovio’s Descrioptio (1548) by Jason Harris in Irish Historical Studies vol 35 (2007). pp 265-288
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Nea
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von Nea »

Spannender Literaturhinweis und interessante Feststellung, dass die Harfe nicht nur dem Adel vorbehalten war.

Was mich sehr interessieren würde, wie die Nicht-Adligen an die für die damalige Zeit doch vermutlich teuren Saiten (es waren ja immerhin Metallsaiten) kamen. Oder waren die Metallsaiten in dieser Zeit nicht so teuer, wie ich immer dachte und daher auch für einfachere Menschen erschwinglich? Oder noch anders: Es war "gute Sitte" bei den Adligen, auch Musikern, die außerhalb der adligen Höfe spielten solche Harfen zu sponsern/ spenden?

Oder es war ganz anders? Spannend.

Welche Tanzmusik wurde von diesen Harfenisten aus dem Volke gespielt? Die Tanzmusik, die die an den Höfen der Adligen gespielt wurde und die ggf. überall beliebt war oder gab es zusätzlich Musik, die man eher bei Volksfesten spielte und weniger in einem adligen Kontext.

Fragen über Fragen! Spannend.
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meinelehrerin
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von meinelehrerin »

Es gab ja auch Harfen zB mit Saiten aus Rosshaar
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merit
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von merit »

Lieber Jürgen, spannend.

Aber wo steht da in der Quelle etwas zur sozialen Schicht, deren Party da beschrieben wird? Hab ich sicher übersehen, kann es aber auch bei mehrmaligem Lesen nicht finden.

Neugierig, Merit Zloch
Der Juergen hat geschrieben: Di 15. Nov 2022, 15:55

‘Appellantibus festive arrident, et non nunquam choreas ad Arpen ducunt, quam utroque genu contentam per aereas impares chordas argutis digitis pulsant, et modulos alludente voce comitantur’ [‘They laugh festively at suitors, and sometimes lead dances to the harp, which held tightly against both knees, they strike with adroit fingers along copper cords of various lengths, and they adorn their settings with playful voice’].
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Der Juergen
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von Der Juergen »

merit hat geschrieben: Mi 16. Nov 2022, 09:54 Lieber Jürgen, spannend.

Aber wo steht da in der Quelle etwas zur sozialen Schicht, deren Party da beschrieben wird? Hab ich sicher übersehen, kann es aber auch bei mehrmaligem Lesen nicht finden.

Neugierig, Merit Zloch
Der Juergen hat geschrieben: Di 15. Nov 2022, 15:55

‘Appellantibus festive arrident, et non nunquam choreas ad Arpen ducunt, quam utroque genu contentam per aereas impares chordas argutis digitis pulsant, et modulos alludente voce comitantur’ [‘They laugh festively at suitors, and sometimes lead dances to the harp, which held tightly against both knees, they strike with adroit fingers along copper cords of various lengths, and they adorn their settings with playful voice’].
It then moves on to discuss Irish chastity, or rather the lack of. I was tempted to just add the original Latin without translation, but as this is a family site you can best look it up for yourselves.
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Liebe Merit,

eine gute Frage! Ich vermute, dass das Lachen und das Tanzen (im Gegensatz zum Lauschen des Vortrags der Filid) als nicht dem aristokratischen Rahmen entsprechend interpretiert wurde.

Leider habe ich gerade nicht die Zeit, den Artikel in Gänze zu lesen und auch nicht das frühneuzeitliche Original durchzusehen.
Es findet sich hier als Digitalisat von Google zum Lesen und zum Herunterladen.

Nur wenige Jahr später stellt allerdings John Derricke in seinem Buch »The image of Irlande« von 1581 einen Harfner in einem ziemlich ausgelassenen Treiben vor, hier in der originalen Version (in der die Kunstfurzer rechts noch nicht wegretuschiert sind).

Ein wenig störe ich mich an der Übersetzung von »aereas […] chordas« als Kupfersaiten. Durch Hilfestellung von »Calatin« weiß ich nun, dass es auch kupferne Saiten heißen kann, aber ebenso bronzene Saiten (eigentlich auch »aus Erz«). Persönlich würde ich hier Bronze vermuten.
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Jürgen Steiner
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merit
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von merit »

Lieber Jürgen, das ausgelassene Treiben steht für mich außer Frage. Es wird ja in dem Zitat beschrieben und ich kenne es auch von Abbildungen des 16. Jh.

