Ich hab schon beides erlebt, Sessions, in denen viel Rücksicht genommen wurde und wo alle sich freuten, wenn mal jemand neues dazu stieß und mit der Harfe oder einem anderen außergewöhnlichen Instrument neue Akzente setzte, aber auch solche, wo hautsächlich Tin-Whistler, Banjospieler und Fiedler darin wetteiferten, wer am schnellsten immer wieder die gleichen abgenudelten Tunes spielen konnte. Merke: mit steigendem Alkoholpegel steigt das Selbstbewusstsein der Musiker, somit auch die anvisierte Geschwindigkeit, nicht aber unbedingt die Präzision bei der Ausführung ... will sagen, ich habe schon Karaoke-Veranstaltungen erlebt, die mehr Hörgenuss brachten. An ein Mitspielen mit der Harfe war dann eh nicht mehr zu denken, bzw, konnte man ruhig, hat eh keiner mehr gehört bei dem Krach. Ich hab mich dann im schnellen Abgucken und Übersetzen von Akkorden von Gitarre auf Harfe geübt, hatte dafür sogar mal eine Tabelle zusammengestellt, welcher Gitarrengriff mit Kapo im x. Bund dann welcher Tonart auf der Harfe entspricht und ob ich da mit meinen Klappen hinterher komme oder nicht. Das meiste findet ja gottseidank eh in G-Dur statt, das kriegt man hin. Das schöne bei der Harfe ist ja, dass man sie ja sowohl als Solo- wie auch als reines Begleitinstrument spielen kann. Und die Tunes werden ja quasi in Endlos-Schleife wiederholt. Da zupft man halt zum Beispiel erstmal nur den Bass-Grundton mit und setzt dann in nächsten Durchlauf die Quint drüber und wenn das alles passt, versucht man, ob man die Melodie mitzupfen kann oder lässt es bleiben.
Auf der ruhigeren und toleranteren Session Ich bin auch häufiger mal gefragt worden, ob ich nicht irgendein Stück anspielen will, und da hab ich dann meistens Brian Boru oder ein Set aus Andros gespielt und die anderen haben sich dann eingereiht.
Das größte Problem war eigentlich immer, am Anfang die Harfe zu stimmen. Selbst mit Stimmgerät und Tuning-Pickup war es schwierig, eine Ecke zu finden, wo es ruhig genug dafür war. Aber auch da gilt: hört eh keiner, wenn es nicht 100%ig passt.
Wie laufen irische Sessions ab?
- Andreas
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Re: Wie laufen irische Sessions ab?
Capella hat das schon sehr gut beschrieben.
Ich habe auch schon alles erlebt, von tollen und toleranten Sessions bis zu intoleranten (böse Blicke wenn es denn mal bretonsich war) und "der erste gewinnt". Es lohnt sich aber in jedem Fall zu versuchen mitzuspielen, selbst wenn es "nur" wie Capella sagt, ein Basston ist. Die meisten Session-Instrumente haben nämlich nicht so tiefe Töne wie eine grössere Harfe, da passt ein Bass gut (Hää!). Und wenn es nicht der "normale" Ton ist, dann ist das eben eine moderne, jazzige irische Begleitung.
Leider werden in Deutschland die klassischen Session-Benimmregeln kaum beachtet (oder sind erst gar nicht bekannt). Ich hatte das Vergnügen ein paar Sessions mit einem englischen Session-Musikerpaar zu spielen, die die perfekte Sessionetikette pflegten. Es war herrlich. Also, für alle die es wissen wollen:
1. Durchgang
Jemand übernimmt den Lead und spielt ein Stück an. Alleine! Alle anderen hören erst mal zu und nehmen Tempo, Harmonisierung und Interpretation auf. (Nicht: alle donnern los). Eventuell bei den Wiederholungen vorsichtig und leise einsetzen.
2. Durchgang
Der, der das Stück vorgeschlagen hat und im ersten Durchgang den Lead hatte, spielt weiter, tritt aber zurück (z.B. leiser spielen). Ein Anderer übernimmt den Lead in der Melodie.
