Schöpfungslegenden und singende Knochen

Du hast etwas schönes, ärgerliches, spannendes, trauriges mit deiner Harfe erlebt? Erzähl uns davon.
Sally

Schöpfungslegenden und singende Knochen

Beitrag von Sally »

Bin heute auf eine wunderschöne Legende zur Entstehung der Welt durch den Klang gestoßen. Sie kommt aus Japan:

Am Anfang herrschte das Dunkel.
Amaterasu, die Göttin der Sonne, thronte noch nicht am Himmel. Sie lebte in einer Höhle.
Die Welt war kalt und unwirtlich und ohne Leben.
Da nahm Gott sechs risiege Bögen, band sie zusammen und schuf auf diese Weise die erste Harfe.
Auf ihr spielte er wunderschöne Melodien.
Von ihnen angelockt erschien die reizende Nymphe Ameno-Uzume.
Hingerissen von der Harfenmusik begann sie zu tanzen - und schließlich auch zu singen.
Die Sonnengöttin Amaterasu wollte die Musik, die von ferne zu ihr drang, besser vernehmen.
Deshalb schaute sie aus ihrer Höhle hervor, und im gleichen Moment erstrahlte die Welt im Licht.
Die Sonne wurde sichtbar und spürbar, und Blumen und Pflanzen und Bäume begannen zu wachsen.
Und Fische und Vögel, Tiere und Menschen betraten die von Licht erfüllte Erde.
Die Götter aber beschlossen fortan Gesang und Tanz zu pflegen, damit die Sonnengöttin nie mehr in ihre
Höhle zurückkehre, denn sie wußten:

Es war zwar die Sonne, durch die das Leben begonnen hatte,
aber ohne die Harfenmusik der sechs großen Bögen
und ohne den Gesang der Nymphe Ameno-Uzume hätte sich Amaterasu,
die Göttin der Sonne, nie auf ihrem himmlischen Thron niedergelassen,
sie wäre ewig in ihrer Höhle geblieben.

Und also war es der Klang, waren es Musik und Tanz, mit denen die Welt begann.


(Gefunden in "Come Togehter Songs" Band I von Hagara Feinbier)

Grüße aus dem verschneiten Wuppertal
Eike
Zuletzt geändert von Sally am Mo 7. Jan 2013, 21:16, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6428
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Der Juergen »

Liebe Eike,

wie das bei den ganzen fantasievollen »Harfen«stories so ist: irgendwer hat sie mal erfunden.
Wo steht denn das ursprünglich?

Zumindest hat der Erfinder dieser Version eine Vorstellung eines Musikbogens oder einer Bogenharfe gehabt.
Aber wo »Harfe« draufgestempelt wird , kommt dann leider so was raus, völlig unabhängig vom eigentlich gemeinten Instrument :_wink_:

http://edji.deviantart.com/art/Amateras ... -285952693

Süß isses :_grin_: Bissi verpennt, aber sie ist ja auch grad der Höhle entstiegen (in anderer Fassung soll sie auch noch Flecken von den Toten gehabt haben, wie ich gerade gelesen habe …)
Jürgen
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Sally

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Sally »

Hi Jürgen,

du hast ein interessantes Göttinnenbild. :_grin_:
Dabei hat die Dame in der obigen Variante der Legende nicht selbst gespielt sondern nur zugehört.
Eine andere Quellenangabe habe ich nicht, sonst hätte ich sie selbstverständlich dazu geschrieben.

Grüße aus dem auftauenden Wuppertal
Eike
Momoka
ganz schön fleißig
Beiträge: 81
Registriert: Do 31. Mai 2012, 18:53
Meine Harfe(n): Hobbit (Klaus Regelsberger)

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Momoka »

Nun, bei vielen jap. Goettern ist es unklar, ob sie maennl., weibl. oder geschlechtslos sind. Ich weiss gerade nicht mehr genau, wie der Entstehungsmythos war. Wenn ich Zeit habe sehe ich mal nach. Harfe ist wahrscheinlich sehr frei uebersetzt.....Ein reiner Musikbogen war es jedenfalls eher nicht. Meines Wissens wurde tatsaechlich in alter Zeit auf Jagdboegen auch Toene erzeugt. Quellen dazu habe ich gerade nicht im Kopf, meine aber, als ich nach der Geschichte des Bogenschiessens recherchiert habe, auf solche Randbemerkungen und auch Bilder gestossen zu sein. Die Waffen wurden ja auch rituell eingesetzt. Ob man das nun als Harfe uebersetzen darf? Ein reales harfenartiges Folgeinstrument gibt es glaube ich jedenfalls nicht (Lasse mich aber gerne belehren). Vom Klang her am ehesten Koto, aber das ist von der Bauweise ja anders, eher wie eine Zither (?).

