Harfe für Blinde

Du hast etwas schönes, ärgerliches, spannendes, trauriges mit deiner Harfe erlebt? Erzähl uns davon.
Kailash
ganz schön fleißig
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von Kailash »

Liebe Lillyfee,
da merkt man schon gleich wieder, wie sehr wir visuell denken und sprechen. :-)
Eine "Vision" für etwas, das man für Blinde macht, klingt wie ein Widerspruch in sich. Was wäre hier ein angemessenes Wort? Finden wir eins, das vielleicht unmittelbar mit Musik oder Klang oder Haptik zu tun hat?

Als geübter Diplomat würde ich ja in Bezug auf die Ausgangsfrage sagen: kommt drauf an.
- Geht es um eine Erweiterung der Möglichkeiten für die Kinder,
- geht es darum, die Musikalität von bereits musikalischen Kindern gezielt zu fördern,
- geht es darum, Potenzial für künftige Berufsmusiker zu entdecken und zu fördern und diese auszubilden ?
Das wären jeweils unterschiedliche Ziele, die auch unterschiedliche Herangehensweisen und jeweils höher- oder niederschwellige Angebote nach sich ziehen.
Mit einigen professionellen blinden Musikern durfte ich ja bereits zusammen arbeiten, da fielen mir dann zwei Punkte auf:
- Da sie weder den Dirigenten noch die verschiedenen körpersprachlichen Zeichen sehen, mit denen sehende Musiker sich abstimmen, ist es wichtig, die Bedürfnisse blinder Menschen an Probensituationen zu eruieren: welche Absprachen muss man machen, auf welche subtileren nichtvisuellen Arten von Kommunikation und Wahrnehmung muss man sich einlassen - da gibt es mehr als man denkt, die blinden Menschen machen da auch tolle Vorschläge, wenn man sie lässt. Sie brauchen gar nicht mal mehr Proben, aber andere.
- Blinden-Notenschrift ist dann auch sehr wichtig, damit man sich Stücke und Stimmen draufschaffen kann.
Rein auditiver Unterricht ist für alle Hobby-, Kreativ- etc. - Situationen gut, und am Anfang ohnehin, um Musikalität und Gedächtnis zu "öffnen". Wenn man auf die Ebene "Optionen für professionelle Arbeit" gehen möchte, müssen auch Rahmenbedingungen für Professionalität erarbeitet werden. Selbstverständlich bieten neue Medien da inzwischen auch wunderbare Unterstützung. Möglicherweise brauchen blinde Musiker bald keine Braille-Noten mehr, sondern lernen ihre Stimmen auch direkt von elektronischen Helferlein, warum nicht.

Entschuldigung, wenn das jetzt alles etwas pragmatisch und nichtvisionär klingt, aber ich habe gelernt, Visionen zu misstrauen, je grösser, desto schlimmer...
Die Schritte, die du jetzt gerade gehst, und die sich durch weitere Anregungen und Begegnungen ergeben, sind doch vielleicht gerade der Aufgabe eher angemessen als der Versuch, eine Vision zu bauen und zu verwirklichen?

Just my two renminbi...
Schöne Adventsgrüsse ins christlich geprägte Westeuropa -
Rigdzin
Auf vielen Wegen ist ein Lehrer hilfreich, der dich begleitet.
Die Grundvoraussetzungen, Geduld und Disziplin, kannst du nur selbst lernen.
(Zen)
lillyfee
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von lillyfee »

Kailash hat geschrieben:Liebe Lillyfee,
da merkt man schon gleich wieder, wie sehr wir visuell denken und sprechen. :-)
Eine "Vision" für etwas, das man für Blinde macht, klingt wie ein Widerspruch in sich. Was wäre hier ein angemessenes Wort? Finden wir eins, das vielleicht unmittelbar mit Musik oder Klang oder Haptik zu tun hat?

