Die unbekannte Lady (Altesfossil)

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altesfossil
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Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von altesfossil »

Sodele, hier die gewünschten Bilder meines neuen Langzeitprojekts, die ich selbst bisher nur von Bildern kenne und am Sonntag dann endlich in Händen halten werde.
Wie gesagt war die Anschaffung eine wirkliche Nacht-und-Nebel-Aktion. Hab nen Kumpel zum Abholen der Harfe ausgeschickt, weil die schwäbische Alb denn doch hinter Pfui-Teufel liegt und selbst Bayern eine ewige Fahrerei bedeutet. Mein Kumpel hatte aber die letzten 3 Wochen schon echt Spaß damit und bringt sie am WE vorbei.
Richtige Detailfotos kann’s also erst am Sonntag geben.



Hier die Fotos:
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Über die Lackschäden reden wir erst gar nicht, hier ist deutlich zu sehen, dass sie nicht sehr zaghaft behandelt wurde. Mein erster Gedanke war alles abschleifen und damit auch die eigentliche Holzoberfläche wieder hervorzuholen, aber das würde echt lange dauern und ist mühsam. Mal sehen, wie viel Lust ich habe und wieviel Zeit mir meine Familie lässt. Der Klangkörper hat jedoch keine Macken, das andere fällt daher für mich vorerst mal unter die Rubrik Optik.
Säule und Hals sind am Kopf nicht aufeinander sitzend, sondern quer angefügt (ich weiß nicht, wie diese Technik im Fachjargon heißt) Das ist, denke ich eine Besonderheit, die ich bisher auf keinem Harfenbild so gesehen habe.



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Die Stimmwirbel sind nicht in einer durchgehenden Reihe angebracht, sondern haben einen Absatz. Auch das habe ich so nirgends gesehen.
Der Harfenhals ist am Knie nicht mittig angebracht, sondern rechts außen.
Die Rechte Leiste am Klangkörper hat sich in Knienähe gelöst und muss wieder geleimt werden.
Weiter unten Richtung Säule hat jemand an beiden Leisten Schrauben reingedreht :_shocked_: .Das sollte glaub ich auch nicht so sein, sondern eigentlich geleimt.
Der mittige Steg (Aufhängeleiste) ist aber in Ordnung und fest.



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Korrigiert mich, wenn ich mich täusche, aber ich glaube, dass sie nicht korrekt besaitet ist. An den Stimmwirbeln sieht das Ganze doch sehr wulstig und durcheinander aus. Die tiefste f-Saite ist rot statt schwarz. Da hatte wer wohl nicht die passende Ersatzsaite da. 3 oder 4 Saiten sind gerissen und müssen ersetzt werden. Evtl. sogar alle.



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Der Korpus ist hinten rund! Da ein Laie das wohl eher nicht hinkriegen würde, tendiere ich sehr stark dazu, dass sie aus einer Harfenwerkstatt stammen müsste. Er ist ohne Risse o.ä. Diese Tatsache war letztlich der ausschlaggebende Punkt, warum ich sie dann tatsächlich gekauft habe.
Eigenbau-Harfen haben meist einen eckigen Klangkörper, was wesentlich einfacher beim Zusammenbau ist.
Allerdings irritieren mich halt die versetzten Stimmwirbel, ob das normal ist oder ob doch jemand selbst daran gebaut hat.

Ein Logo, Aufkleber oder Intarsien bzgl. Hersteller gibt es äußerlich weder oben noch unten, noch hinten oder vorne. Ich habe ja noch die winzige Hoffnung, dass versteckt im Klangkörper vielleicht was zu finden ist. Wir werden sehen.
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bastian
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von bastian »

Die versetzten Stimmwirbel sieht man oft bei schottischen Harfen (aber nicht nur), an der Stelle an der im Bass die Darm - oder Nylonbesaitung zu umwickelten Stahlsaiten übergeht. Damit wird das Klangbild und das Spielgefühl im Übergang harmonischer.

