Menschen mit Downn-Syndrom und Ihre Liebe zum Harfenspiel!

Du hast etwas schönes, ärgerliches, spannendes, trauriges mit deiner Harfe erlebt? Erzähl uns davon.
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Aoi
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Menschen mit Downn-Syndrom und Ihre Liebe zum Harfenspiel!

Beitrag von Aoi »

Abgetrennt worden von diesem Thread!

Anmerkung Admin: Die ersten drei Beiträge wurden nachträglich auf Wunsch der Autorin zum Thema hinzugefügt.

Liebe Lillyfee!

Ich habe bisher keine Erfahrung mit Menschen mit diesen Gendefekt gemacht.
Aber mit Behinderung Allgemein.. Taubstumme die Trommeln, geistige Nachzügler
die Ihre Liebe mit einem Instrumenten ausleben.

Meine Harfenlehrerin hat erst seit Kurzem eine recht Junge Schülerin mit Down-Syndrom.
Die Sprüht so etwas von Freude und Emotionen, man könnte meinen Ihr Herz Hüpft und
schlägt Purzelbäume im Harfenzimmer der Musikschule. Es ist so Toll das mit anzusehen.

Teilweise überspielen Musizierende Menschen mit Behinderung einen Missgriff viel Besser ,
als unsereiner. Ich finde das Toll das Du der kleinen Marie die Freude des Harfenspiels
beibringst. Es wird bestimmt auch für Dich eine Bereicherung sein .
Es ist ein so Tolles Gefühl des Glücks, wenn man Menschen mit Behinderung bei Seite
stehen kann, denn Ihre Dankbarkeit wird nicht nur mit Worten ausgedrückt.

Es ist komisch! Vor ein paar Tagen stieß ich auf Folgende zwei Youtube-Videos von Jakob,
der ebenfalls mit dem Down-Syndrom geboren ist. Wollte es zwar hier im Forum schon
Posten, wusste aber nicht wohin. Dein Thread hier bietet mir jetzt genau den Richtigen Platz. :_cheesy_:
Darum nun:

Hier erscheint normalerweise ein Video von YouTube. Bitte wende dich an einen Administrator.


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Lg :_wink_:
Astrid
Zuletzt geändert von Aoi am Fr 3. Apr 2015, 15:33, insgesamt 1-mal geändert.
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bramosia
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Re: Der kleine Frühlingsbote oder Ahdrokoposis- multiplex

Beitrag von bramosia »

Aoi hat geschrieben:Liebe Lillyfee!

Meine Harfenlehrerin hat erst seit Kurzem eine recht Junge Schülerin mit Down-Syndrom.
Die Sprüht so etwas von Freude und Emotionen, man könnte meinen Ihr Herz Hüpft und
schlägt Purzelbäume im Harfenzimmer der Musikschule. Es ist so Toll das mit anzusehen.


Hallo Ihr Lieben,

mit "andersartigen Menschen" zu musizieren ist etwas ganz Besonderes: man lernt nicht nur viel über Menschen mit Beeinträchtigung, sondern man lernt auch unglaublich viel über sich selbst. Eine meiner Schülerinnen - ich hatte sie 16 Jahre im Unterricht - mit Down Syndrom war auch etwas ganz Besonderes. Sie nahm mit Liebe Tonbänder - Musikkassetten - auf. In ihrem Zimmer standen da 200 Stück zu je 90 Minuten Spieldauer und ... man kann sich das wirklich kaum vorstellen ... sie wußte ganz genau welches Stück auf welcher Kassette an welcher Stelle auf Seite A oder B drauf war. Für unsereins einfach nicht vorstellbar !
Nehmen diese Menschen auch anfangs noch unglaublich viel Energie von Dir weg, so lernt man sehr schnell damit umzugehen und im Gegenteil, aus diesen Stunden Kraft und vor allem Mut, Freude und Glück zu tanken.
Leider hat diese Schülerin vor knapp 7 Jahren Alzheimer bekommen - sie ist jetzt 44 Jahre alt und muss rund um die Uhr betreut werden. Aber die Zeit mit ihr werde ich nie vergessen und vor allem die lustigen und schönen Momente bleiben in ausnehmend guter Erinnerung.
Seit vielen Jahren habe ich immer wieder Menschen mit irgendeiner Beeinträchtigung und sei es "nur" Legasthenie - jede Stunde ist eine neue Herausforderung, ist vollkommen individuell zur nächsten, bringt viel Lachen, Freude und Humor ans Tageslicht sobald auch nur Kleinigkeiten zu funktionieren beginnen. Ich möchte diese Stunden nicht missen.

