Halbtonmechanik- Klang dumpfer

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Anatker611
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Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Anatker611 »

Hallo zusammen, rein Interesse halber, mir ist nun bei verschiedenen Halbtonmechaniken aufgefallen, dass der Ton der Saite dadurch dumpfer wird. Bei anderen ist das nicht so. Kann man da allgemein eine Aussage zu machen, z. B. wenn der Hebel gegen die Saiten drückt und kein Gegendruck da ist wird es dumpfer oder ist in einem solchen Fall die Mechanik nicht richtig eingestellt? Oder kommt es rein auf die Qualität der Mechanik an? Bei welchen Halbtonmechaniken ist es so, dass der Ton eher dumpfer wird und bei welchen bleibt er klar?
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Der Juergen
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Der Juergen »

Grundsätzlich ist es von der Physik her so, dass die Schwingung (und hier insbesondere höhere Frequenzen, also auch die Obertöne) dann stärker gedämpft werden, wenn das Gesamtsystem weniger starr ist.

Zum Verständnis: Eine (theoretische) Schaumgummiunterlage wäre hier sehr stark dämpfend.
Ein sehr hartes und starres/sprödes Material wirkt sich hingegen nur wenig aus.

Auf die Umstimmmechanik bezogen kannst du also sagen, dass eine „labberige“ Konstruktion oder eine mit weicheren Kunststoffbestandteilen stärker dämpft, als eine sehr starre Konstruktion aus harten Materialien.
Eine Hakenharfe (der Bautyp mit den U-Nägel-förmigen Umstimmern) hat hier Nachteile, weil die Haken eine gewisse (auch federnde) Flexibilität aufweisen.

Wenn nun aber die Mechanik selbst eine hohe Masse aufweist, nimmt das ebenfalls Energie auf, die dann an anderer Stelle (Sattelstift/Hals und Klangdecke) verringert ist.
Optimal wäre – rein für den Erhalt der Schwingung – eine massearme und gleichzeitig verformungsarme Konstruktion.

Welche real existierenden Hebelmechaniken hier besser sind als andere, mögen andere aus der täglichen Praxis beschreiben.
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Anatker611 »

Wunderbare logische Antwort!
Ja auf die Praxisantworten bin ich sehr gespannt.
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Maira
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Maira »

Grundsätzlich höre ich wenn Klappen eingelegt werden, je mehr um so deutlicher.
Durch die Verkürzung der Saite wird das freie Schwingen der Saite abgeklemmt.
Bei 1 Klappe / Oktave ist das noch nicht so schlimm, max. 3 Klappen / Oktave sind noch erträglich,
ab 4 Klappen / Oktave klingen die Klappenharfen für mich wie abgewürgt.
Das geht nicht jedem so, aber wer ein sehr feines Gehör hat wird mir zustimmen.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
Anatker611
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Anatker611 »

OK. Das ist mir auch aufgefallen. Dann liegt es also am feinen Gehör. Ich Versuche es positiv zu sehen 😂🙈
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mygga
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von mygga »

Es ist tatsächlich so, dass die Töne "kürzer" und weniger schwingend werden.

Das muss aber kein Nachteil sein.

Ich habe mich während der Arbeit an meinem Harfencoaching-Konzept und Improvisation viel damit beschäftigt.
Wenn man ein Gespür dafür hat, kann man das für sich selbst oder für den Vortrag gezielt einsetzen. Es gibt Lieder, die klingen in anderen Tonarten einfach nicht. Und ich spiele je nach Stimmung tatsächlich quer durch die Tonarten.
Es-Dur tröstet,
F beruhigt,
C ist "gefühlsneutral"
G schafft Klarheit
D ist "krabätzig", leicht aggressiv und gut zum Abreagieren.

Ich würde ja immer noch gerne mal mit anderen daran arbeiten, solche individuellen Wirkungen herauszuarbeiten, denn wenn man die kennt, kann man sich ziemlich gut in Stimmungen hinein- und wieder herausspielen. Müssen nicht mal Melodien sein, Dreiklänge oder Arpeggien reichen bereits.


Beispiel für den Vortrag:
Such dir was Schnelles, bevorzugt Lateinamerikanisch, Irische Tanzmusik sollte auch gehen. Und dann spiel das Stück einmal in D-Dur und dann in Es-Dur. Du wirst merken, dass es in Es gar nicht klingt, du hast ein einziges "Tongematsche".
Und dann spiel was Langsames, Getragenes. Ich nehme dafür gerne "Tristan und Isolde" (wie es sich auf bretonisch schreibt, weiß ich nicht mehr), aber eigentlich müsste alles gehen, was langsam ist und ursprünglich in Es-Dur. Das dann einmal in Es und einmal in D. Du wirst es in D nicht mögen, es klingt bedeutungslos.