Als geübter Diplomat würde ich ja in Bezug auf die Ausgangsfrage sagen: kommt drauf an.
- Geht es um eine Erweiterung der Möglichkeiten für die Kinder,
- geht es darum, die Musikalität von bereits musikalischen Kindern gezielt zu fördern,
- geht es darum, Potenzial für künftige Berufsmusiker zu entdecken und zu fördern und diese auszubilden ?
Das wären jeweils unterschiedliche Ziele, die auch unterschiedliche Herangehensweisen und jeweils höher- oder niederschwellige Angebote nach sich ziehen.
Mit einigen professionellen blinden Musikern durfte ich ja bereits zusammen arbeiten, da fielen mir dann zwei Punkte auf:
- Da sie weder den Dirigenten noch die verschiedenen körpersprachlichen Zeichen sehen, mit denen sehende Musiker sich abstimmen, ist es wichtig, die Bedürfnisse blinder Menschen an Probensituationen zu eruieren: welche Absprachen muss man machen, auf welche subtileren nichtvisuellen Arten von Kommunikation und Wahrnehmung muss man sich einlassen - da gibt es mehr als man denkt, die blinden Menschen machen da auch tolle Vorschläge, wenn man sie lässt. Sie brauchen gar nicht mal mehr Proben, aber andere.
- Blinden-Notenschrift ist dann auch sehr wichtig, damit man sich Stücke und Stimmen draufschaffen kann.
Rein auditiver Unterricht ist für alle Hobby-, Kreativ- etc. - Situationen gut, und am Anfang ohnehin, um Musikalität und Gedächtnis zu "öffnen". Wenn man auf die Ebene "Optionen für professionelle Arbeit" gehen möchte, müssen auch Rahmenbedingungen für Professionalität erarbeitet werden. Selbstverständlich bieten neue Medien da inzwischen auch wunderbare Unterstützung. Möglicherweise brauchen blinde Musiker bald keine Braille-Noten mehr, sondern lernen ihre Stimmen auch direkt von elektronischen Helferlein, warum nicht.

Entschuldigung, wenn das jetzt alles etwas pragmatisch und nichtvisionär klingt, aber ich habe gelernt, Visionen zu misstrauen, je grösser, desto schlimmer...
Die Schritte, die du jetzt gerade gehst, und die sich durch weitere Anregungen und Begegnungen ergeben, sind doch vielleicht gerade der Aufgabe eher angemessen als der Versuch, eine Vision zu bauen und zu verwirklichen?

Just my two renminbi...
Schöne Adventsgrüsse ins christlich geprägte Westeuropa -
Rigdzin
Lieber Rigdzin, :_smile_:

habe wie immer ganz besonderen Dank für Deine Zeilen, da Du weißt, daß mir Dein Rat sehr wichtig ist. Vielen Dank auch für Deine sehr konstruktive Kritik.
Ich freue mich darüber. :_smile_:
Für mich kann eine Vision auch durchaus etwas ganz Kleines sein, ein Ziel, das ich bildhaft vor Augen habe. Nach meinen Erfahrungen setze ich viel Vertrauen in eine Solche,
für mich nicht negativ behaftet, aber sicherlich genauso auch möglich.
Da ich schon einige, sehr realistische, Vorstellungen( kleine und große) über zukünftige Projekte im Bereich Harfe für Blinde, von anderen Menschen, gehört habe, die ich überraschend und hoch interessant fand, bin ich gespannt, was die Menschen in diesem Forum, um mich herum für Ideen zu diesem Thema haben.
Ich habe die Zahlen der Zugriffe, bisher um die 1800 immer sehr aufmerksam verfolgt und jedesmal gedacht, wer liest diesmal die Beiträge und mir oftmals gewünscht, genau in diesem Moment mit meinem anonymen Gegenüber sprechen zu können, zu fragen, was würdest genau Du! :_smile_: mir zu dem Thema erzählen wollen.
Da ist natürlich der rote Faden.........., aber ich würde etwas darum geben, auch einen Blick auf die anderen bunten Fäden um mich herum werfen zu können, damit Dinge " lebendig" werden können.
Hab nochmals herzlichen Dank für Deine Zeilen, die viel Stoff zum Nachdenken in sich birgen.

Dir Rigdzin, von ganzem Herzen ein fröhliches Weihnachtsfest in die Schweiz und ganz viel Schnee................ . :_smile_: :_smile_: :_smile_:

Alles Liebe
Lillyfee
Zuletzt geändert von lillyfee am Do 4. Dez 2014, 13:10, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von lillyfee »

moi66 hat geschrieben:Projekt? Warum Projekt? Ein Projekt hat immer einen Anfang und - ein Ende.
Ich fänds traumhaft, wenn (nicht nur) behinderten Menschen Musik(instrument)erfahrung möglich wäre..
Wenn Raum, Zeit, Personal und finanzielle Mittel da sind, eine der Person angemessene Erfahrung mit Musik zu vermitteln und darauf aufzubauen.
Wenn Menschen Instrumente in aller Ruhe "erfahren" können und sich dann für (oder auch gegen) einen Unterricht entscheiden.
Wenn Menschen, die ein Instrument (noch) nicht selber spielen können, Musik erleben und darin "baden" können
Wenn engagierte Musiker (wie Du, lillyfee) nicht abwägen müssen, wer jetzt den Unterricht in Zeiten von Geldknappheit am meisten braucht oder verdient
Wenn ein ausreichender Fundus an Musikinstrumenten genauso zur Schulausstattung gehört wie Turngeräte oder Tafel
Wenn...
Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär... *seufz*
Liebe moi66, :_smile_:

ich freue mich sehr, wieder etwas von :_smile_: Dir :_smile_: lesen zu dürfen.
Die Sätze sind so einfühlsam, daß auch ich fast jeden unterschreiben könnte. Ja, moi66, es wäre wirklich schön. :_smile_:

"Eine Vision, ein vorstellbares Ziel, "ein Projekt"."