Liebe Lillyfee:
ich wünsche Dir mit Deiner "kleinen" Schülerin sehr viele dieser unglaublich tollen Momente und vor allem eine lange und schöne Zeit miteinander ! Du wirst daran enorm wachsen ! :_cheesy_:

Bramosia
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Aoi
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Re: Der kleine Frühlingsbote oder Ahdrokoposis- multiplex

Beitrag von Aoi »

bramosia hat geschrieben:
Aoi hat geschrieben:Seit vielen Jahren habe ich immer wieder Menschen mit irgendeiner Beeinträchtigung und sei es "nur" Legasthenie - jede Stunde ist eine neue Herausforderung, ist vollkommen individuell zur nächsten, bringt viel Lachen, Freude und Humor ans Tageslicht sobald auch nur Kleinigkeiten zu funktionieren beginnen. Ich möchte diese Stunden nicht missen.
Liebe bramosia!

Mich würde Deine Erfahrung mit Legastheniker und Harfe sehr Interessieren!
Wie hast Du deren Handykap empfunden und wahrgenommen?

Gerne auch per Pn um Lillyfee's Thread nicht Sinnlos zuzuspammen. :_wink_:

Lg
Astrid
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Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von bramosia »

Ich komme der Aufforderung sehr gerne nach, ein eigenes Thema zu eröffnen, ist es doch immer wieder ein sehr "heißes" Thema.

Seit nunmehr 30 Jahren bin ich im Unterricht tätig und da laufen einem schon so verschiedenste Menschen durch die Finger. Immer wieder sind auch Menschen mit körperlichen oder auch geistigen Beeinträchtigungen darunter: Down-Syndrom (das wohl häufigste), Legasthenie, Demenz, nur eine Hand zur Verfügung, verspätete geistige Reife usw.

Der Unterricht ist enorm anstrengend, vor allem am Anfang, wenn man das erste Mal damit in Berührung kommt. Bei mir war das Angelika, eine damals 20jährige mit Down Syndrom. Am Freitag Nachmittag hatte ich diese eine Stunde und wenn mein Mann später nach Hause kam sah er mich nur an und meinte: aha, war heute wieder Angelika da. Eher eine Feststellung denn eine Frage. Nach dem Unterricht war ich müde, ausgelaugt, irgendwie ohne Kraft und ich lernte erst in den kommenden Monaten, wie ich damit umzugehen hatte. Die Mutter Angelikas war mir da eine sehr große Hilfe: KEIN MITLEID ! Angelika würde es als Beleidigung verstehen. Aber eine gewisse Strenge und auch mal wirklich rigoros zu etwas NEIN sagen würde mir sehr weiter helfen - und das tat es auch. Diese eine Schülerin hat mir gezeigt viele meiner eigenen Blickwinkel neu zu überdenken, viele Facetten neu zu begreifen und dass diese Menschen für uns, die mit ihnen arbeiten nicht nur eine Herausforderung sind, sondern vor allem ein großartiger Lernprozess mit vielen wunderschönen Augenblicken, Erfolgs- und Glücksmomenten.

Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen sehen die Welt anders, oftmals viel viel bunter. Und sie haben durchaus ein unglaubliches Merkpotential, wenn es sich um ein Thema handelt für das sie Interesse zeigen. Angelika z.B. liebte es Musikkassetten aufzunehmen (je 90 Minuten). Davon hatte sie 200 Stück in ihrem Zimmer stehen und sie war das lebende Inhaltsverzeichnis dieser vielen Kassetten: welches Stück auf welcher Kassette auf welcher Seite an welcher Stelle zu hören war ... Angelika wußte das. Leider ist sie dann zu ihrer Schwester nach Bayern gezogen, da ihre Eltern schon hochbetagt waren und sie nicht mehr für Angelika sorgen konnten. Und nach dem vor einigen Jahren letzten Gespräch mit ihrer Mutter litt Angelika an Demenz, was bei Menschen Down-Syndrom im fortschreitenden Alter leider üblich ist.

