Auftritt beim Empfang

Du hast etwas schönes, ärgerliches, spannendes, trauriges mit deiner Harfe erlebt? Erzähl uns davon.
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Martina
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Meine Harfe(n): Ich spiele eine böhmische Klangwerkstatt-Harfe, Baujahr 2006. Ich mag das geringe Gewicht, die niedrige Saitenspannung und den silbrigen Klang.
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Auftritt beim Empfang

Beitrag von Martina »

Vorgestern sollte-durfte ich einen Neujahrsempfang musikalisch umrahmen.
Zunächst wollte ich schon fast wieder rot sehen, als mir der frisch organisierte Stuhl gleich wieder gemopst wurde, als der Fotograf neben der fertig gestimmte Harfe die Terrassentür sperrangelweit aufriss, als eine Person, der die Harfe im Weg stand, sich diese schnappte und vor den glühenden Heizkörper parkte :_shocked_:
Aber dann habe ich mich selbst zur Ruhe gemahnt, denn es wird wohl nie ein Auftritt "perfekt" laufen, sondern immer was zum Jammern geben. ;-)

Aber was ganz anderes:
Ich hatte extra Stücke ausgesucht, die ich gut kann und schon lange spiele. Aber mitten in meinem Lieblingsstück war der Faden weg. Nicht, dass ich mich verspielt hätte, sondern ich wusste einfach überhaupt nicht mehr, wo ich bin und was jetzt kommen müsste.
Ich habe dann beim nächsten Absatz weitergemacht, das Publikum hat es bestimmt nicht gemerkt. Aber dass man sich nicht mal bei einem Stück, dass man schon ganz lange und sehr gern spielt, auf sein Gedächtnis verlassen kann?! :_huh_:

Und überhaupt bin ich beim Auftreten sehr unkonzentriert. Wenn ich zu Hause übe, bin ich mit den Gedanken bei der Musik. Aber wenn ich auftrete, ist es, als wäre das Bewusstsein auf Urlaub und schwirrt sonstwo herum, nur nicht bei der Harfe. :_huh_: (Da ist es fast schon kein Wunder mehr, wenn plötzlich der Faden weg ist.)
Fachübersetzerin für Musikinstrumente und Tontechnik http://www.martina-reime.de
Oliver

Beitrag von Oliver »

Hallo Martina,

ich mag zwar nicht zu den erfahrenen Bühnenmusikern gehören, doch fällt mir etwas zu dem Thema ein.
Was ist anders, wenn Du auf der Bühne vor Publikum spielst als zuhause? Die Menschen! Sie lenken einen leicht von der eigentlichen Musik ab. So geht es mir jedenfalls. Mir kommt es dann vor wie ein riesiger Ameisenhaufen. Alles wuselt durcheinander und ich mittendrin. Wie soll man da noch Musik machen? Mir hilft es, mich vom Gefühl her vollkommen rauszunehmen, mich abzugrenzen. Irgendwann ist es dann so wie zuhause: es gibt nur noch die Harfe und mich. Dann könnten die Wände rings herum zusammenbrechen, ich würde es vermutlich nichteinmal merken. Sobald ein Stück zuende ist, verschwindet diese Grenze wieder und ich sehe wieder dieses wuselnde Publikum (es wusetl für mich auch irgendwie, selbst wenn es still steht) und es klatscht (naja vielleciht!). Dann schnell das nächste Stück, um nicht so lange das Wuseln ertragen zu müssen!

Viele Grüße
Oliver
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Nicole
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Beitrag von Nicole »

Liebe Martina,

da geht es nicht nur Dir so!!!

Du brauchst nur unter dem Thema "Lampenfieber" nachlesen, dann siehst Du, Du bist nicht alleine :-)

Was hilft:

1. Stelle die Harfe immer wieder um, damit ein Platzwechsel kein Stress verursacht. Ich habe sogar einmal am Klo geübt,da man bei Auftritten auch häufig unter Platzmangel für sich und die Harfe leidet. Ausserdem zählen die Fugen zwischen den Fliesen zu Punkt 2.

