Harfe aus dem 3D-Drucker?

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bastian
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von bastian »

So, jetzt hab ich mich genug amüsiert.

Ich will ja hier niemanden desillusionieren, aber aus Ingenieurssicht (die ich leider nie ganz ablegen kann) ist das Projekt... sagen wir wenig sinnvoll. Jedenfalls zum gegenwärtigen Moment.

Ich bin jetzt so frei und nehme mir mal ein paar Gedanken, die ihr in diesem Thread schon geäußert habt und schreibe meine dazu.

1.) Klang
Warum sollte man sowas tun? Hört euch mal die PVC-Harfe von John Kovac an, wenn da nicht massiv mit künstlichem Hall geholfen wird:
Hier erscheint normalerweise ein Video von YouTube. Bitte wende dich an einen Administrator.

Ich glaube nicht, dass eine aus Plastik gedruckte Harfe deutlich besser klingen wird.

2.) Stabilität und Gewicht
Jaha, die Flitzebögen. Über die Verwandschaft zwischen Harfe und Flitzebogen gibt es hier im Forum ja schon einiges zu lesen. Ich lass jetzt mal den zweiten Bogen weg, der ist nur Deko und muss deshalb keine hohen Kräfte aushalten. Aber ich komm später noch mal zu dem zurück. Der erste Bogen ist halbwegs spannend. Leider nicht im doppelten Sinn. Sieht nämlich nicht so aus, als ob der mit allzu hoher Spannung auf der Sehne betrieben wird, die Pfeile werden alle über recht kurze Distanzen verschossen. Und das, obwohl die am höchsten belasteten Teile gar nicht gedruckt sind, sondern aus GFK bestehen. Klar, das kann man Biegen. Das ist wie dafür gemacht. Gedruckt ist nur das Mittelstück und die beiden Enden des Bogens. Und dann guckt mal, wie dick das gedruckt worden ist im Vergleich zu den recht filigranen Konstruktionen anderer Bögen an der Stelle. Und man sieht in dem Video deutlich, wie schwer der Bogen dadurch geworden ist. Kurzum: Die hoch belasteten Teile sind nicht gedruckt, trotzdem ist der Bogen schwer und wenig leistungsfähig. Übertragen wir das mal auf die Harfe... Das hieße wenig Saiten und sehr geringe Spannung. Etwas, was John Kovacs Harfe übrigens auch hat: 22 Saiten und geringe Spannung. Und unsere Harfe hätte trotzdem ein vergleichsweise hohes Gewicht.

3.) Zeit
Jetzt komm ich mal zu dem zweiten Bogen zurück. Dem Dekodings.... Da steht auf der Webseite, 2000 Minuten Druckzeit. Das finde ich durchaus realistisch. 3D-Druck ist langsam. Sehr langsam. Jetzt nehme ich mal an, an einer vergleichsweise kleinen Harfe druckt man etwa 5000 Minuten, das ist sehr vorsichtig von dem Bogen hochgerechnet. Vermutlich viel zu vorsichtig. Ok, lassen wir den Drucker mal 5000 Minuten drucken. Das sind 83 Stunden, also zehn Arbeitstage. In zehn Arbeitstagen hab ich das Ding stabiler, leichter, besser klingend aus Sperrholz gebaut.

4.) Kosten
Das hier verlinkte Münsteraner FabLab berechnet 14ct/min für den 3D-Drucker. Also etwa 700€ für 5000 min. Nur der Drucker. Plus Mitgliedsbeitrag. Plus Material, von dem man vergleichsweise viel braucht (s. Punkt 2). 1kg Filament kostet ca. 25-30€, je nach Kunststoff. Ich schätze unsere kleine Harfe mal auf 4 kg, auch sehr vorsichtig gerechnet. Das wäre der nächste Hunderter für das Filament. Plus Saiten (ich hoffe, die will keiner ernsthaft Drucken), Wirbel etc.
Kommt man auf knapp 1000€ für eine kleine, unterspannte, nicht klingende Harfe. Vielleicht mehr, ich habe bei allen Annahmen immer den günstigsten Fall geschätzt. Da hab ich das Ding aus Sperrholz auch noch billiger gebaut.

Ich will den 3D-Druck nicht klein reden. der hat durchaus seine Berechtigung. Im Prototypenbau gibt es im Moment nix besseres. Da ist 3D-Druck sogar viel billiger als die Methoden früher. Oder für Kleinserien von Kleinteilen, für die es sich nicht lohnt, eine Spritzgussform herzustellen. Super! Aber hier...

Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht mal für die Idee erwärmen, bestimmte (Verbindungs-)Teile zu drucken und den Rest vorgefertigt aus anderen Materialien zu nehmen. Wenn ich eh zu Sperrholz greife, kann ich die Verbindungsteile auch gerade aus Holz bauen. Dann kann ich die mit Leim sogar schön verkleben. Oder ich greife zu PVC-Rohr und es klingt immer noch sch....

Naja, macht, was ihr wollt. Hier in Mainz war gerade Fasching, die Popkorn-Vorräte gehen so bald nicht zur Neige. :_wink_:

Viele Grüße,
Sebastian
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von mygga »

Du mit Ingenieurshintergrund müsstest doch als erster auf die Antwort auf die Frage nach dem Warum kommen:

Weil ich es kann!

Aber im Ernst, deine Infos sind spannend.

Nur mal rein hypothetisch: wie achätzt du die Verbindung von Kunststoffkorpus und Holzklangdecke ein? Kann das überhaupt funktionieren?
Wo Sprache keine Worte hat, fängt die Musik erst an. (M.W.)
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von Maira »

Lieber Bastian, auch wenn das auf den ersten Blick nicht sonderlich viel Sinn macht, wo wäre die Menschheit heute,
hätte es nicht immer mal wieder welche gegeben, die was Neues, auch mal was ganz Verrücktes oder Sinnloses ausprobierten ?
Versuuch macht kluuch, das wissen doch grade die Intellenten + Redaktionsschnellen.

Nein , im Ernst, warum nicht was wagen ?
Es tut keinem weh und kostet nicht Dein Geld.

Wie war das mit der selbstfahrenden Kutsche, so ganz ohne Pferde ?
Oder mit der leitungslosen Übertragung von ---...--- ?
Hat alles irgendwann funktioniert, obwohl die Skeptiker erst mal Lachkrämpfe kriegten als sie davon hörten.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von Der Juergen »

Maira hat geschrieben: Sa 24. Feb 2018, 14:47Oder mit der leitungslosen Übertragung von ---...--- ?

Manchmal ist mir auch so zumute, dann aber eher nach
∙∙∙ — — — ∙∙∙ :_grin_:

bastian hat geschrieben: Fr 23. Feb 2018, 23:43Hört euch mal die PVC-Harfe von John Kovac an

Och, ein Honky-Tonk-Klavier findet auch seine Hörerschaft :_wink_:
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bastian
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von bastian »

mygga hat geschrieben: Sa 24. Feb 2018, 08:03 Nur mal rein hypothetisch: wie achätzt du die Verbindung von Kunststoffkorpus und Holzklangdecke ein? Kann das überhaupt funktionieren?

Ja. Kann. Der Kunststoff ist ein Thermoplast und damit relativ nachgiebig. Das variiert zwar von Sorte zu Sorte, aber das müsste m.E. klappen. Das Holz, was man verbaut, ist ja gut vorgetrocknet. Die Schwierigkeit wird darin liegen, einen geeigneten Klebstoff zu finden, der auf dem Kunststoff so gut klebt wie auf dem Holz.

@Maira: jeder kann machen, was er will. Klar kann man das ausprobieren. Ich meine, es ist eine Harfe. Nicht eklatant wichtig. Ich für meinen Teil gehe allerdings z.B. lieber über eine von einem Ingenieursteam berechnete Brücke als über eine mal gebastelte Versuchsbrücke. :_wink_:

Vielleicht meintest du ja auch die drahtlose Übertragung von ... _ _ ... (SMS). Was meinst du, wie viele Ingenieure sich da dran die Köpfe heiß gerechnet haben?
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von Maira »

Wusste ich das doch, irgendwie war es nicht ganz richtig, aber egal,
ihr habt verstanden was ich meinte.
Und im Übrigen : wenn eine Brücke einstürzt ist das weniger gut.
Kracht eine Harfe zusammen, dann ist das nicht schön,
aber dabei ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Lebewesen zu Schaden kommt, doch eher gering.
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von bastian »

Da nimmt nur die Seele Schaden. :_grin_:
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von Jonny Robels »

Wieso? Jedesmal, wenn eine Harfe bricht, wird ein Einhorn dement... :_shocked_:
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von Der Juergen »

bastian hat geschrieben: So 25. Feb 2018, 12:55 Da nimmt nur die Seele Schaden. :_grin_:

Ach! Ich dachte die Harfe …
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Re: Harfe aus dem 3D-Drucker?

Beitrag von Maira »

@ Jonny : Und der Erbauer kriegt Alzheimer ?
Mach doch , was Du willst. Ich mach auch , was ich will.
Aber ich mach das wirklich.
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