Legasthenie ist auch ein Thema. Oft fällt es auf, dass diese Menschen das Instrument automatisch auf die linke Schulter legen, auf einmal Töne der rechten Hand in die linke oder gar die linke nach oben wandert und rechts unten bleibt. Obwohl sie bewusst darauf achten genau das nicht zu tun. Töne werden gerne verwechselt, Rhythmen mittendrunter abgeändert.
Ich mache meistens einfache Übungen aus Sequenzen, die sie zu lernen haben - genau abgestimmt auf die jeweilige Auswirkung der Legasthenie bei den Einzelnen. Wir wiederholen zwei bis drei Takte langsam 10 x, dadurch wird das bewusste Denken langsam und kontinuierlich in den Hintergrund gedrängt; es kommt zu einem automatisierten Ablaufprozess, der sich fest "im Kopf" der Finger verankert. Und der Erfolg: was einmal so eingelernt wurde, wird kaum noch verlernt. Im Prinzip gleich beim Einstudieren eines Konzertstückes auf der großen Harfe, oder :_wink_:
Auch bei den Demenzerkrankten Menschen bin ich bis jetzt mit dieser Art meiner Arbeit sehr gut vorangekommen. Und Ihr habt ja keine Ahnung, wie sich diese Musiker fühlen, wenn sie ein eigenes Stück komponieren. Ich sitze da mit dem leeren Notenblatt (mein Aufnahmegerät ist leider etwas groß und unpraktisch) und notiere die Ideen mit. Danach erarbeiten wir gemeinsam eine fertige Melodie, unterlegen sie mit Akkorden usw. Dabei müssen sie sehr intensiv geistig mitarbeiten, macht ihnen Spaß und bringt sehr viel anhaltende Freude mit sich.

Lange Rede kurzer Sinn: mir kamen noch einige Angelikas, Andreas und Lukas unter meine Fittiche und ich möchte keinen davon auch nur einen Moment vermissen. Im Gegenteil: wir können so unglaublich viel von diesen Menschen lernen, wenn man offen und ehrlich damit umgeht. :_smile_:

Ich würde mich über Beiträge mit Erfahrungen sehr freuen. Helfe auch gerne mit Tipps oder gebe Ratschläge, wenn jemand etwas wissen möchte oder irgendetwas ein Problem darstellt.

Petra
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Harfenjule
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Re: Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von Harfenjule »

Vorneweg: ich möchte jetzt nicht den Buhmann hier spielen, sondern Denkanstöße bieten. Es liegt mir viel daran, beim Thema Menschen mit Behinderung für Offenheit und Toleranz zu werben. Dazu gehört eine gewisse Sensibilität auch im sprachlichen Ausdruck. Ich bin sehr für eine vernünftige Form der Inklusion, bei der die "Besonderheiten" jedes Menschen (!) ihre Berechtigung haben dürfen.
Ob ein Mensch nun eine "anerkannte" Behinderung hat oder sonstwie "anders" ist, spielt da keine Rolle: wir sind alle individuell. Nur weil man keine Behinderung hat, ist man noch lange nicht "ohne Beeinträchtigung". Auch wenn Beeinträchtigungen - anders als bei Legasthenie oder Dyskalkulie - nicht benannt werden können, muss man nicht automatisch zu allem in der Lage sein.