Wenn ich das aber auf den Fotos richtig sehe, hast du keine Stahlsaiten. Noch ein Hinweis darauf, dass die Harfe nicht korrekt besaitet ist.
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von Fainwen »

Solche versetzten Stimmwirbel kenne ich hier auch von einem Harfenbauer aus der Schweiz. Meine Freundin hier hat eine Harfe von ihm. Mir ist der Name entfallen, aber das hab ich bestimmt gleich gegoogled.

Edit: Christoph Mani macht das auch. Vielleicht ein altes Modell von ihm?
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von Der Juergen »

altesfossil hat geschrieben: Do 14. Jul 2022, 10:55Säule und Hals sind am Kopf nicht aufeinander sitzend, sondern quer angefügt (ich weiß nicht, wie diese Technik im Fachjargon heißt) Das ist, denke ich eine Besonderheit, die ich bisher auf keinem Harfenbild so gesehen habe.
Die Technik heißt Überblattung (oder auch Überplattung) und ist vor allem bei älteren Harfenmodellen häufiger an dieser Stelle zu finden. Gut zu sehen ist das beispielsweise bei Frank Sieverts Modell »John Egan«.

Die Stufe im Wirbelverlauf gibt es ebenfalls häufiger, beispielsweise hat sie auch Jonny Robels auf den von ihm selbst gebauten Harfen.
Wie von Bastian erwähnt, haben die schottischen Starfish-Designs-Harfen diese Stufe – und übrigens auch die Überblattung.
https://starfishdesigns.co.uk

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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von Maira »

Das mit dem Knie ist schon ganz in Ordnung.
Es ist eine recht haltbare Verbindung wenn sie richtig gemacht ist.
Daß die tiefen Saiten C und F beide rot sind kommt vor.
Aoyama und Wotan haben das zuweilen.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von altesfossil »

Hey, Danke für die vielen Tipps und Erklärungen. Es bleibt spannend :_grin_:

Am einfachsten wird sein, dass ich Herrn Mani und danach die Starfish-Werkstatt anschreiben werde, ob ihnen die Harfe bekannt vorkommt, sofern ich keinen Hersteller an versteckten Stellen finde.
Wäre ja cool, herauszufinden, woher sie tatsächlich stammt und welche Besaitung da ursprünglich mal original war, dass sie die gleiche vielleicht wieder kriegt.
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bastian
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von bastian »

Ich seh jetzt erst, am Monitor, du hast ja doch umsponnene Saiten drauf.

Frank Sievert hat die auch so gemacht, C und F nur rot (weil Kupfer) unsponnene Saiten. Dann braucht man nix färben.
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von altesfossil »

Ich hab noch was da: Hab die Harfe aus Schweinfurt. Der ursprüngliche Standort war sehr nah am dortigen Theater.
altesfossil
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von altesfossil »

Aaaalso. Neuigkeiten zu der Harfe:
Nachdem ich sie jetzt genauer unter die Lupe gebommen habe, hab ich mich bereits am Montag entschlossen, das gute Stück komplett zu zerlegen und wieder herzurichten. Von wem sie stammt o.ä. ist völlig Nevensache geworden.
Ich vermute, dass die Harfe mal einen ordentlichen Schlag abgekriegt hat. Viele Dinge sind nur zum Kopfschütteln, da hat jemand rumgepfuscht, der keine große Ahnung hatte. Ich hab auch nicht viel, aber naja, seht selbst:

Warum? Darum:



20220717_134043.jpg
Das war mit Sicherheit so nicht im Original...außerdem schief gesetzt beim Bohren....


20220717_134034.jpg
Hier sieht man dass die Säule nach rechts hängt. Wir sich beim Zerlegen herausgestellt hat, war ein Dübel, der sich über der Schraube befindet, abgerissen.


20220717_134012.jpg
Auxh hier wird deutlich, wie sehr die Drehung ist. Das Knie sitzt überhaupt nicht mittig auf dem Korpus....



20220717_134001.jpg
Hier sind zwei runde Kreise im Holz zu sehen. Zuerst dachte ich an ein weggefallenes Logo, aber das sind Spuren von Schraubzwingen, um die Überblattung aneinaderzuleimen.