Ich kann nur wie geschrieben für die Aussage "nicht nur ein herrschaftliches Instrument" in dem Zitat keine Belege finden.

Das eine hat was mit der sozialen Situation zu tun - das andere mit der sozialen Schicht. Völlig verschiedene Sachen. Wenn Herrschaften ausgelassen feiern, ist es ja trotzdem noch eine herrschaftliche Feier. Und die haben gefeiert. Keine Frage :-)

Herzliche Grüße, Merit Zloch
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Der Juergen
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von Der Juergen »

Liebe Merit,

du hast recht, in dem Zitat steht das wirklich nicht drin.

Es ist eine Interpretation meinerseits gewesen, weil ich das in Anführungszeichen gesetzte aristokratische Instrument und die übliche Sichtweise darauf (den Poetenvortrag unterstützend) in einem gewissen Gegensatz zur zweiten Verwendung sehe. Hier habe ich das Aristokratische vor allem zum ersten Teil gehörend interpretiert.

Jedenfalls habe ich Keith Sanger bezogen auf eine mögliche Interpretation angefragt, ob die Verwendung der Harfe im Zusammenhang mit Lachen und Tanz auch auf ihre Verwendung in einer anderen sozialen Schicht hinweist, obwohl sie gemeinhin als "aristokratisches Instrument" angesehen wird.

Keiths Antwort:
That is a good question I only wish there was a simple straightforward answer. To start with what we know, which is actually not a lot, the classic Irish professional orders were at the top, the File who composed the verse which was delivered by a 'reacair' to the accompaniment of a harp or tiompan. We also need to be careful at this point because the idea that the Gaelic structures in Scotland followed those of Ireland is not sound.
We also know that because of the association of the 'reacair' and the string musicians with the poet their status was also raised. But it is here that we hit the first problem in that there are no persons clearly identified as 'recairs' although the role might have been filled from younger members of the entourage which accompanied the File. By the 16th century that structure was in decay and so it is possible that the musicians were starting to branch out in which case the reference at the heart of this post represents the earliest evidence to date of that happening.
This in turn would answer the second part of your question in that as the more formal and prestigious arrangement of poet, reciter and musician lost their status, albeit still topping the professional tree they would be starting to adapt to a wider social order. I suppose the nearest analogy that comes to mind is grand opera. The composer of the work equates with the File, the singers with the 'reacair' and the musicians down in the orchestra pit. Opera cost large amounts of money and as the economic situation means that there are fewer performances so less employment for musicians. Although the musicians from the orchestra are not actually reduced to busking to the queue outside the concert halls, moving to also provide music in other situations does help pay the bills.
The fact that over the next few centuries there are some more references to harping and dancing might be a reflection of that process. I do not have those references right to hand but could look them out, I have I think passed them onto Paul Dooley to use as ammunition if anyone suggests that his repertoire is not an 'old tradition'.


Ich bin gespannt, was sich da noch finden lässt!

Liebe Grüße
Jürgen
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Re: Spannender »Fund« den Keith Sanger bei Facebook gepostet hat!

Beitrag von Der Juergen »

Keith Sanger hat nun eine weitere Fundstelle für die Nennung der Harfe in Zusammenhang mit Tanz gepostet:

Dance references- continuing from a previous post on the harp accompanying dancing in Ireland this is the first one I have found while checking my files. It comes from a book going by the name of;-

A Brief Character of Ireland with some observations of the customs, &c. of the meaner sort of the natural inhabitants of that Kingdom.
Licenced Nov. 16. 1691. London. Printed for W.C. and are to be sold by R. Taylor, 1692.


The relevant section comes from pages 22- 23 and I have normalised the long ‘s’

Dancing is much in request amongst them, after their rude way, which is much like the Drunken Bacchanals of old: Their chief delight is called the Trott, and it is not named improperly, for not only Bank’s Horse was an absolute Monsteur to them; and the heaviest Mare that ever trotted Man’s Dagger out of its Sheath, went more regular and smoothly, but it hath likewise so many Horse-tricks in it, that ‘tis much fitter for the Stable, than any decent Hall, or Dining-room.

The Jews Trump is their common Musick; to whose Melody they will hobble till the labour makes them send forth a Haut-goust as little pleasing as their tunes: but if they can attain to a Harp or Bagpipe, O then they will Dance out of all Measure.
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