Komisch, daß "Fehler" immer soviel Aufmerksamkeit bekommen...
Ich versuche mal, zu beschreiben, wie ich mit Stellen, die nicht ganz trivial zu sein scheinen umgehe.
Zuallererst "programmiere" ich mich auf 200%ige Sicherheit, d.h. egal wann ich diese Stelle spiele - sie wird funktionieren. Ist supereinfach - es hat auch niemand behauptet oder gar gefordert, daß ich über dem gerade aktuellen Limit anfange. Das ganze ist nämlich wie leimen. Ich habe zwei Werkstücke, die sicher miteinander verbunden werden sollen. Die sollten gut vorbereitet sein, d.h. man schenkt ihnen Aufmerksamkeit und Zeit. Ist diese Vorbereitung abgeschlossen (!) kann man sie mit dem geeigneten (!!) Leim verbinden. Es hat auch jeder Leim etwas andere Eigenschaften, so bindet der eine Leim beispielsweise langsamer ab als ein anderer. In jedem Fall gibt man der frischen Stelle Zeit (!!!) um gut auszuhärten.
Es gibt natürlich noch die Möglichkeit, immer wieder mal zu kontrollieren, "ob's denn schon hält". Das macht man zweimal, merkt, daß es zu früh war und steht mit zwei versauten Werkstücken da die erstmal wieder geputzt werden müssen.
Was heißt das jetzt für die Überei...
Ich übe besagte Stellen immer mit garantierter Rückversicherung - meinetwegen im Zehnteltempo. Wirklich - stellt man sich das Metronom mal auf 40BPM und spielt die schnellsten vorkommenden Noten auf Klick stellt sich sehr schnell fast schon Langeweile ein
Wo war nochmal das Problem?
Ahja - so kann das ja jeder. Gute Erkenntnis eigentlich...
Also sehr sehr vorsichtig und vor allem sehr langsam das Tempo minimal steigern, wir wollen unter allen Umständen *von unten* ungefähr in die Nähe eines Limits kommen. Nicht bis ans Limit - das wäre oben erwähntes "mal sehen ob's schon geht".
Wenn ich die richtige Steigerung treffe merke ich sehr deutlich "ok, jetzt geht's noch sehr gut, aber ich muß so langsam anfangen, mich zu konzentrieren" - das minus ein kleines bißchen ist ein richtig gutes Tempo um den Krempel zehn bis zwanzig mal schön entspannt durchzuspielen. Komisch, das geht ja richtig gut... war da ein Problem?
In dieser Art kann man alle Stellen entstressen, man bewegt sich nämlich immer *innerhalb* der persönlichen Grenzen - und das schafft immense Sicherheit.
Lust auf mehr?
Gut... aber ab jetzt braucht man gute Nerven und vor allem sehr viel Humor
...und fünf bis zehn Streichhölzer.
Man nehme also eine bequem erreichbare Ablage (Notenpult z.B.) auf der Metronom und besagte Anzahl an Streichhölzern Platz haben.
Nun spiele ich in bequemem Tempo die Stelle meiner Wahl einmal durch. Keine einzige Note mehr, keine einzige Note weniger. Wenn ein Malheur passiert wird ebenso die gewählte musikalische Phrase (!) schön (!!) zu Ende geführt.
Passiert kein Malheur lege ich ein Streichholz weg/auf die andere Seite der Ablage.
Ist irgendwo etwas passiert wandern (mit einem Lächeln, es ist nur ein Spiel!) alle Streichhölzer zurück. Was aber natürlich nie der Fall ist weil wir das richtige Tempo gewählt haben.
Achtung:
Diese Übung erfordert absolute Disziplin!
- kein "war ja *eigentlich* ok"
- kein "das ist fad - ich dreh ein bißchen schneller"
- kein "jetzt reicht's... ich mach das morgen wieder"
Hat man diese Übung angefangen gibt es kein zurück! Ganz ganz wichtig für's Unterbewußtsein - ich kann Stelle x ohne das geringste Problem auf Abruf x-mal hintereinander spielen.
Und jetzt kommen wir zur Bühne...
Auf der Bühne zählt... SPASS!
Es ist absolut charakterabhängig, wie man auf der Bühne mit welchen Situationen umgeht. Es gibt Musiker, die dreihundertprozentige Sicherheit brauchen, sie sind absolut zuverlässig und auf Punkt da. Dann gibt es Musiker, die Anspannung mit Angst verwechseln - ihnen sei gesagt, daß im Sport keine Weltrekorde im Training aufgestellt werden - diese Spannung ist von essenzieller Wichtigkeit! Und dann gibt es noch die Spieler - bei denen kann's heute so laufen und morgen so. Ein Konzert ist Sternstunde, eins absoluter Käse (rein "fehlertechnisch" mein ich). Aber: sie haben immer Spaß am spielen.
Wie gesagt - hier hat jeder seine eigene Persönlichkeit und muß damit arbeiten und sich vor allem damit wohl fühlen.
Vielleicht helfen die Übungsvorschläge ja ein bißchen, würde mich freuen
LG
Yoshi
P.S.: Sehr schöne Ansage ist übrigens "wer acht Stunden am Tag übt hat Üben nicht verstanden"

...und dann bat mich der Dirigent, etwas höher zu spielen...