Angststellen und Blockaden

Meeresbrise
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von Meeresbrise »

Ela hat geschrieben:Harfe spielen ist wie auf dem Zahnarztstuhl sitzen? Ich würde sagen, da stimmt was mit der Grundeinstellung nicht ^^
Ich habe erst "Grundstellung" gelesen. Das erschien mir auch sehr einleuchtend, denn so wie man auf dem Zahnarztstuhl sitzt, kann man ja wohl kaum Harfe spielen.

*duckundwech*
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Aoi
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von Aoi »

Meeresbrise hat geschrieben:Das erschien mir auch sehr einleuchtend, denn so wie man auf dem Zahnarztstuhl sitzt, kann man ja wohl kaum Harfe spielen.
Seit dem ich mal folgendes Video hier im Forum reingestellt habe, würde ich es nicht bezweifeln das es Doch geht. :_grin_:

http://www.youtube.com/watch?v=PIMUU-dZ ... el&list=UL


Aber wieder zum Thema! Ich bin Legastheniker und wir haben durchaus daraus bedingt Konzentrationsprobleme, hören Dinge mitunter anders heraus und sind auch etwas langsammer im Lernen.
Blockaden sind da Vorprogramiert. Da heißt es immerwieder Trainieren und wiederholen. Aber man sollte sich dan auch wenns noch Schräg rüberkommt und nicht alles stimmig ist auch mal gönnen ein Stück komplett zu spielen, auch wenn mann sonat nur Stücke daraus übt. Das schlimmste ist wenn die Blockaden kommen weil die Wiederholungen der Abschnitte langweilig werden oder einem keine Freude machen. Ich habe beim üben auch immer eine Flasche Wasser neben mir. Manschmal hilft es auch zu unterberechen und was zu Trinken und dann wieder weitermachen. Oder wenn man zwischendurch mal eines seiner Älteren Stücke übt und dan nochmal am Aktuellen weiterübt. Das lockert mitunter die Blockaden. Zumindest die im Kopf. :_wink_:
War es möglich, dass Musik geheimste Gedanken und Gefühle übertragen konnte, jenseits aller Worte? Vielleicht sogar noch mehr, womöglich konnten wir auf diesem Wege noch weit tiefere Schichten unseres Wesens erreichen als mit unseren Gedanken. Gandalf
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ysa
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von ysa »

nein ela, angst ist angst, ob man sie nun auf dem zahnarztstuhl hat oder beim harfe spielen. und gegen ängste aller art hilft entspannung. die bekommt man beim harfespielen sicher leichter gebacken als auf dem zahnarztstuhl..... (also ich zumindest ;-)
Ulrike
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von Ulrike »

....Da muss ich mich nochmal zu Wort melden:
ich meinte natürlich, daß man auf der Bühne nur das spielen soll, was man mag und was man technisch meistern kann.
( Als Profi kann man sich natürlich nicht immer das Repertoire selber aussuchen, als Amateur aber schon.)
Selbstredend wird man hinter den Kulissen bestrebt sein, sich musikalisch, technisch und nicht zuletzt menschlich weiterzuentwickeln.
Das eine ( entspanntes Musizieren ) schließt das andere ( neue Herausforderungen suchen )ja nicht aus.
Aber eines steht fest: wenn ich ein Konzert besuche, möchte ich keinesfalls Angst und Streß oder Leistungsdruck in der Darbietung heraushören/fühlen.
Musik ist ja schließlich kein Sport, sondern eine Kunst.
Ulrike
P.S: ....das Wort "Kunst" kommt von "können"... :_smile_:
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Freaper
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von Freaper »

Zunächst mal zum Zuhause Üben:
Wenn ich Angststellen hab, oder bessergesagt eine schwere Stelle, dann ist meine Übemethode immer folgende:
1. Auswendig lernen - Es gibt verschiedene Methoden, Musik auswendig zu lernen. Die "schlechteste" Methode ist das Fingergedächtnis meiner Meinung nach.
Das Fingergedächtnis ist tückisch, denn die Sicherheit nimmt in Angstsituationen stark ab und man ist nicht Herr der Lage, wenn etwas außer Kontrolle gerät. Das mentale Gedächtnis ist da wesentlich verlässlicher. Das bedeutet, dass man die Passage im Kopf durchspielen könnte, ohne Instrument! Es ist schwierig, sich beide Hände gleichzeitig vorzustellen, deshalb lernt man erst die eine, dann die andere auswendig.
2. Rhythmus brechen - Ich spiele die Stelle (optimaler Weise ist es ein Lauf) zunächst punktiert. Da gibt es zwei varianten: die Zählzeit punktieren und den Offbeat. Dann spiele ich die stelle triolisch: zuerst mit Akzent auf der 1, dann auf der 2 und dann auf der 3.
Der Effekt der Übung ist, dass jeder Finger die Töne bewusster spielt, da sie im Übeprozess alle mal einen Akzent hatten.
3. Schneller spielen - kann man eine Angststelle schneller spielen, als man muss, ist sie schon garnicht mehr so schlimm.
4. Langsamer spielen - ein sehr wichtiger Punkt, da nach dem schnellen Spiel sich die Hand so an das Tempo gewöhnt, dass man nicht mehr langsam spielen kann.