3. Durchgang
Jetzt darf frei improvisiert und zweite Stimmen gespielt werden.
4. Schluß - nach drei Durchgängen ist normalerweise Schluß und es kommt das nächste Stück (des Sets). Muss aber nicht sein, sollte dann aber allen anderen signalisert oder angesagt werden. Traditionelle Sessionsspieler hören sonst auf.
Nach dieser Etikette macht eine Session richtig Spaß und man kann als Harfe wunderbar während des ersten Durchgangs die Tonart ermitteln und einstellen und die Harmionien hören und beim zweiten Durchgang mit einer einfachen Begleitung einsetzen. Und wenn man ein Stück kennt und kann, fängt man einfach an und die anderen passen sich im zweiten Durchgang an. So lernen alle auch neue Stücke.
Viel Vergnügen,
Andreas
Ich habe auch schon alles erlebt, von tollen und toleranten Sessions bis zu intoleranten (böse Blicke wenn es denn mal bretonsich war) und "der erste gewinnt". Es lohnt sich aber in jedem Fall zu versuchen mitzuspielen, selbst wenn es "nur" wie Capella sagt, ein Basston ist. Die meisten Session-Instrumente haben nämlich nicht so tiefe Töne wie eine grössere Harfe, da passt ein Bass gut (Hää!). Und wenn es nicht der "normale" Ton ist, dann ist das eben eine moderne, jazzige irische Begleitung.
Leider werden in Deutschland die klassischen Session-Benimmregeln kaum beachtet (oder sind erst gar nicht bekannt). Ich hatte das Vergnügen ein paar Sessions mit einem englischen Session-Musikerpaar zu spielen, die die perfekte Sessionetikette pflegten. Es war herrlich. Also, für alle die es wissen wollen:
1. Durchgang
Jemand übernimmt den Lead und spielt ein Stück an. Alleine! Alle anderen hören erst mal zu und nehmen Tempo, Harmonisierung und Interpretation auf. (Nicht: alle donnern los). Eventuell bei den Wiederholungen vorsichtig und leise einsetzen.
2. Durchgang
Der, der das Stück vorgeschlagen hat und im ersten Durchgang den Lead hatte, spielt weiter, tritt aber zurück (z.B. leiser spielen). Ein Anderer übernimmt den Lead in der Melodie.
3. Durchgang
Jetzt darf frei improvisiert und zweite Stimmen gespielt werden.
4. Schluß - nach drei Durchgängen ist normalerweise Schluß und es kommt das nächste Stück (des Sets). Muss aber nicht sein, sollte dann aber allen anderen signalisert oder angesagt werden. Traditionelle Sessionsspieler hören sonst auf.
Nach dieser Etikette macht eine Session richtig Spaß und man kann als Harfe wunderbar während des ersten Durchgangs die Tonart ermitteln und einstellen und die Harmionien hören und beim zweiten Durchgang mit einer einfachen Begleitung einsetzen. Und wenn man ein Stück kennt und kann, fängt man einfach an und die anderen passen sich im zweiten Durchgang an. So lernen alle auch neue Stücke.
Viel Vergnügen,
Andreas
Andreas (aus Hamburg)
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Außerdem: die Modelle Arwen und Avalon von Martin Gust, eine Brian Boru von der Klangwerkstatt und diverses anderes Instrumentarium - Wohnort: in der Nähe von Marburg
Re: Wie laufen irische Sessions ab?
Hallo,
viele gute Infos, ein Forum und vor allem einen schier unerschöpflichen Vorrat an tunes gibt es kostenlos auf der Seite www.thesession.org. Die tunes sind meist in ABC und in Notenschrift und man erfährt auch, auf welchen Alben sie drauf sind falls sie jemand schon erfolgreich auf CD verwurstet hat. Einfach mal auf der Seite surfen. Viel Spaß!