Ich glaube nicht, dass du es böse oder diskriminierend meinst, bramosia, aber... die Formulierung "diese Menschen" geht gar nicht! Das ist so eine explizite verbale Ausgrenzung, die von einer Normierung der Menschen ausgeht und "diese Menschen" sind anders, entsprechen der Norm nicht. Vielleicht bin ich hypersensibilisiert durch die Auseinandersetzung mit dem Thema im Studium und darüber hinaus Freunde und Bekannte mit Behinderungen habe, aber ich empfinde einen solchen Ausdruck als Diskriminierung von Andersartigkeit.
Jonny Robels
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Re: Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von Jonny Robels »

Hallo Jule, ich seh das ganz anders. Da geht dein innerer Zensor mit dir durch."Diese Menschen" verstehe ich schlicht als "die da", so wie ich im Laden "dieses Brötchen" haben will, und nicht das daneben. Der ganze Kontext schliesst(für mich) eine Diskriminierung aus. Ich denke, wie Du schon schreibst, daß Du da hypersensibilisiert bist. :_kiss_:
(Bitte beachten von wem's kommt): It's all in your head... :_wink_:

Ein Freund von mir(Contergan) sagte mal so schön: Ich bin nicht behindert. Ich mache nur einige Sachen anders als ihr, ich kenne es nicht anders! Wenn Du deinen Arm verlierst, dann bist Du behindert!
Hatte ich nie so gesehen, fand ich extrem spannend...

Liebe Grüße&Respekt :_smile_:
Jonny
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Harfenjule
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Re: Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von Harfenjule »

Huhu Jonny,

das sieht vermutlich auch jeder individuell anders :_wink_:
Es gibt Menschen mit Behinderung, die nicht als "diese Menschen" bezeichnet oder gesehen werden wollen (ich kenne mindestens einen).

Der Freund von dir hat meiner Meinung nach gar nicht so unrecht.
Ein Prof, bei dem wir uns mit "Gesellschaft und Behinderung" auseinandergesetzt haben, sagte "jeder Mensch ist potentiell behindert", das hat sich bei mir ziemlich im Gedächtnis eingebrannt, weil es so viel aussagt.
Und ich meine "man ist nicht behindert, man wird behindert"... :_wink_: (versucht mal, an einem Freitagabend um 22 Uhr in der Kölner Innenstadt etwas trinken zu gehen, wenn ihr in einem Rollstuhl unterwegs seid... wäre die Gesellschaft etwas mehr auf Barrierefreiheit ausgelegt, müsste man nicht eine Stunde lang suchen, um dann schließlich am Bahnhof bei Starbucks zu landen.)


Liebe Grüße

Julia
Jonny Robels
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Re: Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von Jonny Robels »

Versuche mal während des Harfespielens an dein Bierglas zu kommen... :_grin_: auch irgendwie 'ne Behinderung... :_wink_:
Und sorry, einen gibt's immer. Und ich habe immer mehr den Eindruck, die Form wird wichtiger als der Inhalt, d.h. vor lauter Bemühen, alles pc auszudrücken, entgleitet die Fokusierung auf den Inhalt, die Aussage.
Und dieses wird mittlerweile als "taktische Nebelkerze" zur Kommunikationsunterbindung eingesetzt, siehe Medien :_angry_:
Ich persönlich glaube, zur Diskriminierung gehört ein Wille zur Abwertung. Die bloße Feststellung, daß jemand "anders" ist, macht das noch nicht aus.
Das Wahrnehmen und Hinterfragen der eigenen Aussageformen ist grundsätzlich Sinnvoll.
Leider hat sich im Lauf der Zeit dabei, wie ich meine, eine gewisse pc-Hysterie entwickelt, welche selbst oft zur "moralischen" Aufwertung auf Kosten anderer instrumentalisiert wird, siehe sog. Gutmenschen.
Ein anderer(!) :_wink_: Freund von mir hat mal was gesagt: Ich bin Rassist. Ich glaube daß die Menschen Herkunftsbedingt unterschiedlich sind.
Was ich NICHT glaube ist, das sie deshalb von unterschiedlichem Wert sind. Da gibt's nur zwei Sorten:
Die, die gut drauf sind, und die Arschlöcher! Ich finde, dem kann man nicht viel hinzufügen... :_cheesy_:

Liebe Grüße
Jonny
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Der Juergen
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Re: Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von Der Juergen »

EDIT: Danke an Jonny, du hast einiges vorweggenommen, ehe ich fertig war :_grin_:

Es reizt mich doch, hier auch meinen Senf dazuzugeben.