Zum Spielen auf der Bühne:
Ich muss sagen, dass ich, trotz zahlreicher auftritte, immernoch aktiv an der Vorspielangst arbeiten muss.
Was meiner Meinung nach nicht stimmt ist, dass die Angst weniger wird, je öfter man vorspielt.
Das stimmt wohl nur dann, wenn man wirklich jede Woche ein Vorspiel hat.
Ansonsten meditiere ich 10 minuten vor dem Vorspiel, um den Kopf für Vergangenheit und Zukunft auszuschalten.
Wenn man den jetzigen Moment bewusst wahrnimmt, dann hat man keine Angst, dann macht man nämlich wirklich Musik und die Zuschauer spüren das.
Noch ein tipp für die Hände: Oft sind sie vor dem Vorspiel kalt oder schwitzig. Wenn man das Glück hat, in der nähe warmes Wasser zu haben, würde ich das nutzen und die Hände unter das warme wasser halten, bis sie warm sind. Ansonsten setze ich mich einfach auf die Hände drauf :_grin_:

Aber ehrlich gesagt ist die Angst ein harter Gegner. Oft wünschte ich mir, die Leute hätten mich beim üben gehört :_grin_:
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Rohana
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... und dann noch zwei ganz alte 4-saitige die eher wie Geigen aussehen.
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von Rohana »

Freaper hat geschrieben: Aber ehrlich gesagt ist die Angst ein harter Gegner. Oft wünschte ich mir, die Leute hätten mich beim üben gehört :_grin_:
Recht hast Du!
Ich finde meine Grundeinstellung eigentlich schon o.k. :_grin_: und der Vergleich mit dem Zahnarztstuhl kam mir ja auch nur, weil das so ziemlich mein Angsthöhepunkt ist und selbst da klappt es mittlerweile mit der Entspannung so halbwegs.
Nee, Harfespielen ist für mich eigentlich 90% Entspannung - selbst wenn ich übe, aber es gibt halt immer so Stellen, die werden trotz Üben eher schlimmer als besser.
Aber tausend Dank an all die tollen Tips, ich bin sicher, die helfen mir (und bestimmt auch anderen), diese Stellen schneller zu meistern.
Blöd ist es halt nur, wenn man bei einem Stück, dass man eigentlich im Schlaf kann plötzlich einen Blackout hat ... Aber dagegen hilft wahrscheinlich nix (außer Üben :_wink_: )

@kragi (und wen es sonst noch interessiert)
Üben im Flow (ich habe den Text zwar wiedergefunden, aber im Netz gibt's da ausführlichere Infos. Das was ich habe beschränkt sich nur auf die 4 Prinzipien)
http://www.musikschulen.de/medien/doks/ ... g08_16.pdf

LG
Rohana
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von womblestew »

Meeresbrise hat geschrieben: - Die Anhänger des "retrograden" Übens empfehlen, mit den letzten 2 Tönen der schwierigen Stelle anzufangen. 2 Töne hintereinander gehen eigentlich immer. Dann nimmst Du den drittletzten dazu. Dann den viertletzten usw. Wenn Du dann von vorne anfängst, wird es nach "hinten" immer leichter, weil Du den Schluss ja am meisten geübt hast.
Das find ich toll. Von der Method habe ich noch nie gehort, überzeugt mich aber gleich beim Lesen! Muß ich mir unbedingt merkn!!! :_cheesy_:
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Yoshi
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Re: Angststellen und Blockaden

Beitrag von Yoshi »

Komisch, daß "Fehler" immer soviel Aufmerksamkeit bekommen... :_wink_:

Ich versuche mal, zu beschreiben, wie ich mit Stellen, die nicht ganz trivial zu sein scheinen umgehe.