LG!
viele gute Infos, ein Forum und vor allem einen schier unerschöpflichen Vorrat an tunes gibt es kostenlos auf der Seite www.thesession.org. Die tunes sind meist in ABC und in Notenschrift und man erfährt auch, auf welchen Alben sie drauf sind falls sie jemand schon erfolgreich auf CD verwurstet hat. Einfach mal auf der Seite surfen. Viel Spaß!
LG!
Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und bringe ihm das Fliegen bei.
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Re: Wie laufen irische Sessions ab?
Hallo,Cecilia hat geschrieben:O.k. dann üb ich welche. Gibt es irgendwo eine Liste mit Stücken, die man draufhaben muss, vielleicht die 50 Meistgespielten?Der Juergen hat geschrieben: Also im "An Sibin" in Frankfurt (leider schon länger geschlossen) war es so, dass die ein Notenheft hatten mit den wichtigsten Stücken, die sie gespielt haben. Das sollte man sich zu Gemüte geführt haben, sprich geübt![]()
das musst Du wahrscheinlich vor Ort in Erfahrung bringen. Meiner Erfahrung nach variiert das "übliche" Repertoire zwischen verschiedenen Sessions deutlich. Dazu kommt noch, dass es bei traditioneller irischer Musik prinzipbedingt in vielen Fällen nicht die eine "richtige" Version des jeweiligen Stückes gibt, sondern oft zig verschiedene Varianten, die regional unterschiedlich gespielt werden. Von "King of the fairies" kenne ich beispielsweise aus drei Sessions in meinem weiteren Umfeld drei unterschiedliche B-Teile, die alle in sich stimmig sind, aber nicht zueinander passen.
Auch die Gepflogenheiten in den verschiedenen Sessions unterscheiden sich, das reicht von "Anfänger willkommen, Notenzettel auf dem Tisch ist kein Problem, Musik aus Irland/Schottland/Cape Breton/ggf. auch mal was aus der Bretagne, Airs und Songs willkommen, leise mit-noodlen ist ok" bis "Mitspielen nur auf ausdrückliche Einladung des Session-Leaders, Noten sind ein No-Go, gespielt wird nur, was man auswendig aus dem FF beherrscht, Stücke ausschließlich aus dem irischen Repertoire, keine Airs, keine Songs, Noodler fliegen raus". Auch das, was Andreas an "Session-Etikette" aufgelistet hat, ist zumindest teilweise Session-spezifisch und nicht unbedingt allgemeingültig. Dass im zweiten Durchgang jemand anderes den Lead übernimmt, kenne ich persönlich beispielsweise weder aus Deutschland noch aus Irland, es galt immer der Grundsatz "wer das Set beginnt, behält den Lead und bestimmt das Tempo". Ich finde die Variante mit dem wechselnden Lead durchaus interessant und kann mir das auch sehr schön vorstellen, wenn es lokal so üblich ist, aber als "universelle Sessionetikette" würde ich das nicht betrachten. Auch die Ansichten darüber, inwieweit Zweitstimmen akzeptabel sind, variieren stark - meiner Erfahrung nach auch innerhalb Irlands.
Ich kann Dir nur den Rat geben, einfach mal hinzugehen, die Harfe mitzunehmen und erst mal zuzuhören; dabei zeigen sich zumindest einige der "örtlichen Gepflogenheiten" recht schnell und man bekommt ein Gefühl für das vorherrschende Tempo. Erfahrungsgemäß spricht Dich dann auch recht schnell jemand auf die Harfe an und fragt, ob Du nicht mitspielen möchtest.
Whistler
- Cecilia
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Re: Wie laufen irische Sessions ab?
Vielen Dank für Eure Tipps, ich geh einfach mal hin. Derweil übe ich mal ein paar irische Stücke...
- Stefanie Bieber
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- Meine Harfe(n): Dusty Strings FH 36 Bubinga, Dusty Strings Crescendo, Regelsberger Itinerant LX aus gerauchter Kastanie, Klangwerkstatt Brian Boru, Derwent Harps Discovery
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Re: Wie laufen irische Sessions ab?