Ich kann das mit der subjektiv empfundenen Ausgrenzung »diese Menschen« durchaus verstehen.
Jetzt kommt das dicke Aber …

Ich selbst bin behindert, da beißt die Maus keinen Faden ab, eine (zum Glück im Moment kaum merklich) fortschreitende Muskelerkrankung lässt mich kaum mehr Dinge erleben, die mir früher sehr viel Freude bereitet haben: In der Bretagne mal eben 30, 35 km wandern gehen oder auch schwerere Gegenstände von A nach B transportieren zu können. Jetzt bin ich froh, wenn ich 350 m ohne Gepäck hinter mich bringe.
Und in meinem »früheren Leben« (bis 30) war ich schwer alkoholabhängig und bin froh, dass ich es überlebt habe.

Wie gehe ich selbst damit um?
Aus den beiden kurzen Einlassungen hier kann man das schon entnehmen. Ja, ich war (die Anonymen Alkoholiker würden sagen »ich bin«) Alkoholiker und ich bin körperbehindert, außerdem deutlich adipös und was weiß ich noch.
Wenn mir einer sagt, »du warst Säufer«, dann kann ich gar nicht anders, als zu denken: »Endlich, endlich spricht es mal einer ungeschönt aus«.
Die Tatsache, den Zustand kann man gar nicht drastisch genug ausdrücken.
Oder »dick« oder wegen mir »fett« und nicht »untersetzt« etc.
Mich nervt es geradezu, wenn (mich) einer mit Euphemismen umschmeichelt, nur um verbal nicht das auszudrücken, was es ist.
Ich verstehe (rational) aber auch, dass es nicht jedem leichtfällt.

1981 gab es in Dortmund ein Krüppeltribunal!
Ja, genau so haben es die Behinderten die dort die Zustände in der Bundesrepublik angeklagt haben, genannt.
Selbst!
Sie selbst wollten sich erklärtermaßen als Krüppel bezeichnen, nicht aber von anderen so bezeichnet werden, so sagte mir zumindest eine Teilnehmende später, als ich nach der Namensgebung fragte.
Ich war damals als Videodokumentarist dabei, weil mich einige Behinderte kannten und mich drum baten, das mitzudrehen, als einer der recht Wenigen, der in der »alternativen Szene« über das Equipment und Know-how verfügten.

Die Zeiten sind andere, freilich, aber was mich an Menschen interessiert, ist die Energie, die sie in sich tragen (bloß nicht esoterisch verstehen).

Wir sind gesellschaftlich viel, viel weiter, als vor 50, 40, 30, 20 Jahren. Heute kann ich mit Freunden (selbst dann, wenn es »nur« Facebook-Freunde sind) relativ schnell und offen über eigene Suchterkrankungen, Depressionen, körperliche Behinderungen und Weiteres reden oder »chatten«. Meine Herren, was hätte das vor zwei Jahrzehnten noch einen Bohei ausgelöst.

Manche Dinge, wie die mich sehr nervende oberflächliche »political correctness« verhindern in meinen Augen geradezu, dass man sich dem Wesentlichen, dem Wesen des Einzelnen, dem Menschen annähert, indem (in meinen Augen) vor allem nicht Betroffene darüber diskutieren, ob nun Neger (vor allem im Kinderlied), Schwarzer, Schwarzafrikaner, Farbiger, Angehöriger einer dunkelhäutigen Ethnie oder was auch immer (Frage: »Wie heißt es denn im Moment korrekt?«) tolerabel ist oder nicht … das nur als Beispiel für all die anderen Dinge.

Als ein Berliner Bürgermeister (Wowereit) öffentlich aussprach »Ich bin schwul, und das ist gut so!«, war das noch ein kleiner Aufreger, zig Jahre zuvor hatte Rosa von Praunheim den Film »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt.« gedreht, unter miserablen Bedingungen, es war strafbar, homosexuell zu leben.
Heute ist es weitgehend wurscht, ob man homosexuell, schwul ist – und, was ebenso wichtig ist, ob es so benannt wird.

Ich wünschte mir eine Welt, in der nicht das Wort zerpflückt wird, sondern man einen Millimeter dahinter schaut … auf den Menschen.
Und in der die Menschen selbstbewusst genug sind, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, wenn sie selbst gemeint sind.