PS: die Chromatiker unter uns haben da leider verloren. Ohne Klappen funktioniert es nicht. Für euch getestet. :)
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Der Juergen
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Der Juergen »

mygga hat geschrieben: Do 8. Mai 2025, 13:31"Tristan und Isolde" (wie es sich auf bretonisch schreibt, weiß ich nicht mehr)
Also auf Bretonisch heißt es einfach „Tristan hag Izold“, das liest man aber eher selten, die Schreibung „Yseult“ (oder „Iseult“) stammt aus dem Altfranzösischen und ist meiner Wahrnehmung zufolge häufiger zu sehen.

Die angeblichen Wirkungen der Tonarten beruhen natürlich nicht auf wirklichen Einflüssen der Tonart selbst, wenn man das heute gängige gleichstufige Stimmsystem verwendet. Anders sieht es bei nicht-gleichstufigen Temperaturen aus.
Daneben wirken natürlich die Resonanzen innerhalb und außerhalb des Instrumentes, sodass es (auch) bei Verwendung des gleichen Stimmtons für A anders klingt (abgesehen von der Tonhöhe), wenn man beispielsweise kein „Es“, sondern ein „E“ spielt.
Die Dämpfung durch die Umstimmmechanik tut ihren Anteil auch noch hinzu.

Insofern klingt es im Rahmen dieser unterschiedlichen Parameter schon anders, aber ich möchte einfach klarstellen, dass es nicht originär an der Tonart selbst liegt, wie in manchen Kreisen oft herbeifantasiert wird.
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von mygga »

Es hat indirekt mit der Tonart zu tun, weil sie die Anzahl der Klappen bestimmt. Und die Wirkung ist individuell. Eben darum wäre es spannend, das für jemanden persönlich zu erarbeiten.
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Der Juergen
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Der Juergen »

mygga hat geschrieben: Do 8. Mai 2025, 15:12 Es hat indirekt mit der Tonart zu tun, weil sie die Anzahl der Klappen bestimmt. Und die Wirkung ist individuell. Eben darum wäre es spannend, das für jemanden persönlich zu erarbeiten.
Genau, das hatte ich oben erwähnt:
Die Dämpfung durch die Umstimmmechanik tut ihren Anteil auch noch hinzu.
Die Wirkung ist individuell, deswegen kann man aus einer Versuchsreihe nur auf eben genau den individuellen Fall an dieser einen Harfe, Typ der Umstimmmechanik, Saitenmaterial, Stimmtonhöhe, Stimmsystem usw. genau ein individuelles Ergebnis herauslesen, das bei Änderung einzelner Parameter keine Allgemeingültigkeit besitzt.

Wenn man, statt die Umstimmmechniken zu nutzen, die Harfe an sich – unter Beibehaltung der anderen Parameter – in eine andere Tonart stimmt, entfällt natürlich die Dämpfung durch die Umstimmer, aber man verändert die Saitenzugkraft an verschiedenen Stellen der Harfe und dadurch auch die Schwingungsmuster innerhalb der Harfenkonstruktion. Die Schwingungsknoten und -bäuche bilden sich voraussichtlich an geringfügig anderen Stellen des Materials (Holz etc.) der Harfe aus und beeinflussen dadurch ebenfalls den Klang.

Letztendlich bestimmt der Zuhörende nicht unwesentlich selbst die mentale Stimmung, die er empfindet.

Das wiederum hat mit seinem Hörapparat (Form der Ohren und des Gehörganges), der neuronalen Verarbeitung, der Erfahrung, des Kulturraumes usw. usf. zu tun.

Wirkliche musikalische Unterschiede machen sich selbstverständlich bei verschiedenen Skalen („Kirchentonarten“) bemerkbar, aber davon war hier nicht die Rede.
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Maira
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Re: Halbtonmechanik- Klang dumpfer

Beitrag von Maira »

Das mit den Tonarten - Tonskalen ist echt sehr individuell.
Kommt dann noch dazu daß man durch einen schweren Unfall Synästhet wird und
die Töne Farben haben wird das noch sehr viel individueller.
Meiner Erfahrung nach klingen Instrumente am Besten in der ihnen zugedachten
Grundtonarten. Und auch das Modulieren klappt oft gut.
So ist mir in 12 Jahren beim Umschreiben der Tonarten nach eb lediglich 1 Stück untergekommen
welches wirklich nur in der Originaltonart G gut klingt, alles Andere war modulierfähig.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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