Die Geschichte mit der Hoehle kenne ich etwas anders.... und die kam doch erst einige Zeit nach dem eigentlichen Entstehungsmythos. Amaterasu ist doch erst viel spaeter in die Hoehle gegangen, aus Aerger oder Trauer.
Genaueres muesste ich aber doch nachsehen.

Gruesse, Kerstin
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6428
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Der Juergen »

Liebe Momoka,
das ist aber schön, dass du auch hier etwas dazu schreibst! :_cheesy_:
Es hat sich ein Großteil der Kommunikation der Harfenfreunde auf die Plattform Facebook verlagert, vor allem beim persönlichen oder (halb)öffentlichen Meinungs- und Erfahrungsaustausch hat Facebook zahlenmäßig klar die Nase vorn, aber um ein Thema zu "bündeln" ist ein Forum deutlich die geeignetere Plattform, denke ich.

Vielleicht sollten wir hier im Forum mal einen Themenbereich erbitten, in dem es um Harfe und mythische Zuweisungen geht.

Ich denke, dass eine sachliche Diskussion hierzu dringend nötig ist, denn je weiter die Harfe und auch verschiedene esoterische Strömungen Raum greifen umso undurchschaubarer wird das Chaos. Einige Menschen finden das nicht weiter schlimm – ein anderer Teil, zu dem ich mich zähle, hätte es gerne aufgeklärter.

Hierbei sollte man klar trennen, woher eine Behauptung/Aussage stammt (möglichst mit Quellennachweis, wie es Eike/"Sally" hier vorgemacht hat), damit ein anderer, der sich auf die Spur einer Behauptung begeben möchte um deren Geschichte zu erhellen, nicht im Trüben fischen muss.
Immer muss hier zwingend getrennt werden, ob es um den literarischen "Werdegang" – vor allem bei Übertragungen in andere Sprachen – allein geht, in dem es einem Dichter die künstlerische Freiheit gestattet, beispielsweise aus einer Kantele eine "Harfe" zu machen oder auch eine "Leier", wenn es der Versfuß verlangt – oder eben um die Behauptung einer historischen Tatsache.

Zu dem Thema Bogen:
Verschiedene Quellen vermuten, dass die Harfe aus dem Jagdbogen entstanden sein könnte, so schreibt es – als eine nicht bewiesene Vermutung – beispielsweise Richard J. Dumbrill (in "The Archaeomusicology of the Ancient Near East"), aber auch andere.
In vielen Kulturen gibt es den Musikbogen als Musikinstrument, beispielsweise als Mundbogen oder Kalebassenbogen, hier dient die Mundhöhle (wie bei der Maultrommel) oder eine Kalebasse als Resonanzraum.

Den Übergang (sollte er stattgefunden haben) von Jagdbogen zu Bogenharfe, dem anerkannt ersten Typ der Harfe (Mesopotamien mind. 3000 vor Chr.) kann man derzeit nicht nachweisen, üblicherweise gehen die Vermutungen dahin, dass zu der einen Saite weitere hinzugefügt wurden.

In der Geschichte von Sally bindet ja (ein) "Gott" mehrere Bögen zusammen, um eine "Harfe" zu erschaffen. Eigentlich eine gute Idee, wobei dann aber auch keine Harfe entsteht, sondern eine Bogenzither, wie sie unter anderem auf einer alten Briefmarke aus Ruanda abgebildet ist:

Bild

Liebe Grüße
Jürgen
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
Moira
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 388
Registriert: Fr 31. Okt 2008, 08:20
Postleitzahl: 14550
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Salvi Aida
34 Saiten
BJ 2004
Reiseharfe
von der Klangwerkstatt
BJ 10/2011
Wohnort: bei Berlin

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Moira »

Da gibt es noch eine Winkelharfe (der Bogenharfen nicht unähnlich nur kleiner), das ist ein sehr altes Instrument in Japan genannt Kogu. Leider gibt es dazu keine Bilder im Netz (Nur irgendsoeine Animeefigur, die anscheinend genauso heißt :_undecided_: ) Hab nur eine PDF gefunden, in der eine Koguhafe als Zeichnung gezeigt wird http://musiarch.de/app/download/5780651 ... cobsen.pdf

LG Moira
Benutzeravatar
Der Juergen
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 6428
Registriert: Mi 23. Feb 2005, 18:50
Postleitzahl: 36318
Land: Deutschland
Wohnort: Schwalmtal-Hergersdorf (Vogelsbergkreis)
Kontaktdaten:

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Der Juergen »

Liebe Moira,
da gehst du ja gleich ins Eingemachte :_shocked_:
Dass du nichts im Netz gefunden hast, liegt daran, dass die von dir gemeinte Winkelharfe allgemein "Kugo" heißt und nicht "Kogu".