Liebe Grüße
Jürgen


PS: Auf Petra/»bramosia« freue ich mich sehr, wir werden uns in ein paar Tagen kennenlernen.
#HarpistsForFuturewww.harfenzeit.dewww.harfenbaukurs.de • harfenwinter.de • harfensommer.de • harfenmai.de
Das Ziel ist das Ziel.
Jürgen Steiner
bramosia
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Re: Harfe und Menschen mit Beeinträchtigungen

Beitrag von bramosia »

Wow, da gehen die Wogen aber hoch und das nur aus einem Ausdruck heraus ...

Harfenjule, auch ich habe eine Nichte mir einer Beeinträchtigung UND ich sage und schreibe ganz bewusst immer BEEINTRÄCHTIGUNG !!! und nenne es nicht BEHINDERUNG. Denn eine Behinderung ist es für DIESE MENSCHEN nicht, weil sie eben Dinge anders machen. Ein Mensch ohne eine Beeinträchtigung zählt nicht zu diesen Menschen und perfekt sind wir alle nicht !!! Das ist mir sehr wohl klar. Ich verwehre mich aber vor dem Ausdruck BEHINDERTE oder ähnliches. Ich denke, da ist der Ausdruck "diese Menschen" der wesentlich freundlichere und so wars auch gemeint.
Wir NORMALOS sollten uns das durchaus bewusst machen, wie toll Probleme anderweitig gelöst werden, wenn eine Beeinträchtigung in welcher Form auch vorliegt - was macht es da schon aus eine Hand weniger seit Geburt an zu haben oder fortschreitende MS (ein Nachbar von mir und er war immer fröhlich und bis zu letzt sehr guter Dinge !) oder ein Feuermal auf einer Gesichtshälfte (ist zwar keine Beeinträchtigung im körperlichen oder geistigen Sinne, aber es ist nicht einfach sich dem GAFFEN der anderen Menschen - ob beeinträchtigt oder nicht - zu stellen). Eigentlich zähle ich auch zu den Beeinträchtigten, da ich nach einer Daumen OP nicht mehr so Harfe oder Gitarre spielen kann, wie ich es einmal konnte. Die linke Hand ermüdet sehr rasch und Läufe werden da mal schnell unregelmäßig - trotz viel üben und abgesehen von immer wiederkehrenden Schmerzen. Ist halt nicht offensichtlich und ich jammere nie darüber - ist mein Schicksal je älter ich werde, desto mehr werde ich mit meinen Gelenken Probleme bekommen - ähnlich wie bei Jürgen mit den Muskeln. Also weiß ich auch, was es heißt beeinträchtigt zu sein - vor allem, wenn man es nicht von Geburt an war und das Leben davor schon anders und unbeschwerter gekannt hat.

Wir alle können uns unglaublich viel voneinander abschauen oder man könnte auch sagen: diese anderen Menschen - nämlich wir ohne Beeinträchtigung - können sich unglaublich viel abschauen und lernen, das genau die Beeinträchtigten oft in Kleinigkeiten viel Freude und Glück finden. Da empfinde ich eine "Wortklauberei" direkt als Beleidigung. Wie Jürgen so schön schrieb: man sollte lernen auch zwischen den Zeilen zu lesen, das Gesamtbild des Geschriebenen betrachten und das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren.

Schade finde ich, dass das eigentliche Thema mit der Wortzerpflückerei in den Hintergrund gedrängt wird: nämlich der Erfahrungsaustausch im Umfang mit Menschen mit Beeinträchtigung - egal ob körperlich oder geistig.

Petra

at Jürgen: ich freu mich auch schon. Du vermittelst sehr viel positive Energie und ich glaube schon, dass manche mit mir übereinstimmen wenn ich sage: der Forumspapa, der Wogen glättet, mit seiner sehr überlegten und offenen Art viele Dinge in einem anderen Licht erscheinen lässt. :_wink_:
Zuletzt geändert von bramosia am Mi 1. Apr 2015, 18:30, insgesamt 1-mal geändert.
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