2. Übe so, dass Du während des Spielens durch die Saiten auf einen Fernseher (aufgedreht) oder anderen störenden Hintergrund (z.B. Vorhänge, Bücherregal, Spiegel etc.) siehst.

3. Augen verbinden beim Spielen - ist zwar am Anfang fast unmöglich, bringt aber mit etwas Übung viel Sicherheit. Einmal hat man mir mitten während des Spielens das Licht abgedreht, weil es "romantischer" war.... flackernde Kerzen haben es mir die Trefferquote auch nicht unbedingt vereinfacht...

Trotz allen Widrigkeiten sind die meisten Leute von der Harfe fasziniert und solange man mit Freude spielt, wird einem der eine oder andere Patzer -so ferne jemand es überhaupt mitbekommt - verziehen :-)

Liebe Grüsse und viel Spass beim Spielen

Nicole
Julia

Beitrag von Julia »

Hallo Martina (und natürlich alle anderen),

es gibt von Sylvia Woods einen sehr netten Artikel zum Thema Publikum:
http://www.harpcenter.com/art_Play4Dolls.php

Ich hatte das Glück, dass ich schon nach einer Woche Harfespielen aufgetreten bin (da hatte ich gerade mal eine Ahnung, wo welche Seiten sind) und mich seitdem immer wieder auf Mittelaltermärkte oder Cons (Liverollenspiel-Veranstaltungen) setze, um zu spielen. Das ist eine sehr gute Übung, denn da wuseln die Leute auch noch um einen herum, reden, lachen, gröhlen oder kämpfen sogar! :_shocked_:

@Nicole: Das mit den flackernden Kerzen kenn ich auch (nachts auf dem Mittelaltermarkt), aber ich glaube, ich werde Deinen Tipp mit den Augen verbinden mal machen. Ich versuche zwar blind zu spielen, spinkse dann aber trotzdem. :_rolleyes_:

Liebe Grüße,
Julia
Oliver

Beitrag von Oliver »

Hallo!

Ich spiele oft und gerne bei Kerzenlicht auch bei mir zuhause, nicht nur weil Strom bei mir stets Mangelware ist, sondern auch weil ich es einfach total gerne mag. Allerdings ist das Spielen am Lagerfeuer als einzige Lichtquelle nochmal ein ganzes Stück anders.

Selbst wenn man nicht auf die Saiten schaut, hat man sie dennoch im Augenwinkel und schummelt! Mit geschlossenen Augen ist nochmal eine andere Kategorie :_grin_: Schaffe ich nur bei Stücken, die ich schon sehr lange spiele.

Die Seite von Sylvia Woods ist echt nett!

Hallo Julia,

auf welchen Märkten bist Du denn so unterwegs?

Viele Grüße
Oliver
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Martina
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Beitrag von Martina »

Ich weiß nicht so richtig, ob es die Leute sind, die mich ablenken. Manchmal fühle ich mich, als wenn ich gaaaanz weit in mich gehe - bis ich nicht mehr da bin :_rolleyes_: bzw. als wenn mein Körper noch da sitzt, aber der Geist ist irgendwo anders als auf der Veranstaltung. Und wenn der Geist dann wiederkommt, weiß er nicht mehr, wo die Finger sind :_rolleyes_:

Hmm, gute Frage: war bei diesem Auftritt anders als zu Hause?
Ich würde sagen, die Atmosphäre ist lustloser: man muss diszipliniert sein (sich ans Programm halten, darf jedes Stück nur einmal spielen [und nicht nur immer das Lieblingsstück rauf und runter :_wink_: ]), kann nicht einfach aufstehen, wenn die Hände kalt sind, der Po weh tut, die Blase sich meldet.
Und außerdem weiß man nicht, wer einen alles beobachtet, ob überhaupt jemand zuhört, ob mich jemand anstarrt und vielleicht schon die Laufmasche auf Kniehöhe bemerkt hat :_undecided_:

Zugegeben, vom "Gewusel" des Publikums (sehr treffend beschrieben!) lasse ich mich im Moment des Spielens nicht ablenken, aber von Dingen, die kurz vorher passiert sind oder eventuell noch passieren könnten. Wenn ich darüber nachgrübele, wieso der Blöde die Harfe vor die Heizung gestellt hat und wie ich mich nachher an ihm rächen könnte :_wink_: - dann ist meine Konzentration sofort im Eimer.
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Julia

Beitrag von Julia »

Aber auf der anderen Seite ist es doch toll, wenn Dir Leute zuhören und Dir applaudieren oder die Musik genießen! Ich finde es immer schön, vor Leuten, bzw. zwischen den Leuten zu spielen, weil ich endlich mal Reaktionen bekomme - und wenn es richtig gut läuft, sogar den ein oder anderen "verzaubern" kann. Ist mir bis jetzt "nur" bei kleinen blonden Mädchen gelungen, die scheinen da sehr empfänglich zu sein. :_grin_:

@Oliver
Ich werde dieses Jahr auf jeden Fall in Freienfels sein (ich sag nur Siegburger Lager/Zarorien) und bei unserem Markt in Neukirchen/Seelscheid. Ansonsten hab ich noch nicht geschaut, was es an Terminen so gibt. Hast Du schon was geplant?
Zuletzt geändert von Julia am Di 23. Jan 2007, 16:19, insgesamt 1-mal geändert.
Eleonore

Beitrag von Eleonore »

Hallo Martina,

so wie ich das lese, handelte es sich bei dir nicht um Lampenfieber im gewöhnlichen Sinne, sondern um echte Konzentrationsprobleme.

Die kenne ich noch aus gaaanz früheren Zeiten, als ich noch ein anderes Instrument spielte und damit sehr oft bei Wettbewerben mitmachen mußte. Ich konnte die Stücke in- und auswendig, war kein bisschen nervös und wußte dennoch:
wenn ich Pech habe, gehe ich da jetzt raus und spiele die eingetrichterten Noten runter (incl. aller mitgeübten Dynamik, Ausdruck etc...) ohne nur im geringsten "hier & jetzt" zu sein, bzw. jetzt lebendige jetzt gelebte Musik zu machen.

Das Problem, dass meine Gedanken abschweiften hatte ich damals ziemlich oft. Vergleichbar mit dem Vorhaben an "nichts" zu denken - was einem da alles in den Sinn kommt...

Lösung dafür fand ich damals keine. Manchmal ließ mich meine Konzentration im Stich, manchmal nicht. Eigenartig daran war nur, dass dies weder meine Lehrerinnen noch meine Mutter noch sonst irgendjemand mitbekam...

wenn du eine Erklärung bzw. eine Lösung zu diesem Phänomen hast, laß es mich wissen!

lg
eleonore

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Reidun
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Beitrag von Reidun »

übrigens lege ich meine Harfe nun immer hin, wenn ich von der Bühne gehe. Wie oft hat ein freundlicher Kabel- und Klangmensch beim Aufräumen den Stuhl, der die Harfe am Umkippen hindert, als allererstes weggezogen :_undecided_:
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Katja

Beitrag von Katja »

Hallo,

ich habe auch festgestellt, dass es von Instrument zu Instrument total unterschiedlich ist, wie man sich bei Auftritten fühlt.
mit dem Cello habe ich 20 Jahre lang keine grosse Freude an Auftritten gehabt. Mit Gesang /Drehleier war es von Anfang an kein Problem.
Vielleicht musst du dir mal überlegen, welche Erwartungen DU an dich hast, wenn du mit der Harfe auftrittst?

Viel Erfolg weiterhin und nicht aufgeben :-) !
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