Hier ist eine Harfenspielerin mit diesem Harfentyp.
http://dorveille.com/2011/10/08/artist- ... wara-kugo/

Dass es diesen Harfentyp (Winkelharfe, im besonderen Fall hier "Hebelharfe", diese auf Englisch übrigens auch "lever harp") in Asien, verbreitet über die Seidenstraße gab, ist allgemein anerkannt. Allerdings wird es in der neuen MGG nicht auf Japan ausgeweitet.
"Viele der im chinesischen Buddhismus verwendeten Gerätschaften wurden auch nach Japan eingeführt, offenbar aber keine Harfen. Es ist fraglich, ob Harfen dort je benutzt wurden, obwohl Stücke im Shōsōin erhalten sind und sie auf raigō-Malereien häufig dargestellt werden (➝ Buddhismus)."
(MGG, 2. Aufl., 4. Band, Sp. 61)
Das ist wieder so ein Fall, bei dem man sehr vorsichtig sein muss. Nur weil es jemand schreibt oder auf der Konzertbühne erzählt, muss es nicht wirklich so sein.

Erich Kleinmann, dessen Frau Atsuko auch die Kugo spielt, sagte aber, dass es sie auch in Japan gab.
Mit diesem Teil der Welt habe ich mich hinsichtlich der Harfe noch nicht intensiv beschäftigt, deswegen kann ich im Moment nicht viel mehr dazu beitragen.

Gut, dass du mich hier anstupst :_wink_:

Liebe Grüße
Jürgen
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenwinter.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
Benutzeravatar
Moira
nicht mehr wegzudenken
Beiträge: 388
Registriert: Fr 31. Okt 2008, 08:20
Postleitzahl: 14550
Land: Deutschland
Meine Harfe(n): Salvi Aida
34 Saiten
BJ 2004
Reiseharfe
von der Klangwerkstatt
BJ 10/2011
Wohnort: bei Berlin

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Moira »

Bei dem Buchstabendreher, ist auch kein Wunder, dass ich nichts finde :_grin_: , aber zum Glück bin ich anerkannte Legasthenikerin, ich darf das! :_wink_:

Um in der Sache weiter zu kommen, muß man sich anscheinend noch mehr in die ganze Shintogeschichte einarbeiten. In meinem Hinterkopf winkt irgendwas, das nicht nur im Schöpfungsmythos (in der Übersetzung ) von einer Harfe gesprochen wird.

Kann leider weder Japanisch noch die für die Shintosachen z.T. relevanten Dialekte, wäre jetzt wirklich von Vorteil, da wir in Deutschland leider nur um 10 Ecken übersetzte Texte lesen können zu diesem Thema. Wenn ein Text erst ins Englische und DANN ins Deutsche übersetzt wird, ist es kein Wunder, wenn entscheidende Fehler die Regel sind.

Liebe Grüße
Moira
Sally

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Sally »

Moin, moin,

ursprünglich hat mich diese Legende angesprochen, weil die Göttin zum Klang einer Harfe aus der Höhle kommt (zumindest in dieser Version). Das hätte wohl jeder von uns hier auch gemacht, oder? :_smile_:
Aber natürlich interessiert es mich auch, wie die Harfe überhaupt in diese Legende kam. Darum habe ich jetzt mal nachgefragt, aus welcher Quelle, die Version stammt, die in diesem Liederbuch ist.
Vielleicht hat da auch nur einer frei übersetzt und Harfe gefiel ihm.

Wünsche euch einen schönen Tag
Eike
Sally

Re: Schöpfungslegende aus Japan

Beitrag von Sally »

Die Geschichte ist ursprünglich aus dem Buch "Nada Brahma: Die Welt ist Klang" von Joachim E. Berendt.
Vielleicht hat das ja jemand von euch zu Hause stehen und kann nachschauen, woher der Autor die Geschichte hat.

Grüße aus Wuppertal
Eike
Gesperrt