Zuallererst "programmiere" ich mich auf 200%ige Sicherheit, d.h. egal wann ich diese Stelle spiele - sie wird funktionieren. Ist supereinfach - es hat auch niemand behauptet oder gar gefordert, daß ich über dem gerade aktuellen Limit anfange. Das ganze ist nämlich wie leimen. Ich habe zwei Werkstücke, die sicher miteinander verbunden werden sollen. Die sollten gut vorbereitet sein, d.h. man schenkt ihnen Aufmerksamkeit und Zeit. Ist diese Vorbereitung abgeschlossen (!) kann man sie mit dem geeigneten (!!) Leim verbinden. Es hat auch jeder Leim etwas andere Eigenschaften, so bindet der eine Leim beispielsweise langsamer ab als ein anderer. In jedem Fall gibt man der frischen Stelle Zeit (!!!) um gut auszuhärten.
Es gibt natürlich noch die Möglichkeit, immer wieder mal zu kontrollieren, "ob's denn schon hält". Das macht man zweimal, merkt, daß es zu früh war und steht mit zwei versauten Werkstücken da die erstmal wieder geputzt werden müssen.

Was heißt das jetzt für die Überei...

Ich übe besagte Stellen immer mit garantierter Rückversicherung - meinetwegen im Zehnteltempo. Wirklich - stellt man sich das Metronom mal auf 40BPM und spielt die schnellsten vorkommenden Noten auf Klick stellt sich sehr schnell fast schon Langeweile ein :_grin_:
Wo war nochmal das Problem?
Ahja - so kann das ja jeder. Gute Erkenntnis eigentlich...
Also sehr sehr vorsichtig und vor allem sehr langsam das Tempo minimal steigern, wir wollen unter allen Umständen *von unten* ungefähr in die Nähe eines Limits kommen. Nicht bis ans Limit - das wäre oben erwähntes "mal sehen ob's schon geht".
Wenn ich die richtige Steigerung treffe merke ich sehr deutlich "ok, jetzt geht's noch sehr gut, aber ich muß so langsam anfangen, mich zu konzentrieren" - das minus ein kleines bißchen ist ein richtig gutes Tempo um den Krempel zehn bis zwanzig mal schön entspannt durchzuspielen. Komisch, das geht ja richtig gut... war da ein Problem? :_cool_:

In dieser Art kann man alle Stellen entstressen, man bewegt sich nämlich immer *innerhalb* der persönlichen Grenzen - und das schafft immense Sicherheit.
Lust auf mehr?

Gut... aber ab jetzt braucht man gute Nerven und vor allem sehr viel Humor :_cheesy_:

...und fünf bis zehn Streichhölzer.

Man nehme also eine bequem erreichbare Ablage (Notenpult z.B.) auf der Metronom und besagte Anzahl an Streichhölzern Platz haben.
Nun spiele ich in bequemem Tempo die Stelle meiner Wahl einmal durch. Keine einzige Note mehr, keine einzige Note weniger. Wenn ein Malheur passiert wird ebenso die gewählte musikalische Phrase (!) schön (!!) zu Ende geführt.
Passiert kein Malheur lege ich ein Streichholz weg/auf die andere Seite der Ablage.
Ist irgendwo etwas passiert wandern (mit einem Lächeln, es ist nur ein Spiel!) alle Streichhölzer zurück. Was aber natürlich nie der Fall ist weil wir das richtige Tempo gewählt haben.

Achtung:
Diese Übung erfordert absolute Disziplin!
- kein "war ja *eigentlich* ok"
- kein "das ist fad - ich dreh ein bißchen schneller"
- kein "jetzt reicht's... ich mach das morgen wieder"

Hat man diese Übung angefangen gibt es kein zurück! Ganz ganz wichtig für's Unterbewußtsein - ich kann Stelle x ohne das geringste Problem auf Abruf x-mal hintereinander spielen.

Und jetzt kommen wir zur Bühne...
Auf der Bühne zählt... SPASS!

Es ist absolut charakterabhängig, wie man auf der Bühne mit welchen Situationen umgeht. Es gibt Musiker, die dreihundertprozentige Sicherheit brauchen, sie sind absolut zuverlässig und auf Punkt da. Dann gibt es Musiker, die Anspannung mit Angst verwechseln - ihnen sei gesagt, daß im Sport keine Weltrekorde im Training aufgestellt werden - diese Spannung ist von essenzieller Wichtigkeit! Und dann gibt es noch die Spieler - bei denen kann's heute so laufen und morgen so. Ein Konzert ist Sternstunde, eins absoluter Käse (rein "fehlertechnisch" mein ich). Aber: sie haben immer Spaß am spielen.
Wie gesagt - hier hat jeder seine eigene Persönlichkeit und muß damit arbeiten und sich vor allem damit wohl fühlen.

Vielleicht helfen die Übungsvorschläge ja ein bißchen, würde mich freuen :_smile_:

LG

Yoshi

P.S.: Sehr schöne Ansage ist übrigens "wer acht Stunden am Tag übt hat Üben nicht verstanden" :_grin_:
...und dann bat mich der Dirigent, etwas höher zu spielen...
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