Nich mehr schreib ich später, jetzt muss ich erst mal raus spazieren.
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Re: Die unbekannte Lady (Altesfossil)

Beitrag von altesfossil »

Teil 2: :

Sollte ich euch damit nerven, einfach melden, dann bastel ich ohne Text weiter :_cheesy_: .
Ansonsten schreib ich immer mal wieder den weiteren Werdegang hier rein:

Hab mich also am letzten Sonntag dazu entschlossen, sie komplett zu zerlegen, abzuschleifen und auch sonst aufzuhübschen, weil

1. die Säule ja schräg war und das so definitiv nicht bleiben konnte.

2. Die Säule und der Hals und auch an anderen Stellen war die Harfe nur grob bearbeitet, d.h. geschliffen wurde das Holz wenig, so dass man die Sägeblattkanten vor allem bei den Rundungen deutlich sehen konnte (sichtbar z.B. auf dem ersten Bild des vorigen Posts, die dunkleren Linien. Diese sind nun komplett abgeschliffen worden. Das Holz, das unter diesem Lack hervorkam, ist recht hübsch. Ich tippe auf Kirsche, auch, weil das Holz halbhart ist bei der Bearbeitung.

3. Die Zierleisten an der Klangdecke sind ab, sowie der Querbalken vorn unten, wo die Säule befestigt war. Die Teile wurden geschliffen und auch hier wurde vmtl. Kirschholz verwendet. Ebenso verhält es sich mit dem Boden und den Füßen. Die Korpusdecke ist aus Fichten-oder Kiefernholz.

4. Der Korpus hinten ist aus einer Multiplexplatte gebogen, welche mit (geschätzt) Walnussfurnier überzogen wurde. Könnte vom Farbton und der Maserung an Walnuss drankommen. Der Lack drüber hat das alles ziemlich gut überdeckt und einen Einheitsbrei was die Farbe anging entstehen lassen. Ich werde, wenn alles soweit fertig ist, das Holz Ölen, damit die einzelnen Holztöne schön rauskommen.

5. Mein Opa war Schreiner. Und ich habe einmal eine selbst gebaute Eckbank, die in unserer Küche steht, von ihm aufgearbeitet. Ich fühlte mich während der Arbeit an der Harfe schwer an diese Machart erinnert. Zumindest wurden ähnliche Hölzer und vor allem ähnliche Schrauben verwendet. Und Knochenleim, wobei dieser auch heute noch gern zum Einsatz kommt. Da mein Opa 1967 starb, haben sich auch die Schreinermethoden bis heute ziemlich verändert. Daher vermute ich mal, dass die Harfe circa 30-50 Jahre auf dem Buckel hat und selbst gebaut wurde von einem Schreiner und keinem Instrumentenbauer.

6. Es gab einen Mix aus unterschiedlichen Schrauben. Mal Längsschlitz, mal Kreuzschlitzschraube, mal Torxkopf- was darauf hindeutet, dass da schon vorher jemand, der keine Ahnung hatte, dran rum verschlimmbessert hat.

7. In den Saitenlöchern in der Klangdecke waren Ösen verwendet worden, die ich vom Nähen her kenne. Hab aber gesehen, dass die auch bei anderen Harfen gerne dafür eingesetzt werden. Daher werd ich diese auch wieder einsetzen, wenn ich so weit bin. An Plastikösen, wie ich sie an einer Salvi gesehen habe, komm ich wohl eher nicht dran.

Ich bin ja mal insgesamt gespannt, ob ich sie so hinkriege, dass sie danach auch vernünftig gestimmt und gespielt werden kann. Wenn nicht, hab ich zwar 200 € in den Sand gesetzt, aber trotzdem ne Menge Spaß gehabt in der Werkstatt. Mit einer teuren Harfe hätt ich das bestimmt alles nicht gemacht, weil nicht getraut und so :_tongue_: .
Noch hadere ich mit mir, ob ich die alten Saiten wieder aufziehen soll und nur die kaputten ersetze, oder ob ich einfach nochmal 150 Euro investiere und einen kompletten neuen Satz dafür hole. Wir werden sehen.

Bilder von den geschliffenen Teilen folgen noch, sofern ihr sie so „nackig“ und zerlegt überhaupt sehen wollt. Ansonsten gibts ein Bildchen, wenn sie wieder zusammengesetzt ist.
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