Hallo zusammen,
habe eben zufällig diesen Thread entdeckt und habe kurz Zeit, mich als einigermaßen eingefleischte Sessionmusikerin dazu zu äußern.
Generell gilt wohl für alle Arten von Sessions: sei sensibel, hör dich erst mal ein und passe dich an den Stil der aktuellen Session an.
Für irische Sessions gilt: spiele Melodien dann mit, wenn du sie kennst und im Tempo beherrscht.
Zweite Stimmen sind okay, wenn sie aus Kenntnis der Hauptmelodie entwickelt werden.
Wenn du die harmonischen Abläufe einer melodie gut erfasst, kannst du eine rythmisch-harmonisch unterstützende Begleitung spielen.
Dabei gilt in der Regel, weniger ist mehr. Rhythmus ist wichtiger als verrückte Harmonien.
Wenn mehrere Begleitinstrumente vor Ot sind, muss man sehr versiert und flexibel sein, damit man sich nicht gegenseitig und die Melodiespieler kaputt spielt.
Es gibt Sessions, wo das Spielniveau eher niederschwellig ist, da sind auch Experimente okay, und es gibt Sessions, wo richtig alte "irische Hasen" sich austoben, da sind Experimente zwar auch möglich, aber vielleicht nicht nonstop den ganzen Abend.
Ich würde sagen: immer hingehen und die Lage peilen. Wenn die Leute nett sind, werden sie dich schon integrieren, wenn sie doof sind, willst du da eh nicht hin, oder?
Ich meine mich zu erinnern, dass am in Rostock z.B sicher gut experimentieren darf, das ist eine eher niederschwellige Session mit viel Einsteigerbegeisterung.
Und zu guterletzt noch ein Hinweis zum Erfahrungen sammeln:
www.irishmusicworkshops.de
Hier sind Irish Folk Neulinge absolut willkommen, auch in den Sessions.
Viele Grüße
Stefanie
habe eben zufällig diesen Thread entdeckt und habe kurz Zeit, mich als einigermaßen eingefleischte Sessionmusikerin dazu zu äußern.
Generell gilt wohl für alle Arten von Sessions: sei sensibel, hör dich erst mal ein und passe dich an den Stil der aktuellen Session an.
Für irische Sessions gilt: spiele Melodien dann mit, wenn du sie kennst und im Tempo beherrscht.
Zweite Stimmen sind okay, wenn sie aus Kenntnis der Hauptmelodie entwickelt werden.
Wenn du die harmonischen Abläufe einer melodie gut erfasst, kannst du eine rythmisch-harmonisch unterstützende Begleitung spielen.
Dabei gilt in der Regel, weniger ist mehr. Rhythmus ist wichtiger als verrückte Harmonien.
Wenn mehrere Begleitinstrumente vor Ot sind, muss man sehr versiert und flexibel sein, damit man sich nicht gegenseitig und die Melodiespieler kaputt spielt.
Es gibt Sessions, wo das Spielniveau eher niederschwellig ist, da sind auch Experimente okay, und es gibt Sessions, wo richtig alte "irische Hasen" sich austoben, da sind Experimente zwar auch möglich, aber vielleicht nicht nonstop den ganzen Abend.
Ich würde sagen: immer hingehen und die Lage peilen. Wenn die Leute nett sind, werden sie dich schon integrieren, wenn sie doof sind, willst du da eh nicht hin, oder?
Ich meine mich zu erinnern, dass am in Rostock z.B sicher gut experimentieren darf, das ist eine eher niederschwellige Session mit viel Einsteigerbegeisterung.
Und zu guterletzt noch ein Hinweis zum Erfahrungen sammeln:
www.irishmusicworkshops.de
Hier sind Irish Folk Neulinge absolut willkommen, auch in den Sessions.
Viele Grüße
Stefanie
verspielte Leichtigkeit, einfach, schön und frei!
www.stefanie-bieber.de
www.stefanie-bieber.de