Nicht negativ, da endlich, sondern für mich positiv, da Lebendigkeit und Fröhlichkeit immer mit dabei sind, wie auch viele andere Dinge, die über die Endlichkeit des Projektes hinausgehen.
Die Liebe, zu dem, was wir dort tun oder lernen ( oder getan haben). Wo durften wir mit unserem Herz wirklich dabei sein, auch darüber hinaus....... ?
Welche Gewichtung die Umsetzung, Weg &(=)Ziel dabei haben, möge jeder für sich selbst entscheiden. :_smile_:


:_smile_: Für Dich, moi66, eine schöne Weihnachtszeit, auf daß, alles, was Du Dir wünschen solltest, in Erfüllung gehe. :_smile_:

Herzlichst
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von moi66 »

Liebe Lillyfee,
vielen Dank!
Und nein..diese Zeilen waren nicht gemeint,(D)ein Projekt negativ zu sehen, es ist sehr sehr positiv..ich hatte nur gerade meinen visionären, träumerischen Moment.. und man wünscht sich doch immer, dass dieser Moment nie endet.
Auch Dir eine wunderschöne, klangvolle Weihnachtszeit!
LG
moi
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mygga
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von mygga »

Zwei Ideen zum Begreifbar machen.

Entweder von oben runterzuholen oder von unten rauf, das setzt natürlich Sicherheit in der Tonleiter Voraus und kann dauern.Aber man muss nichts an der Harfe verändern.

Oder oben Markierungen auf die Harfe kleben und so die c-Saiten fühlbar markieren, um von da aus zu zählen. Kleine FlauschpAds von Klettverschlüssen auf den Hals oder eine Kappe auf das Ende der Stimmwirbel.

Ganz einfach wäre natürlich ein Pad neben c auf der Klangdecke zu fühlen, aber da hab ich Bedenken wegen dem Klang.

Das Problem sehe ich eigentlich darin, den Ausgangston zu finden, die Abstände müssen Finger und Ohren allein erkennen. Das ist dann doch wie bei der Geige - du weißt den Fingersatz, aber du musst hören, ob der Ton stimmt.

Ich bleib gerne mit am Thema dran, ich habe auch Schwierigkeiten mit den Augen und will vom Spielen "mit Sicht" unabhängig werden.
Wo Sprache keine Worte hat, fängt die Musik erst an. (M.W.)
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von lillyfee »

Liebe Forianer,
Einladung zum AK unter PN.

Herzlichst
Lillyfee
Zuletzt geändert von lillyfee am Fr 6. Feb 2015, 01:11, insgesamt 5-mal geändert.
Sally

Re: Harfe für Blinde

Beitrag von Sally »

Liebe Lillyfee,

wenn ihr euch mal an einem anderen Tag trefft wäre ich gerne mit dabei. Skypen geht ja auch aus Schottland. :_smile_:
Und wenn ihr euch mal an einem Wochenende trefft, dann würde ich auch gerne mal - wenn es zeitlich passt - dazu kommen.

Liebe Grüße aus dem verschneiten Wuppertal
Eike
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von lillyfee »

Liebe Forianer,
aus gesundheitlichen Gründen muss ich zukünftig leider kürzer treten und mich somit auch schweren Herzens von diesem Thema im Forum verabschieden. Vielen Dank für die liebenswerten, freundlichen Kontakte und die erstklassigen Beiträge von Euch, die ich durch den thread erleben durfte. Ich würde mir im Sinne von blinden und sehbehinderten Menschen wünschen, dass noch ganz viele Harfenisten dieses Thema zu Ihrem eigenen machen werden.

LG
Lillyfee
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moi66
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von moi66 »

Liebe Lillyfee,
das tut mir sehr, sehr leid - für Dich und für das Projekt.
Ganz liebe Grüße und auf dass es Dir bald wieder besser geht.

Moi
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Re: Harfe für Blinde

Beitrag von Zaubernuss »

Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für diesen Thread und die ganzen Infos und Ideen!
Besonders die Saitenmarkierungen auf der Harfe und an den Klappen ist eine tolle Idee! :_cheesy_:
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